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Tagebuch Offenbarung eines Paladins

#11
*Seit Habinger begonnen hat, die Einträge seines verstorbenen Kameraden aufzuarbeiten, verfolgt ihn eine milde Unruhe. Diese setzt sich aus dem Horror zusammen, den er durch die Aufarbeitung der Memoiren ausgesetzt ist und aber einem unstillbaren Drang, die Arbeit dennoch weiterzuführen, zusammen. Hat Franz wirklich mit Sôlerben persönlich verhandelt, oder benutzt er sie nur als Metapher, um auf eine größere Wahrheit hinzudeuten? Kann ein einfacher Mann denn wirklich.. mit den Göttern verhandeln? Die Fragen prasseln gnadenlos auf seinen Verstand ein, und so setzt er sein Werk fort..*



Vorwort - Paladin Franziskus Maximilian Gerber, Solaner Orden Neu-Corethon

Sicherlich werdet ihr denken, wenn ihr bis hierher gelesen habt, meine Freunde, dass meine Taten von selbstloser und heroischer Natur waren, aus purer Entschlossenheit das Chaos zu bekämpfen und für die Ordnung einzustehen. Bis zu diesem Wendepunkt in meiner Rolle des Götterplans mag das auch so gewesen sein. Was nun folgen wird, mag sinnlos und brutal erscheinen. Ich warne euch eindringlichst davor, ab diesem Kapitel weiterzulesen. Die folgenden Einträge werden euch auf die Probe stellen, eurem Geist jegliche Sicherheit ringen und denjenigen unter euch, die nicht fest in ihrem Willen sind, alles abverlangen. Auch werdet ihr sehen, dass es mehr benötigt um den Götterplan zu erfüllen, als ein aufrichtiger Ordensritter zu sein, im Gegenteil - man muss sich gegen die Ideale stellen, die man geschworen hat, mit seinem Leben zu verteidigen. Man verkommt zu einer Kreatur, die gnadenlos den Willen ihres Herren ausführen wird, die ihm keinen Wunsch abschlagen wird. Nicht einmal den, sein eigen Fleisch und Blut für das höhere Wohl zu opfern. Ich bete für alle, die meine Schandtaten vor Augen geführt bekommen.

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Glühende Klingen - Rosenmond 1345

Noch bevor diese "Prüfung" wirklich angefangen hat, wurde ich in meinem Glauben an das Gute in unserem Herren auf das Härteste geprüft. Alleine meine Bestimmung und die Heldentaten, die damit kamen, haben alle verdammt, die mit mir verwandt sind oder die die Ehre hatten, an meiner Seite zu kämpfen. Das alles wurde mir aber nicht sofort bewusst, als ich die vierzehnte Ausgabe des leändischen Herolds gelesen habe. Neben den gewaltigen Ereignissen, die Leändrien beschäftigten, warf Sie ihren Schatten auf die bevorstehenden, unsagbar schändlichen Verbrechen, die wir bekämpfen aber auch durch eigene Hand begehen würden, voraus. Der Freistaat Silventrum erklärte die Unabhängigkeit, das Erzbistum Kurmark wurde zur Kaisermark, die Übersetzung der heiligen Schriften kam in den Umlauf, die Kirche des Lebenden Gottes überrollte ganz Sorridia, der Stein der Weisen wurde wieder in sieben Kelche eingeschmolzen.. und ein Raubritter Bund wüstete durch die Herzlande und brannten mein Heimatdorf, Silberlauf, bis auf die Grundfeste nieder. Sie vergewaltigten, plünderten und mordeten schlicht und ergreifend um dem Erzdämon Krosz zu huldigen und um in seinem Namen Angst und Schrecken zu verbreiten. Laut dem Herold hat keiner das Massaker überlebt, was bedeutete, dass ich und Werner nun Waisen waren, die Letzten der Familie Gerber. Mein Herz hat vor Qualen und Leiden schon oft geblutet, doch ab diesem Tage blieb stets ein tiefer, dunkler Keil in meinem Fleisch stecken, der nie mehr ganz zu heilen vermochte. Noch hatte ich keinen blassen Schimmer, dass meine eigenen Handlungen in diesen zermürbenden Prüfungen Grund für die Vernichtung Silberlauf's waren.

Das Leben ging weiter, auch mit dem tragischen Wissen, dass die Linie Gerber mit mir und Werner als Ordensritter aussterben würde. Um mich auf andere Gedanken zu bringen, nahm Raphael eine bereits lang geplante Expedition in Angriff - eine der Westwindinseln, die noch völlig unberührt gewesen war und sich insgeheim nach mutigen Entdeckern und Kartrographen sehnte, die ihre Existenz und Schönheit würdigen würden. Wir ankerten vor der Insel, ruderten auf das Festland, bestaunten den brennenden Berg und für ein paar kostbare Momente konnte ich meine Sorgen, meine Pflicht, vergessen und mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Doch so hoch ich auch oben war, so schnell wurde mein geistiges Wohlbefinden wieder mit erbarmungsloser Wucht in Grund und Boden getreten. Wir entdeckten eine Grotte in der Höhle, und in ihr einen riesigen, okkult geformten Spiegel. Als ich in den Spiegel sah erkannte ich, dass lediglich meine Reflektion gezeigt wird, und als ich mich umsah erkannte ich dass ich völlig alleine war. Irritiert schaute ich in meine Reflektion, welche zu mir sprach. Auch wenn es noch so obszön klingt, meine Kameraden, habe ich diesen Worten sofort Glauben geschenkt. Auch wenn dies sicherlich nicht der Herr war, der zu mir sprach, so spürte ich tief in mir, dass ich mich der Aussage nicht erwehren werde, in dem ich sie als heidnisch oder teuflisch abstempeln würde. Die Wahrheit brannte sich in meinen Geist, und ich wusste, dass mir nichts anderes übrig bleiben wird als mich meiner Zukunft zu stellen, die für mich nichts geringeres als das schlimmste Schicksal darstellte, dass ein sterblicher Mensch wie Ich erreichen könnte; die absolute Kontrastlosigkeit.

Als meine Reflektion mir schließlich diesen kleinen, aber kostbaren Einblick in den Plan der Götter gewährte fand ich mich nebst meinen Kameraden und anderen Expeditionsteilnehmer wieder. Ich sah es in ihren verwirrten Gesichter, dass sie das Gleiche wie ich erlebt hatten, doch ich war nicht mehr in der Lage rational zu denken. Tatsächlich fand ich mich irgendwann auf dem Schiff wieder, die Zeit raste nur so an mir vorbei. Versuche, mich zu trösten, prallten ungehört an meinem eisernen Topfhelm ab - nicht, dass ich in meiner Stummheit eine Antwort darauf gegeben hätte, so habe ich auch nie jemanden die Wahrheit erzählt, die mir in der Höhle zu teil wurde. Doch der Tiefpunkt war noch nicht erreicht, meine Kameraden, noch lange nicht, die unfassbare Qual der Götter mag erst noch kommen. Denn als wir an der Bucht unterhalb des Prioreisbergs ankern wollten, war unser Ankerplatz von einem anderen Schiff bereits eingenommen - auf dem Prioreisberg hingen plötzlich überall fremde Banner, ein blutrotes Schwert umschlossen von einer gnadenlosen Flamme und jemand hatte aus Geröll und Altholz Mauern hochgezogen, die den gesamten Berg zu einer Festung werden ließen. Die Raubritter der glühenden Klinge sind im Schutz der Nacht auf die Insel gekommen und haben unsere Abwesenheit benutzt, um den ganzen Prioreisberg zu besetzen - und damit war die Prophezeiung Amelies eingetreten: "Große Gefahr in der Heimat im Verzug".

Gezwungenermaßen konnten wir die Bucht vor der Priorei nicht mehr ansteuern sondern mussten am Osthafen den Anker auswerfen, immerhin hatten sich die Raubritter mit einer eigenen, kampfstarken Fregatte in unserer heimischen Bucht breitgemacht. Nie werde ich die verwunderten Gesichter vergessen, als wir Richtung Prioreisberg gehechtet sind: Bürger, Bauern, Adlige, Soldaten - sie alle hatten wohl die letzten Tage nicht einen einzigen Blick gen Prioreisberg geworfen. Niemand hatte den Einfall dieser Hurensöhne bemerkt. Vielleicht wollte man es auch einfach nicht bemerken oder hat sich insgeheim sogar gefreut, dass der Orden wohl "bekomme was er verdient". Als wir das Nordtor passierten und die Stufen des fortifizierten Prioreisbergs erklommen musste fast der ganze Orden an mir zerren, damit ich nicht sofort die hölzerne Mauern zerbreche und jeden den ich in einer kohleschwarzen Rüstung finde mit den eigenen Eingeweiden erwürge - ich beruhigte mich dann aber schnell, als uns zur Begrüßung der abgetrennte Kopf meines ehemaligen Schützling, Ivo, vor die Füße geschleudert wurde. Ich hatte Ivo als Anwärter aufgenommen, ihn zum Waffenbruder gemacht und eines Tages zum Ordensbruder geschlagen. Der Ivo, der mein Geld in der Untergrundtaverne verspielte, beim Waffenbrudertest nicht wusste wer Sôlerben war und einen der goldenen Kelche freiwillig an Bonhart übergab.. der Ivo, der mich hätte überleben sollen und es besser machen.

Aah, die personifizierte Glorie Krosz', ihr Name war wahrlich Lars "Lasse" Jensen gewesen, der flammende Pontifex. Mit riesigen, blutunterlaufenen Augen schritt dieser Hüne von Mann mit festen, einschüchternden auf das hölzerne Tor und grinste über beide Ohren mit seinen riesigen Hackzähnen auf uns herab. Sein Finger zeigte anschuldigend auf mein schockiertes Haupt - er warf mir vor, die schlimmste aller Sünden begangen zu haben, den Mord an dem eigenen Bruder! Er hatte dem verstorbenen Patrick ewige Rache geschworen und hat gleich seinen ganzen Orden mitgenommen, um sein Vorhaben durchzusetzen - Patrick war bis zu seinem Ableben ein Feuriger Dekan der Raubritter gewesen. Stolz brüllte er heraus, die restlichen Ordensbrüder als Geisel genommen zu haben und für jeden vertrödelten Tag einen weiteren Kopf rollen zu lassen, in denen wir seine Forderungen nicht erfüllen würden. Jensen verlangte täglich genügend Verpflegung für ihn und seine Männer, wir sollen aber nichts dummes probieren, immerhin würden die Geiseln zuerst kosten. Auch verlangte er lebendiges Vieh, vorzugsweise Lämmer oder Kälber für die Huldigung an Krosz' sowie Baumaterial, um einen groteskten, hölzernen Turm mitten auf dem Raphael Bonnington-Ehrenplatz zu errichten. Seine Hauptforderung, aber, wenn wir die Geiseln jemals lebendig wiedersehen wollen würden, war der Leichnam des verstorbenen Patrick. Bevor wir den nicht hatten, bräuchten wir nur wiederzukommen um mit anzusehen, wie unsere Kameraden einen Kopf kürzer gemacht würden. Aber, ein Ass hatte der Dreckskerl noch im Ärmel - er drehte den Kopf laut nach hinten, pfiff laut auf.. und vor mir stand plötzlich meine eigene gefesselte Mutter, Helga!

So schlimm die Umstände auch waren, blieb meine Mutter auch eine Gerber. In einem Moment der Schwäche verpasste sie einem unachtsamen Raubritter eine Kopfnuss, doch seine schändlichen Kameraden lachten nur hämisch und stachen ihn für sein Fehlverhalten mit ihren Schwertern nieder, jovial hackten sie auf seinem Leib ein bis es zu feinstem Fleisch verarbeitet wurde. Und er lachte mit. Jensen wandte sich von uns ab, und mir wurde schwarz vor Augen. Für mehrere Stunden war ich in einen Zustand der Katatonie verfallen, in der mein Geist sich selbst zu schützen versuchte, akribisch die tausend Scherben des fragilen Spiegels namens "Psyche" mit Spucke wieder zusammenflickte. Ein Kontaktversuch mit dem gefangenen Abt konnte mich wieder auf die Beine bringen. Während er das Fenster des Badezubers herunterblickte, schauten wir geplagt und führungslos nach oben. Doch er nutzte seine letzte Kraft, um uns das nötige Durchhaltevermögen für die kommende Prüfung zu schenken.. ein Hauch des göttlichen Funken, der mit heißen, gnädigen Flammen meine eitrigen Seelenwunden reinigte, versengte und vernarbte. Die wenigen Sekunden, die uns vergönnt waren, hatten ausgereicht um uns wieder zurück auf den rechten Pfad zu bringen. Nach langen, mühseligen Diskussionen mit der Garnison willigten sie schließlich doch ein, die Nahrung und die Tieropfer an die Raubritter zu übergeben. Es wurde ein Betretungs- und Verhandlungsverbot mit den Raubrittern ausgesprochen, da jede Provokation den Tod eines Ordensbruders nach sich ziehen konnte. Die Gardisten aber zogen es vor, die ganze Sache in ihrem Burgfried auszusitzen - sie stellten uns sonst keinen einzigen Mann und verfügten, dass jeder Bürger im Burgfried bleiben müsse. Zumindest wagte es niemand, einen Angriff auf die Raubritter zu starten, denn wie Friedrich bereits richtig in der Reflexion des Spiegels erkannte: "Verhandeln bedeutet handeln."

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Diese Feigheit widerte uns bis aufs Knochenmark an. Wir setzten uns daran, den Leichnam Patricks zu finden, dort, wo er das seine Leben für das Meine gab - in der alten Paladingrotte, tief unter dem Prioreisberg. Der ehemalige Protektor Kylar, ein Mann, der Huren schwängerte, heiratete und sogar Magie praktizierte hatte sie in seinem Größenwahn als eigene Ausbildungs- und Heimstätte für Ordensritter errichten lassen. Heute wird sie aber nur noch zu Übungs- oder Verwahrungszwecken verwendet. Dort unten, wo Gabriel Bonnington versuchte seine tote Mutter Elise wieder ins Leben zu holen, hatte ein herabgestürzter Felsbrocken ihn aus dem Leben gerissen. Stundenlang drehten wir jeden größeren Stein um, doch alles ohne Erfolg. Lediglich schwarze und weiße Lotosblumen waren symbolisch um eine leere Stelle platziert worden, ein Markenzeichen des Renbolder Ordens. Die Spione, Meier und Mayer, sie werden den Leichnam ordentlich bestattet haben. Waren sie immer noch auf der Insel? Jagten sie immer noch den Kultisten des lebenden Gottes hinterher, den Ketzern, die nach der Ermordung von Martynas Lithwer spurlos verschwunden sind? Viele wertvolle Stunden haben wir mit der fruchtlosen Suche nach den sterblichen Überresten verbraten.. Jule wusste das nur all zu gut, denn ihre Prophezeiung lautete: "Alles warten ist warten auf den Tod."

Doch nicht lange danach wurden wir aufgegriffen. Da wir uns der Garnison widersetzt und nicht im Burgfried diese Krise einfach ausgesessen haben, war die O.S. Marina in der Bucht am Osttor unsere neue Zuflucht gewesen: Dort wurden wir auch in den frühen Morgenstunden aus unserem unruhigen Schlaf gerissen. Eine verhüllte Gestalt kontaktierte uns mit einem Angebot, das wir nicht ablehnen konnten. Es handelte sich um niemand anderen als Marcos Morales, der falsche sorridianische Priester und in Wahrheit Anhänger des ketzerischen lebenden Gottes. Gleich offenbarte er uns, dass die Tarnung von Meier im Kult aufgeflogen wäre. Sie halten ihn momentan gefangen, würden uns aber zu ihm lassen um den Aufenthaltsort von Patrick's Grab zu erfahren. Auch an den Ketzern war der Einfall der Raubritter und ihre Forderungen nicht vorbeigegangen. Selbstverständlich verlangte er eine Gegenleistung - sein Kamerad, Bruno Santos, hatte sich mit dem Dämonenfieber infiziert, eine Krankheit, die Neu-Corethon vor Jahren heimsuchte und das Forscherhaus unter Raphael aber mit einem Heilmittel fast ausrotten konnte. Ein gesunder Ketzer gegen einen gesprächigen Spion. Es war Raphael selbst, der auf den Handel einging. Auch er wurde mit der Weisheit des Spiegels gesegnet, denn er offenbarte uns: "Abmachungen mit alten Feinden werden getroffen."

Nun hatten wir endlich ihr Versteck gefunden, wo sie all die langen Monde hausten: In der Höhle, hinter dem Friedhof der Verdammten, wo sich einst das Volk der Hobos, eine primitive Zigeunergemeinde aus dem Kaiserreich Tasperin, sesshaft gemacht haben und ihren Glauben an den Sonnenkönig (also mich) praktizierten. Sie ließen sich aber von den Gauklern mit billigem Fusel und primitiven Taschenspielertricks von dem wirklich lächerlichen, neuen Glauben der Sorridianer überzeugen und verehrten Marcos Morales und Bruno Santos, wahrhaft, wie lebendig gewordene Götter. Sie trifft keine Schuld, sie wissen es eben nicht besser. Geschickt, wie wir waren, verlangten wir vorher Meier zu sehen - immerhin könnte er schon lange tot sein. Grinsend stimmte Morales ein, und geleitete uns tiefer in den Höhlenkomplex hinein - bis wir in einen großen, ausgehöhlten, steinernen Raum kamen. Rostige, alte Gitterzellen verwahrten einen in rote Roben gekleideten, offensichtlich harsch behandelten Mann - es war Meier! Langsam raffte er sich auf, doch noch bevor er ein Wort mit uns sprechen konnte sprintete Morales aus dem Raum und riss einen Hebel an der Wand beim vorbeilaufen herunter. Ein großer Knall und eine Sicht und Atem raubende Staubwolke durchging darauf hin die Höhle, und nach einem kurzen Wackeln der Umgebung gab der Boden unter unseren Füßen nach und wir stürzten gemeinsam in die Tiefe.

Ich hustete den Staub aus meinen Lungen und kämpfte mich zurück auf die Beine. Sobald wir alle wieder auf den Beinen waren, kam uns auch die Erkenntnis, dass wir reingelegt worden waren. Um uns herum sahen wir ein alchemisches Labor, mit Destillen, Töpfen und verschiedenen Kräutern. Ein Mineneingang, der in die Freiheit führte war durch die Explosion verschüttet worden, einer der in die Tiefe führte war verschont geblieben, zudem stand ein massiver, langer Baumstamm im Raum - ihn anzuheben würde eine Luke öffnen, durch die Frischluft in den stickigen Hohlraum kommen würde. Hasserfüllt brüllte Morales von seinem Vorsprung zu uns herunter, dass wir das Heilmittel auf jeden Fall fertig stellen werden, und wenn nicht, dann würden wir eben ersticken oder verdursten.. da blieb uns wohl tatsächlich keine Wahl. Das Heilmittel herzustellen war nicht das Problem, eher die wenige Zeit die wir hatten. Dadurch mussten wir verschiedene Kräuterkombinationen ausprobieren, die in ihrer Intensität potenziell tödlich waren. Unser Wille, diese Höhle heil wieder zu verlassen, hat uns dazu gebracht auch stets 2 Mann bei dem verschütteten Tunnel graben zu lassen, auf dass wir irgendwann wieder frei wären. Zu dem Zeitpunkt wussten wir aber noch nicht, dass wir alle selber bereits mit dem Dämonenfieber infiziert waren, eine Krankheit, die einen urplötzlich versteinern lässt. Eine temporäre Lösung ist, dem Betroffenen Alkohol zuzuführen, doch heilt dies das Leiden keineswegs. Es wird immer hochprozentigerer Alkohol nötig, um den Betroffenen aus der Starre zu helfen, bis er im Endstadium für immer in der katatonischen Starre verbleibt. Spätestens, als Jule Weber stundenlang nicht von der Erkundung des unteren Tunnels zurück kam und Raphael einige Momente versteinert war, wussten wir, dass wir ohne ein Heilmittel an eine Flucht gar nicht erst zu denken brauchen..

Und so vergingen die Stunden. Ich musste hauptsächlich den Baumstamm heben damit wir nicht ersticken, da ich der Einzige Gefangene war, der auch kräftig genug war ihn anzuheben. Meier war durch den Sturz verletzt worden und die ganze Zeit über nicht ansprechbar gewesen. Amelie und Raphael mischten viele Varianten der Kräuter durch, während Friedrich, Salvyro und Jule's Hund, Semmel, abwechselnd den Gang frei gruben. Leider hat sich Semmel so sehr verausgabt, dass er während den Grabungsarbeiten wohl eine Art Herzinfarkt erlitten haben muss. Wir konnten nichts mehr für ihn tun, Jule war am Boden zerstört - doch ein Hoffnungsschimmer. Eine Mischung aus Froschgras, Blutwurz und Weihrauch schien absolut keine Nebeneffekte zu haben - hatten wir die Heilung für das Dämonenfieber gefunden? Leider nein, wie sich später herausstellte. Es benötigte wohl noch einen zweiten Trank, der danach getrunken werden muss um vollständig geheilt zu sein und dieses Mal mussten gleich vier Kräuter in der richtigen Reihe gemischt werden. Auch ich habe, freiwillig, eine Mixtur getrunken, die leider falsch war und mich mehrere Stunden lang außer Gefecht setzte. Die Lage war arg, als ich wieder erwachte, da die Luft bereits so stickig geworden ist und keiner kräftig genug war den Baumstamm zu heben. Eine Stunde mehr, und es wäre womöglich unser aller Ende gewesen. Aufputsch- und Schlafmittel, die Amelie nebenbei zubereitete, sorgten dafür, dass man am Tag kräftiger schuften und nach den wenigen, kostbaren Stunden Schlaf besser ausgeruht war. Eine Kombination aus Zähe, Willenskraft und Glück brachte schlussendlich die lang ersehnte Heilung: Portulak, Ringelblume, Weihrauch und Blutwurz! So waren wir nun geheilt und konnten unsere ganze Kraft darauf ausrichten, uns aus der dunklen Hölle frei zu graben, und so wahr Deyn es geplant hatte war uns dies auch vergönnt.

Sobald Meier von seiner schweren Krankheit geheilt war, stand er wieder fix auf den Beinen - die Konstitution eines waschechten Renbolder Spion. Wir suchten Morales in dem Zimmer des Kranken Santos auf, und der geschundene Spion erwürgte ihn mit bloßen Händen, während der ans Bett gefesselte Kultist zuschauen musste. Nicht nur hat Morales uns in die Falle gelockt, er hat auch noch den anderen Spion Mayer so lange gefoltert, bis er an seinen schweren Wunden gestorben ist. Sie haben ihn umgebracht! Voller Zorn nahm ich das Kissen, auf dem der Todkranke sich ausruhte, und drückte es ihm auf das Gesicht - ich weiß noch, wie seine schwachen, alten Fingernägel verzweifelt an meinen Panzerfäustlingen kratzten, doch ich kannte kein Erbarmen für das, was sie meinem alten Freund angetan haben. So habe ich einen alten, schwachen, kranken Mann in seinem eigenen Sterbebett umgebracht, denn er war ein Mörder und vom falschen Glauben. Er war der Erste Kultist des lebenden Gottes, den ich höchstpersönlich getötet habe, doch es sollten in dem kriegsgeplagten Szemäa noch viele weitere folgen. Schuldig oder nicht, das spielte dabei keine Rolle mehr, denn ab dem Zeitpunkt wusste ich, dass die göttliche Schuldfrage, entgegen aller Behauptungen der deynistischen Kirche, absolut flexibel und situationsorientiert ist. Der Zweck heiligt die Mittel, dies ist die wahre Essenz des Glaubens.

Meier konnte uns schließlich zum Grab meines Bruders führen. Er versicherte uns, dass er ab dem heutigen Tage seine Tätigkeit als Agent niederlegen würde und wir uns deshalb nie wieder sehen würden.. ich hätte mir für ihn von ganzem Herzen gewünscht, dass dieses Versprechen nicht gebrochen werden würde, waren es aber wir Neu-Corethoner Solaner persönlich, die wir in unserer Stunde der aller größten Not ihn an unsere Seite beschworen haben - und er diesen aller letzten Einsatz tragischer weise doch nicht überleben würde. Agent Meier, ich danke dir für deinen Einsatz. Du hast in diesem Leben den wahren Wert deiner Seele bewiesen, mögest du auf deinen jetzigen Irrwegen deinen treuen Zwillingsbruder, Mayer, stets an deiner Seite wissen. Er verließ die Insel heimlich mit einem Schiff gen Festland, während wir uns der Tatsache stellen mussten, durch die Falle der Kultisten einen ganzen Tag verloren zu haben und damit ein weiteres Leben eines unserer Ordensbrüder. Es war Komtur Krombach, der nach der Absetzung Raphael's als Abt als Unterstützung geschickt wurde und sich aber mehr als stiller Beobachter im Orden verhielt, den die Räuber köpfen wollten. Zu unser aller Überraschung schaffte er es aber, kurz vor seiner Enthauptung das Schwert seines Henkers zu ergreifen und damit mindestens 3 verdorbene Seelen mit sich in den Tod zu reißen. Die Auslieferung des.. vermoderten, zerquetschten Körper meines Bruders konnte sie nicht davon abhalten, doch Lasse grinste dieses Mal nicht vor Mordlust, sondern vor Zufriedenheit. Der hölzerne Turm wuchs Stunde um Stunde, bis er selbst den Prioreisturm um einiges überragte. Die Raubritter schienen sich mit dem Leichnam innerhalb der provisorischen Mauern zurückzuziehen, es war offensichtlich, dass sie zusammen mit den Opfergaben dabei waren, ein Ritual von ungewöhnlicher Größe durchzuführen - nur, zu welchem Zweck?

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Es war klar, dass wir nun handeln mussten um Abt Friedmann, Ordensritter Habinger, Waffenbruder Leibecht und meine Mutter Helga aus den Fängen des Kultes zu befreien. Die Garnison bewies erneut, dass sie in ihrer Schutzaufgabe der Insel sich wieder einmal selbst sabotierten und absolut versagten, denn sie verweigerten uns jämmerlich lachend jegliche Unterstützung für irgendwelche Kampfaktivitäten gegen die Raubritter. Stattdessen setzten sie immer noch daran fest, den Raubrittern einfach die ganze Stadt zu überlassen und alles im Burgfried auszuharren, denn Unterstützung würde ja bald kommen - man könne doch einfach mit Kanonenkugeln den Prioreisberg perforieren wie fallicischen Käse! Doch ich wunderte mich schon nicht mehr, im Götterplan war für die Garde eben nie mehr als der Platz des blinden Narren oder Rückenstechers vorgesehen gewesen. Vermutlich sollte dies den Kontrast zu den Heldentaten unseres Ordens zur Geltung bringen. Ob sie wohl auf ewig dazu verdammt sind, in so einem Licht zu stehen?

In unserer Not zogen wir alle Register an Verbündeten, die wir aufbringen konnten. Raphael versammelte die Bevölkerung und rief jeden dazu auf, für das Gute und den Herren in den Kreuzzug gegen die Heiden am Prioreisberg zu ziehen - viele folgten dem Aufruf, sogar Frauen und Schwangere. Als Nächstes versammelten wir die Familie Hobo in ihrer Höhle, nun führer- und orientierungslos schworen wir sie erneut auf ihren alten Glauben des Sonnenkönigs ein - auf MICH - und überhäuften sie fässerweise mit Gossenhauer. So stachelten wir diese in Lumpen gekleideten Armen mit Heugabeln ebenso dazu auf, sich in ihren sicheren Tod zu stürzen. Als Hauptmann Vaerris von unseren moralisch fragwürdigen Rekrutierungen hörte, verurteilte er sie aufs Schärfste und willigte am Ende des Tages doch ein bei der Rückeroberung des Prioreisbergs zu helfen. Die Masse teilte sich in mehreren Gruppen auf und stürmte den Prioreisberg zugleich, Spat Tharim begleitete die Meine - ein Mann, welcher noch große Relevanz für meine Taten haben sollte.

So fegten wir unseren Weg, schnell und unbarmherzig in die Bibliothek, wo wir Leibecht im Keller auffinden und befreien konnten. Als ich ihm die Mundfessel entfernte warnte er mich, dass ich dringend auf den Turm in der Mitte müsse - sie hätten Helga und Patrick's Leichnam nach ganz oben gebracht und planen etwas furchtbares. So traf ich mich vor dem Turm mit Raphael, Jule, Salvyro und Amelie wieder um diesen zu besteigen. Mein Schwert grub sich Hieb für Hieb durch das Fleisch meiner Feinde, kindliche Freude machte sich in mir breit als ich bis durch die Ritzen meiner Kettenrüstung mit dem Blut und den Eingeweiden meiner Feinden besudelt war. Doch auch die Gegner schienen fast schon in Ekstase zu schweben, von mir und meinen Kameraden niedergemetzelt zu werden - wir lachten gemeinsam als wir Stück für Stück menschliches Leben brutalst beendeten. Jule wurde schwer am Kopf getroffen, sie blutete stark und zitterte vor Angst, doch erbarmungslos zwang ich sie zur Wiederaufnahme des Kampfes. Nicht einmal, als Friedrich nach einem Schwertstich in die Brust von der Konstruktion der Klingen fiel schaute ich ihm nach, nein - ich ließ den Schmerz mich überrollen und die treibende Kampfkraft werden, mit der ich sie alle in die Hölle schicken würde. Ich spürte, wie die Sünde der hasserfüllten Rache mein Herz wärmte und mich im Kampf gegen die Raubritter führte. Was für ein wunderbares Gefühl, sich von den Dämonen leiten zu lassen die man geschworen hatte, zu besiegen - Krosz hätte in mir wahrlich einen ehrfürchtigen Diener gefunden. Dies war eine Nacht der Abscheulichkeit gewesen und ich genoss jede einzige unheilige Sekunde davon, in der ich meine innere Bestie entfesseln konnte.

Nach vielen, ermüdenden Kämpfen kamen wir schlussendlich ganz oben an. Unter uns brannte immer noch der Kampf um den Berg - die Garnison hatte vom Nordtor aus den Kampf aufgenommen, sämtliche Hobos waren am Friedhof bereits grausamst geschlachtet worden, sie haben vielleicht einen Raubritter mit in das Grab nehmen können. Die restliche Bürgerschaft konzentrierte ihre Bemühungen auf den Friedhof wo noch viele Raubritter stationiert waren, die restlichen Geiseln schienen befreit worden zu sein. Meine Mutter, Helga, kniete gefesselt zu der linken von Lasse. Er hatte mit seinen Schergen einen obszönen Turm aus Metallschrott errichten lassen, der oben spitz zusammenlief. An der Unterseite war ein Tisch mit dem Metallberg verbunden auf welchem der Leichnam meines Bruders aufgebahrt war - was bei allen Göttern wurde hier versucht? Doch der flammende Pontifex lachte nur, packte meine Mutter und hielt ihr die Axt unter die Kehle, während er mich verspottete. Dank unseren Bemühungen, all diese Leben auszulöschen, wäre sein Wiederbelebungsritual nun fast komplett! Patrick würde wiederauferstehen und könne sich endlich für meinen Bruderverrat an ihm rächen. Zuvor jedoch müsse er mir noch alles nehmen was mir etwas bedeutet - der einzige Grund für die Vernichtung Silberlaufs und die Ankunft auf Neu-Corethon. In dem Moment jedoch segelte ein Drygoreball, abgeschossen vom Dach der Kirche, direkt in das Gesicht von Lasse. In dem Moment stieß er meine Mutter in der Panik zur Seite und sie fiel vom Turm - ich hechtete nach vorne, doch ich war zu langsam. Fallend sah ich ihr nach, mit dem Schmerz von tausend Seelen schrie ich nach ihr - doch kein Wort kam über meine Lippen. Stille. Schnell griff ich nach der Axt von Lasse und wir fielen Beide zu Boden und rangen in einem persönlichen Zweikampf um die Oberhand. Andere Raubritter und die Garde von Lasse griffen von hinten an und es entbrannte ein neuer verzweifelter Kampf, begleitet von immer lauter und frequenter werdendem Donner.

Der Mann, der den Drygoreball abgeschossen hat war ein guter Freund von Salvyro gewesen - Pipo Ponaldo. Ich habe ihm einst den Kiefer gebrochen weil er mich einmal unerlaubterweise angefasst hat und dennoch riskierte er seinen eigenen Hals, um den unseren zu retten. Genauso wie Salvyro's Prophezeiung es vorausgesagt hatte: "Ein Freund trifft die Richtige Entscheidung." Ich schaffte es schließlich, die Axt aus den Griffen des Hünen zu befreien und sie vom Turm zu schleudern. Plötzlich schlug mit einem unfassbar lauten Knall ein Blitz in die metallene Konstruktion ein. Patricks Leichnman zuckte nur so vor Energie und fing an sich zu erheben! Ich war wie versteinert. Lasse ebenso, er starrte versteinert zu dem sich erhebenden Patrick.. sein grünes, geflicktes Gesicht starrte uns leblos an. Lasse befahl ihm, mich zu töten und so endgültig Rache zu üben - doch Patrick wandte sich gegen ihn! Er packte den schreienden Lasse und warf ihn gegen sein eigenes, metallenes Werk - er spießte sich lebensgefährlich an ihr auf und im nächsten Moment schlug noch ein Blitz ein, was Lars 'Lasse' Jensen lebendig kochen ließ bis ihm die Augen den Höhlen platzten und in seinen offenen Mund flossen. Unter Tränen schloss ich meinen Bruder in meine Arme. Ich konnte kein Wort sagen, doch dies wusste er und er beruhigte mich. Die ersten Sonnenstrahlen kitzelten bereits am Horizont, da bat Patrick mich für all seine Vergehen um Verzeihung und vergab mir im Gegenzug all die meinen.. und das er sehnsüchtig auf mich warten würde. Die Sonne reduzierte ihn zu Staub.

Unten angekommen stellte ich voller Glück fest, das meine Mutter und Friedrich überlebt hatten! Sie waren in einen Teich gefallen und Friedrich hatte sich gegen 3 wilde Hunde erwehrt. Diejenigen, die noch kämpfen konnten, schlossen sich mit der Garnison und den Bürgern zusammen um die Raubritter beim Friedhof auszuschalten. Die paar, die übrig blieben flohen zurück auf ihr Schiff. Sie setzten Segel und verließen die Insel noch bevor man die Verfolgung aufnehmen konnte, oder wollte. Anscheinend haben im Kampf neben den Raubrittern nur die gesamte Familie Hobo ihr Leben verloren. Zumindest hatte man sich so der Problematik der Obdachlosen entledigt, in meinen Memoiren wird ihr Andenken dennoch niemals vergessen werden. Verzeiht dass wir euch mit Hetze und Geschenken in den Tod geschickt haben, möget ihr nun Ruhe und ewig fließenden Gossenhauer finden während ihr eure Heldentaten besingt, wo auch immer das sein könnte. Ich werde euch nicht beiwohnen können.

Die folgenden Tage wurde der Prioreisberg wieder hergerichtet, die Leichen zusammengetrieben und verbrannt und die Wunden ausgeheilt. Auch haben wir viele nette Tage mit meiner Mutter verbracht, die uns viele Mama Gerber Kekse backte und Amelie sogar ihr Geheimrezept beibrachte. Doch auch dieses Glück war nur von kurzer Dauer.. wie konnte es auch anders sein? Ich hatte schon gehofft, meiner Bestimmung entgangen zu sein, dass man immer noch selbst seines eigen Glückes Schmied sein kann. Meine Mutter hatte sich im Kampf eine Wunde zugetragen, die sich nun infiziert hatte. Sie weigerte sich, sich behandeln zu lassen da sie an ihre eigene Vitalität glaubte - ein Irrglaube den viele Menschen in sich tragen, sobald sie alt werden. Ich legte sie zu ruhe, bereitete mich auf ihr Ableben vor, doch meine Mutter hatte einen letzten Wunsch. In ihren Träumen wurde ihr ein Ort beschrieben, das innerste Heiligtum des Sôlerben Klosters im hohen Norden. Sie wollte dorthin - und ich spürte, dass es so sein musste, also taten wir es auch. Ich brachte sie an die Schwelle, die ich bereits genutzt hatte um mit dem Heiligen Sôlerben höchstpersönlich zu verhandeln, denn sie wollte das selbe tun um mir meine Stimme zurück zu geben. Ich als Sohn konnte meiner Mutter, selbst in so einer Situation, nicht widersprechen und ließ sie gehen. Als Resultat trage ich ihr diamantenen Armreif am rechten Arm welches mir die Kraft gibt, um meine Stimme erneut zu erheben - und habe mein Schicksal erfüllt: "Du wirst den Tod deiner Mutter verantworten."

Dies ist das innerste Geheimnis des Klosters, weshalb der Strahl hoch empor schießt und wir es mit allen Mitteln beschützen müssen, denn dieses Kloster stellt die Verbindung zur Göttlichkeit dar meine Ordensbrüder, und ist deshalb der verwundbarste Ort auf ganz Athalon - so lange der Schein sogar die dunkelste Nacht erstrahlt, ist die Götterpforte offen und der Herr verwundbar. Doch nun wird der Strahl erloschen sein und meine Pflicht erfüllt, weswegen ich ganz offen seine wahre Natur preisgeben kann. Doch dies ist nicht die einzige Pforte ihrer Art, es gibt sie schon seit tausenden von Jahren - jeweils eine Himmels, und eine Höllenpforte. Die Höllenpforte werde ich euch im vorletzten Kapitel meiner Memoiren offenbaren, doch verzweifelt nicht, denn diese wird sich ebenso geschlossen haben. Das Schicksal von uns allen hängt von diesen Verbindungsstücken zu den Domänen der Allermächtigsten ab, an diese sind wir gekettet. Auf Athalon werden sich eines Tages neue Pforten öffnen, und sie werden den Anfang vom Ende verkünden - merkt euch die Worte des Größten, Franziskus Maximilian Gerber, denn dann müsst ihr euch vorbereitet haben. Ich werde euch den Weg zur Wahrheit zeigen.

*Die Offenbarungen, die Franz schreibt, rütteln sehr an der geistigen Gesundheit des Paladins. Mehr und mehr Fragen stellen sich ihm, die sündhafte Zweifel in ihm aufbringen. Spricht Franz von einer verborgenen Wahrheit, die nicht für die Menschheit bestimmt ist? Kennt er die Geheimnisse der Götter? Die Neugierde treibt ihn voran..*
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#12
*Paladin Habinger erntet die Früchte seiner schändlichen Arbeit. Hinter der Fassade eines halbkompetenten Solaners brodelt es in seinem Inneren, Zweifel und Paranoia bestimmen seine Träume. Das gotteslästerliche Werk von Gerber gehört niemals veröffentlicht, da ist sich Habinger sicher - doch weshalb brennt er dann darauf, sie zu übersetzen?*



Vorwort - Paladin Franziskus Maximilian Gerber, Solaner Orden Neu-Corethon

Dieses Kapitel stellt wohl das Unglaubwürdigste aller meiner nacherzählten Geschichten dar - doch nicht aufgrund der übernatürlichen Ereignisse oder der historischen Tatsachen die ich behaupte, dass sie einfach so passiert sind, sondern darin dass ich mir bis Heute unschlüssig bin welchen Sinn und Zweck diese "Prüfung" gehabt haben sollte. Man könnte sie als merkwürdigen, spontanen und geteilten Fiebertraum abtun und seinen Frieden finden, doch dass fünf Menschen das haargenau Gleiche träumen kann kein Zufall sein. Wollte man uns Einblicke in die Geschichte von Kaledon geben? Oder die Macht, die Geschichte selbst zu schreiben? Oder sollte es uns allen nur bewusst machen, wie brüchig das Vertrauen und die Freundschaft in unserem Orden tatsächlich ist? Ich bin mir sicher, dass der Götterplan auch entwürdigende Scherze enthält - als mehr war dieses Kapitel wohl auch nie gedacht.

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Königsmord im Hochland - Regenmond 1345

Die Ereignisse fangen bereits mit einer solchen Banalität an, dass ich mich wahrhaft frage ob es überhaupt wert ist, zu Papier gebracht werden, doch der Vollständigkeit meiner Memoiren und Prüfungen halber werde ich es denjenigen die nach mir kommen nicht vorenthalten. Im Prioreisberg war Monate nach der Belagerung der Raubritter der glühenden Klinge mehr oder weniger Normalität eingekehrt, nachdem die größten Schandtaten der Ritter in der Priorei beseitigt wurden - sie hatten die Teppiche mit Blut gefärbt, sämtliche Doppelkreuze auf den Kopf gedreht oder verunstaltet, die Fensterscheiben eingeschlagen und und und.. ganz das Gefühl, sich nun aber in einem entweihten, unheiligen und schlicht und ergreifend fremden Haus zu befinden konnte man aber nicht zur Gänze abschütteln. Um wieder etwas Freude in unsere Herzen zu bringen organisierte Raphael einen Ausflug mit dem Schiff der O.S. Marina - ruhiges und entspannendes Hochseefischen würde uns auf andere Gedanken bringen, die frische Seeluft würde uns gut tun. Für einen Moment mag das auch den gewünschten Effekt erzielt haben - wir sechs, Raphael, Amelie, Jule, Friedrich, Salvyro und ich genossen unsere Zeit, vor allem nachdem ich durch den diamantenen Armreif meine Fähigkeit zu sprechen wiedererlangt hatte und mich so wieder tiefgründig mit meinen Brüdern und Schwestern unterhalten konnte.

Doch wie so häufig war auch diese Freude von nur kurzer Dauer. Ein aus der See aufsteigender Nebel umhüllte die O.S. Marina in wenigen Sekunden, noch bevor wir den Kurs ändern konnten hat der eingeatmete Nebel uns in einen tiefen Schlummer gelegt und für weiß Deyn wie lange völlig hilflos, mutterseelenalleine auf offener See treiben lassen. Unser Geist jedoch war in dieser Zeit hoch aktiv und keineswegs im bewegungslosen Zustand wie unser Fleisch und Blut. Durch schädliche Magie wurden wir Zeuge eines Ereignisses, das sich vor vielen Jahren in Kaledon abgespielt hat - im Jahre 1295, wie ich durch spätere Recherche herausfinden konnte. In diesem Jahr hätte die Krone von Kaledon durch den regierenden König, Duncan I., an seinen stärksten Gefolgsmann, einen sogenannten "Thane" weitergeben werden sollen. Eine Tradition, die die Regierung von Kaledon für Jahrhunderte bestimmte, doch die fortschreitende Deynisierung des Landes und die Abschwörung der alten Naturgötter riefen für eine Reform der Übergabe der Krone - eine Reform, die das Ende der Unabhängigkeit von Kaledon bedeutete und den Anfang des Großalbion'schen Imperiums.

Der Thane von Webs, McBonnington und der Thane von Fifo, McGerbsholm, waren die Hauptanwärter auf den kaledonischen Thron. Beide waren sie große Kriegsherren, die sich gegen ausländische Invasoren und Rebellen im Kampf behauptet hatten und sich so Respekt und die Herrschaft über ihre Ländereien sicherten. Jedoch waren beide auch erbitterte Erzfeinde - McBonnington war gerissen und bereit, für den Thron alles zu tun, während McGerbsholm ein treuherziger Freund von König Duncan war, ohne jeglichen Sinn für Intrige. Zur Krönung des neuen Königs waren sie in McBonningtons Heimatburg in Webs zu Gast gewesen. Auch der Sohn von König Duncan, Francis, wurde eingeladen. In ihm sah man jedoch keine Bedrohung für den eigenen Thronanspruch, denn er wurde allgemein als schwach und feige angesehen, unfähig ein Schwert zu führen oder seinen Mann zu stehen. Zudem wurde McBonnington noch von seiner schwangeren unscheinbaren Frau, Lady McBonnington und seinem guten Freund und Heerführer Sir Amonné begleitet, so wie McGerbsholm von seiner abweisenden Frau Lady McGerbhsolm auf die Burg begleitet. Das weiß ich insofern genau, als dass wir die Ereignisse, die sich damals abgespielt haben selbst nacherlebt haben, oder vielleicht sogar geformt - wir schlüpften unterbewusst in Rollen, erinnerten uns nicht mehr an unser früheres Leben.

Ich übernahm die Rolle des McGerbsholm und mein größter Widersacher, McBonnington wurde natürlich von Raphael Bonnington übernommen, denn wie sich zeigte war er tatsächlich über viele Ecken und Kanten mit dem wahren McBonnington verwandt, einem Zweig der Familie der sich von Weidtland entfernte und sich in Kaledon niederließ. Jules Geist verkörperte Lady McBonnington, Amelie den Heeresführer Sir Amonné. Friedrich "spielte" den einzigen Sohn des König Duncan, Francis und Salvyro Lady McGerbsholm.. zumindest dachte ich das, kurz nachdem wir aus diesem Albtraum aufgewacht sind. Noch allerdings standen wir erst am Anfang, frisch in der Burg von McBonnington angekommen begannen bereits die ersten Wortgefechte zwischen McGerbsholm und McBonnington. König Duncan schlichtete wie immer mit seinem bodenständigen und vernünftigen Gemüt. Selbst das konnte ihm allerdings nicht mehr helfen, als er vor den Augen all seiner treuen Untertanten verkündete, dass ab sofort die Erbmonarchie eingeführt werde und sein Sohn Francis die Krone bekommen werde. Im selben Moment hallte ein ohrenbetäubender Donner, König Duncan bekam einen schrecklichen Hustenanfall und fiel schwach zu Boden.

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Absolute Empörung machte sich breit. Selbst McGerbsholm war erschüttert, wusste er doch genau, dass niemand den schwachen Francis als König akzeptieren würde und damit ganz Kaledon in Unruhe stürzen werde. Bedienstete halfen dem schwachen König auf die Beine und in sein Gemach im obersten Stock des Burgfriedes. Solange König Duncan sich ausruhte zogen langsam dunkle Sturmwolken am Horizont auf. Davon unbekümmert lud McBonnington zum Abendessen ein, seine Frau, die Frau von McGerbsholm und der Heeresführer nahmen daran jedoch nicht Teil. Lediglich entferntes Stöhnen war im Speisesaal zu vernehmen, was McGerbsholm jedoch auf Geister zurückführte, die ihre Ruhe nicht finden konnten. Als schließlich wildes Geschrei von jedem deutlich wahrgenommen wurde verließ man den Esstisch und machte sich auf die Suche. Die beiden Ladys waren augenscheinlich in einem Handgemenge verwickelt, welches die Gemüter nur noch mehr anheizte. Nach diversen, belanglosen Schuldzuweisungen ließ man die Nacht über die Burg Einzug gebieten, Schlaf sollten die ambitionieten Lords und Ladys jedoch in dieser schicksalshaften Nacht nur wenig finden.

Noch kurz bevor er zu Bett ginge, suchte McGerbsholm McBonnington in seinen eigenen Gemächern auf. Den Abscheu, den man füreinander empfand bei Seite legend, schlossen die Beiden die Abmachung eine Erbfolge in Kaledon auf keinen Fall zu akzeptieren. Francis würde sich seine Krone nach dem urtümlichen Recht des Stärkeren nehmen müssen, schenken würden ihm die beiden Thanen jedoch rein garnichts. Zurück in seinen Gemächern vernahm McGerbsholm untypische Geräusche vom Dachboden, dem Zimmer von König Duncan. Er weckte seine geliebte Frau, welche hierbleiben und auf sich aufpassen solle, während McGerbsholm mit seinem furchteinflößenden Claymore das Gemäch von König Duncan aufsuchte.. und ihn tot in seinem Bett fand! Die Augen weit aufgerissen und blutunterlaufen, Schaum der sich an den Mundwinkeln gebildet hatte - wurde er vergiftet, oder gar erstickt? Und seine Krone wurde ebenso gestohlen! Im Augenwinkel sah McGerbsholm dann plötzlich, wie ein Korb am Turm herunter flog - und gleichzeitig, wie sich das eigentliche, karge kaledonische Hochland um die Burg herum in einen nebligen Wald verwandelt hatte.

Das lenkte McGerbsholm wahrscheinlich so sehr ab, dass er die Leiter zum Dachstuhl, die direkt im Raum stand, nicht bemerkte, genau so wenig wie diejenigen die nach ihm kamen. Sofort schlug er Alarm, riefend dass der König ermordet und die Krone gestohlen wurde - da standen McBonnington und Heeresführer Ammonné im Raum, so wie Königssohn Francis. Sofort forderte McBonnington McGerbsholm dazu auf, den Mord zuzugeben und sich zu ergeben, da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er muss den König umgebracht haben und versucht es ihm in die Schuhe zu schieben, damit er der neue König werden kann! McBonnington hatte das von Anfang an geplant! Siegessicher zog Amonné schon sein Schwert, da schwang der grobe McGerbsholm seinen Claymore in die Seite des Heeresführers und verpasste ihm einen so heftigen Schlag, dass dieser die Waffe fallen ließ und auf die Knie gezwungen worden war. McGerbsholm forderte McBonnington zum Duell, was dieser jedoch ablehnte! Die Chance nutzend, lief McGerbsholm aus dem Raum, seine Frau schnappend und zu den Stallungen rennend. Er würde nach draußen gehen und seine Truppen informieren, von der Hinterhältigkeit McBonningtons und den feigen Mord am König, um die Krone Kaledons für sich selbst zu erringen.. Immerhin war dies seiner Meinung nach das Beste für das Land.

Ein Bild des Grauens bot sich den Beiden Flüchtenden jedoch, denn die meisten der Pferde waren tot, ihre Haut abgerissen und das Fleisch und die Innerein willkürlich um sie herum verteilt. Diejenigen, die überlebt hatten, zerfleischten sich mit schäumenden Mündern gegenseitig um sich endgültig den Rest zu geben! Das Herz rutschte McGerbsholm in die Hose - was bei allen heidnischen Göttern ging hier vor sich? Mit seiner Frau eilte er zu einem Wachposten auf der Mauer und rief ihm zu, doch dieser antwortete nicht. Sein Körper war komplett erstarrt, wie der Rest der Wachsoldaten; sie zerfielen im Winde, vor seinen Augen und denen seiner Frau. Zuerst setzte ein Schock in ihm ein, der ihn einige Sekunden erstarren ließ - dann klopfte der Wahnsinn an den Verstand des Thanen und schaltete mit seiner allumfassenden Umarmung das logische Denkvermögen aus. Seine Sicht verzerrte sich um ihn herum, bis er nur noch seine niedrigsten Instinkte, den eigenen Atem und das rasende Herz wahrnahm, welches drohte aus seiner Brust zu springen.

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So stand McGerbsholm im Torhaus und zog mit aller Kraft - denn Hunderte von Soldaten, mit dem McGerbsholmer Banner, standen vor dem Tor! Sie hatten wohl den Hilferuf des Thanen gehört, Freudentränen weinend machte er ihnen den Weg frei um diese Burg einzunehmen. McBonnington muss ein Hexer sein; anders konnte er sich das nicht erklären. Als er sich jedoch vor den einmarschierenden Truppen stellte und ihnen Befehle entgegenbrüllte, schienen sie nicht zu hören. Zielstrebig marschierten sie einfach an ihm vorbei, McGerbsholm fand sich umzingelt von seinen eigenen Truppen wieder. Aber stellen Truppen sich in einem Kreis, mitten in der Burg auf um einen Gesang anzustimmen in Zungen, die ein menschlicher Mund nicht aussprechen kann? Waren sie auch halbnackt, besaßen eine leichenblasse Haut übersät mit Runen und hatten sie eiskalte, hellblaue Augen im Kopf? Langsam und zu spät erkannte Thane McGerbsholm, dass er in seinem Wahn in Wahrheit befremdlichen Druiden den Weg frei gemacht hatte. Und wo war seine liebreizende Frau?

Noch während er darüber nachdachte, wie er lebend aus dieser Mausefalle entrinnen konnte, schreckte ihn ein periodisches Rütteln der Erde auf. Es wurde lauter, kam immer näher und schien von dem Gesang der allwissenden Druiden angelockt zu werden. Eine uralte Macht wurde angerufen, verärgert von dem Einzug der deynistischen Göttlichkeit in den kaledonischen Wäldern und dem Frevel der Erbmonarchie. Dies war der letzte Auftakt des von Skrettjah geleiteten Heidentums welches Kaledon seit Urzeiten regierte, der furchtbare Avater von Xul-Heylph, der Weidenmann, brach durch die Mauern der Burg und stand mit seinem riesigen, brennenden Leib im Hof. Verkohlte Arme ragten aus seiner hölzernen Brust und seine feurigen Augen starrten direkt in die Seele von Thane McGerbsholm, doch nicht feindselig - sondern abwartend. Doch der Thane wusste nichts von dieser schon vergessenen Tradition und erkannte die wahre Bedeutung des Weidenmannes nicht, so rannte er feige davon und versuchte in den Burgfried zu flüchten! McGerbsholm hämmerte an die Türe, schreiend bat er um Einlass und warnte vor dem Verderbnis das über die Burg fällt. Sämtliche Ambitionen, Kaledon zu regieren, verwarf McGerbsholm für die Chance diesen Abend zu überleben.. doch er wurde nicht reingelassen! McBonnington und Heeresführer Ammoné sperrten ihn aus, soll es ihn doch als Erstes fressen!

Doch plötzlich brachen Kampfgeräusche innerhalb des Burgfriedes aus, und niemand lehnte sich mehr gegen die Tür. Es war schließlich Königssohn Francis, der die Tür entriegelte und McGerbsholm das Leben "rettete". Ein Bild des absoluten Chaos bot sich dem Thanen. McBonnington wankte im Raum umher, offensichtlich erblindet und qualvoll schreiend, seine Frau lag blutüberströmt mit einem geborenen Kind im Arm in der Ecke des Raumes.. und Heeresführer Ammonè rammte sein Schwert in die Brust von Lady McGerbsholm! Die letzten Stützpfeiler McGerbholm's geistiger Sabilität fielen mit seiner verstorbenen Frau. Die Verzweiflung und Trauer ließ ihn sein Claymore ziehen und den Heeresführer mit einem Hieb sofort niederstrecken, doch es hatte keinen Sinn und Zweck mehr. Weinend umarmte er den kalten Körper seiner Frau.. doch warum war sie bereits kalt? Er schaute in ihr Gesicht und erkannte, wie es langsam alt, faltig und von Warzen überzogen wurde.. ihr ganzer Körper schrumpfte zu der Gestalt einer alten, buckeligen Hexe. Ein Moment geistiger Klarheit ließ ihn bewusst werden, dass seine eigene Treuherzigkeit ihn hat erblinden lassen und seinen Untergang bedeutet.

Ein riesiger, ohrenbetäubender Knall ertönte und Staub und Trümmer flogen durch die Luft, bevor die Überlebenden erkannten, dass der Weidenmann ihnen das Dach vom Kopf gerissen hatte und nun erneut, abwartend, in ihre Seelen starrte. Der einzige, der von dem Schock nicht wie gelähmt war, war Königssohn Francis - denn er brüllte urplötzlich, dass er der König von Kaledon sei! McGerbsholm wurde zu spät gewahr, dass der Weidenmann alleine den König von Kaledon krönen würde, durch das Recht des Stärkeren. So beugte McGerbsholm sein Haupt vor Francis und schwor ihm, ihm treu als Thanen zu dienen, insofern er ihn leben lässt und den verräterischen McBonnington vernichtet! Der Weidenmann deutete mit einer Hand auf den knieenden Feigling.. und Francis hob den Daumen mit besten Intentionen. Doch der Weidenmann kannte entweder kein Erbarmen mit dem Geflüchteten oder missverstand die Geste, denn seine hölzerne Hand umfasste den Thanen. Der brennende Käfig in seiner Brust sprang auf. McGerbsholm glaubte jetzt fest an den Weidenmann und an seine Gewalt. Dann wurde in einer feurigen Explosion das Fleisch von seinen Knochen gesprengt.

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Ich erwachte zeitgleich mit den anderen an Bord der O.S. Marina, inmitten einer ruhigen See. Uns allen wurde bewusst, dass wir das gleiche "geträumt" hatten und jeder eine andere Person darstellte - außer Salvyro. Keiner hatte Lady McGerbsholm geträumt! Besonders unangenehm war es, dass ich und Prior Bonnington wohl erbitterte Erzfeinde waren, und das obwohl ich ihm schon seit über dreißig Jahren treu gedient habe. Wir segelten zurück und versuchten zu ergründen, was geschehen war. Klar ist, dass der Traum nicht nach dem Tod von McGerbsholm endete. Nachdem der Weidenmann McGerbsholm in seinem Käfig einschloss, erkannte wohl auch McBonnington was es benötigt, um König zu werden und erschlug den kampfunerfahrenen Francis mit seinem Schwert. Doch realisiert er zu spät, dass seine eigene Frau, Lady McBonnington, hinter dem Mord am König steckte und das Kind in Wahrheit das von Heeresführer Amonné war, nicht das von ihm! Amonné plottete mit Lady McBonnington, alle zu ermorden und gemeinsam die Krone an sich zu reißen. Wissend, das McBonnington sie gleich töten würde, setzte sie die gestohlene Krone auf das Haupt ihres Kindes und schrie, dass es die Königin von Kaledon sei! McBonningtons Klinge raste in die Richtung des Kindes, doch warf sich ihre Mutter schützend vor das Kind und nahm so den Stich auf sich. Der Weidenmann ergriff McBonnington und ihn ereilte das gleiche, ironische Schicksal wie das seines Erzrivalen. Sie hatten am Ende doch wohl mehr gemeinsam, als sie sich hätten vorstellen können. Lady McBonnington verstarb in der Nacht an ihren schweren Blutungen.. und der Weidenmann verließ die Burg mitsamt den Druiden, jeglicher Zauber ward erloschen.

Recherche brachte zu Tage, dass Truppen der Thanen und des Königs am nächsten Tag die Burg Ochsenbach völlig verwüstet vorfanden. Sie fanden bis dato unerklärbare riesige Fußabdrücke im Hof, das Tor wurde komplett eingerissen sowie das Dach des Burgfriedes abgerissen, man fand es mehrere Kilometer von der Burg in einem Feld. Es wurden lediglich die zerfleischten Pferde und die Leichname des Königs Duncan, seines Sohnes Francis, des Heeresführer's Amonné, einer seltsamen alten Frau und der von Lady McBonnington gefunden. McBonnington, McGerbsholm und Lady McGerbsholm gelten noch bis Heute als spurlos verschwunden. Lediglich die Tochter von Lady McBonnington und Heeresführer Amonné hatte diese Nacht überlebt, ihr Name war in Form von verbrannter Erde in riesigen Buchstaben im Hofinneren angeschrieben - Elsbeth. Dieses Kind würde schließlich die Begründerin des Vereinigten Königreich Großalbion werden und damit über Éireann, Kaledon und Weidtland herrschen.

Ihr Herrschaftsanspruch ist also der des Weidenmannes, denn er hat sie als Königin von Kaledon akzeptiert. Wusste der Weidenmann von der Größe, die dieses Kind eines Tages erreichen wird? Und wenn ja, weswegen waren wir Teil davon? Diese alte Hexe, welche sich als Lady McGerbsholm ausgab, wusste höchstwahrscheinlich um unseren Platz im Götterplan. Wollte sie uns damit zeigen, dass in der modernen Welt nicht Deyn Cador allein über die Herrschaft bestimmt und auch Skrettjah Königreiche unterstützt? Oder hat der Weidenmann damit seinen Untergang besiegelt, sollte jemals die wahre, unheilige Krönung von Elsbeth an die Wahrheit kommen, sodass Truppen Deyn Cadors in das Land einfallen und es von jeglichem teuflischen Einfluss befreien werden? Sicherlich werde ich mich dem Schicksal beugen, denn ich habe die Wahrheiit in meinen Memoiren verfasst und ihr, werter Leser, wisst sie nun und entscheidet alleine, was ihr damit anfangen werdet. Hört jetzt aber nicht auf zu lesen, sondern lest auch die folgenden Kapitel bis zum Schluss zu Ende, bevor ihr eine Entscheidung trefft wie mit meinen Memoiren zu verfahren ist.

Das Großkönigreich Albion erhält sich durch das Recht des Stärkeren und der Gunst Skrettjah's. Wie viele Jahre mag es wohl überdauern?
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#13
Vorwort - Paladin Franziskus Maximilian Gerber, Solaner Orden Neu-Corethon

Meine Geschichte kann nicht vollständig erzählt werden, wenn ich das nach normalem Maßstab geltende "Unglaubliche" auslasse, lediglich um mich glaubwürdiger wirken zu lassen. Die wahre Natur der Magie, der Götter, und unsere Bestimmung - die Antworten auf diese Fragen werdet ihr erst verstehen können, wenn ihr gedanklich all die geistigen Martern erlebt, die ich viele Jahre über ertragen musste. Viele werden an der Wahrheit zerbrechen, wie ein dünner Ast der von einem wütenden Sturm hinweggefegt wird, aber vergesst nicht dass es das wert sein wird. Es reicht eine einzige Person, die am richtigen Ort die richtige Entscheidung trifft um Frieden und Eintracht auf Athalon zu bringen - dies ist meine Wegweisung und gut gemeinte Warnung an dich, Unbekannter. Ich werde dafür sorgen, dass du meine Hamartia nicht wiederholst.
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Teufelsgeschäfte - Wolfsmond 1346

Die Ereignisse rund um den Anfang meines Endes begannen kurios. Wir Ordensritter waren in einer anderen Ebene, durchschritten das Maul eines Dämonentores auf der Suche nach einem heiligen Artefakt, doch wie und warum wir dies taten werde ich erst in meinem nächsten Eintrag genauer erläutern. Es ist nur wichtig zu wissen, was wir in eben eines dieser Tore fanden, seit unbestimmter Zeit eingesperrt in einem metallenen Grab des alten Al'Mashriq. Eine hagere Gestalt, mit dunkler und faltiger Haut die von Altersflecken übersät war, einem kahlen Schädel und Augen die tief in den Höhlen lagen. Mehrere Ketten trug er an seinem dürren Hals und an seinen Fingern hatte er jeweils zwei Ringe. Sein Körper wirkte wie wiedererweckt, als er sich erhob, und wir waren voller Angst und Schrecken erfüllt. Er sprach zu uns in einer altertümlichen Sprache, die wir nicht verstanden, doch schnell wechselte er diese und bedankte sich bei uns, das wir ihn befreit hätten. Vor einiger Zeit hätten ihn Dorfbewohner hier hinein verschleppt und in das Grab gestoßen, irgendwo im Kalifat Al'Bastra - da Zeit und Raum durch diese Dämonentore extrem gestört waren, war dies durchaus plausibel. Für seine Rettung würde er sich gerne bei uns im Orden revanchieren, da er behauptete ein Gelehrter zu sein der vieles wisse. Da keiner sofort schädliche Magie an ihm vernahm, luden wir ihn zu uns in die Priorei ein.

Der alte Esh'Ajen stellte sich als Skarabäus Shukran vor, ein weiser Gelehrter der wohl auch schon als Berater des Sultan diente. Doch ein Freigeist wie er sei stets auf der Reise um sein Wissen zu erweitern, weswegen er nicht lange am selben Ort verweile. Sein enormes Wissen über Okkultes, Übernatürliches und Schwarzmagisches mag uns vielleicht Bedenken gegeben haben, doch konnte er uns viel über jene ominöse Tore sagen und wie man diese Abscheulichkeiten Latheyars am Effektivsten bekämpfen könne. Selten hatten wir einen Gast von solchem Wert, weswegen wir ihm unsere Gastfreundschaft angeboten haben. Rückblickend wirkt es auf mich stark beeindruckend, wie er seine wahre magische Natur so selbstverständlich sogar auf heiligem Boden verstecken konnte und nicht auch nur einen Muskel in seinem faltigen Gesicht verzog, sobald er sich aus gesegnetem Boden bewegte. All die Jahre der Magienutzung haben ihn wohl zu einer Art metamythischen Gestaltwandler werden lassen, erstaunlich wie er dabei augenscheinlich nicht der Korruption Skrettjah's verkommen ist sondern bis zum Schluss seinen eigenen Willen behalten und seine eigenen Ziele verfolgen konnte. Ich erkenne auch Heute noch seine unvergleichlichen Fähigkeiten an, von all jenen Strapazen die ich erleiden musste, lernte ich von dieser wohl am Allermeisten. 

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Selbstverständlich hatte die Ankunft des alten Esh'Ajen mehr zu bedeuten als das er den Mentor für die ignoranten Solaner Ordensritter spielte. Seine außerordentlichen Künste bot er auch unter den Bürgern Neu-Corethons feil, vor allem schienen sie auf eine ganz besondere Art der Seelsorge anzusprechen - der sogenannten Äußerung der Galle. Mit seinem einnehmenden Wesen fuhr er aus, dass alles Bösartige eines Menschen, der Katalysator, mit denen Skrettjah uns auf den Holzweg führe, in der Galle abgelagert oder sogar diese Galle selbst sei. Durch die göttliche Kraft des Herren, sei es ihm möglich, diese Galle aus dem Menschen zu ziehen und damit jegliches Böse aus Ihnen zu treiben. Kein Stress, keine Trauer, keine Wut und kein Hass würden auf den eigenen Schultern mehr lasten. Ein Leben ohne Sünde und Reue, ohne Buße und Vergebung - das ist es doch, wonach wir alle streben und jeder gutherzige Priester predigt. Immer mehr Seelen wanderten wie geläutert durch die Straßen, leicht wie eine Feder und von dem Wunder berichtend, dass ihnen wiederfahren sei. Es dauerte nicht lange bis auch wir darauf aufmerksam wurden. Alleine schon die Behauptung, durch die göttliche Macht des Herren sämtliche Sünden von einem nehmen zu können trieb mich damals zur Weißglut, so suchte ich Shukran auf und stellte ihn mit gezogenem Anderthalbhänder zur Rede.

Allerdings konnte er durch geschickte Redekunst, schlagkräftige Argumente und einem Beweis, dass keinerlei schädliche Magie dabei praktiziert wird eben doch beweisen, dass es hier mit rechten Dingen zugehen muss. Dennoch blieb ich stur, wie könne solch ein Mann es wagen, den Bürgern weiß machen zu wollen dass er die Macht des Herren kanalisieren könne? Laut meinem Dickschädel musste er also ein Betrüger sein, weswegen ich ihn herausforderte, solch eine Séance an mir durchzuführen um meinen Glauben vor solch Scharlatanen zu schützen. So saßen wir uns im grünen Gras, im Schneidersitz, gegenüber, eine altertümliche, dunkel glänzende Kristallkugel in den Händen haltend mit einer sich spiegelnden Oberfläche. Nach einigen Minuten der Stille lokalisierte er besagte Galle und sprach darüber, wie sie in mir wucherte wie ein großes Geschwür, triefend vor Hass und Brutalität. Doch er könne dieses Geschwür entfernen und mir dadurch meine geistige Ausgeglichenheit und mein Mitgefühl wiederbringen, welche der schwelende Tumor so lange unterdrückt hätte. Etwas schien in der Kugel zu wabern, ein tiefer Stich drang in das Innerste meines Herzes vor, für einen kurzen Augenblick stockte mein Atem und ich drohte zu ersticken - doch dann war ich endlich erlöst von meinen niederen Instinkten.

Ich fühlte wie die gesamte Last von Athalon, die auf meinen Schultern ruhte langsam gehoben wurde, so als ob ich all die Jahre in einem tiefen, dunklen Gang geirrt wäre, doch nun sähe ich das erste Mal das rettende Tageslicht. So wie ich mich einst fühlte, als ich den Ätheriumkristall Decrapia's mit meinem Celestiumschwert zerschlug und im gleißenden Licht des Heiligen Renbold gebadet war, im falschen Glauben, ich hätte meinen Soll endlich erfüllt und wäre frei von meinem irdischen Dasein. Der unerbittliche Rächer des Glaubens war nicht mehr, er wurde wieder zu einem gutmütigen, naiven Anbeter der Sonne, so wie vor all diesen Prüfungen, bevor ihm bewusst wurde was für ein Schicksal ihn erwarten wird. All die Stimmen, die mich in meinem Kopf leiteten - die eigene, die meiner Mutter, die der Heiligen Zwölf - sie alle verstummten, als das Böse langsam aus meinem Herzen wich und sanft über die Arme, gipfelnd in den Fingerspitzen in diese Kristallkugel floss. War dies die wahre Liebe, wie ich sie brennend für die majestätische Sonne und alles Gute in der Welt empfand, die mich umhüllte und ihre vollkommene Form erst bewusst werden ließ?

Zumindest eine ganze Woche lang hielt dieses beständige Gefühl der Vollkommen- und Unbeschwertheit an. Durch meine Teilnahme an der Séance ließen sich tatsächlich auch viele Bürger dazu überreden, auch aus meinem eigenen Orden konnte ich einige davon überzeugen die gleiche Prozedur über sich ergehen zu lassen - doch stets auf freiwilliger Basis, niemand wurde dazu gezwungen, sich die Galle aus dem Leib entfernen zu lassen. Die Skepsis einiger Bürger ging sogar soweit, dass sie einen erfolglosen Anschlag auf Skarabäus Shukran in Marmoria, dem nördlichen Handwerksaußenposten Neu-Corethons, verübt hatten. Narren waren sie aber, wussten sie noch nicht um die wahre Natur von Shukran und dass er genügend magische Mittel besaß, um solche dilletantischen Attentate mühelos zu vereiteln. Die Euphorie des Anfangs verschwand in den bekehrten Seelen langsam wieder. Nicht nur die leitenden Stimmen in meinem Kopf waren erloschen, auch mein Bezug zum Herren und meine Leidenschaft zum Glauben fing langsam an zu verblassen. Allgemein bemerkte ich, wie ich dieser zu schnell wandelnden, von fremden Mächten gelenkten Welt langsam überdrüssig wurde.. oder wurde sie von mir überdrüssig?

Doch noch schlimmer traf es diejenigen, die die Seancé als Erste über sich ergehen ließen. Langsam wich ihnen die Farbe aus der Haut, bis sie nicht nur enorm blass wurden, sondern auch langsam transparent - von ihrem geistigen Zustand ganz zu schweigen, denn sie verloren jegliche Anteilnahme an allem was rund um sie herum passiert, als ob sie sich selbst aufgegeben hätten und nur noch auf den eigenen Tod warteten. Ich war auf dem selben Weg dorthin zu gelangen, doch spürte ich eines Tages plötzlich das erneute Stechen in meinem Herzen - und sofort kam all die Leidenschaft, das Pflicht- und Schuldgefühl und mein schweres Schicksal zurück, drang tief in mich ein und ließ mich daran erinnern, dass das Schicksal unausweichlich ist. Einige Bürger waren tatsächlich in das Zelt von Shukran eingedrungen und hatten die schwarze Kristallkugel entdeckt und zerstört, in der meine sogenannte "Galle" gespeichert war. Erwacht aus der Ekstase wurde mir bewusst, dass der alte Esh'Ajen ein Lügner war und finstere Pläne verfolgen muss.. doch was war es, dass er den Menschen wirklich nahm, dass sie plötzlich verblassten und drohten aus der Welt zu entfleuchen?

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Wir Unbeeinflussten besprachen die aktuelle Lage in unserer Heilstube auf dem Prioreisberg, rätselten über die Motive des alten Esh'Ajen und wie wir die Bürger vor der drohenden Verblassung retten könnten. Wir einigten uns darauf, in der Nähe seines Zeltes neben den alten magischen Ruinen aufzulauern, ihn zu umzingeln und endgültig das Handwerk zu legen. Ich kehrte in meine Priorei ein, doch natürlich wusste Shukran schon lange von meiner geistigen Wiederherstellung und dass er mich nun zum erbitterten Feind haben würde. Es war Waffenbruder Leibecht, der plötzlich aufschrie und panisch in das Prioreisgebäude flüchtete, die Türe hinter sich in die Angeln werfend, doch eine metallene Faust ließ sie aus besagten fliegen. Im Türrahmen stand niemand anderes als der Sünder Zelissra's und ehemaliger Freund, der vergoldete Vincent Viscount! Herausfordernd hob er sein glänzendes Kinn, deutete anschuldigend mit dem Zeigefinger auf mich, behauptend, dass unsere Fehde auch nach dem Tode noch bestehe und beendet werden müsse. Der Schock saß mir tief in den Knochen, ich hob den Schild als seine Faust auf mich eindreschte, doch ich verlor die Balance und schlitterte einige Meter zurück bevor ich meine Standfestigkeit wiedergewann. Wie beim Herren soll man eine lebendig gewordene Goldstatue bezwingen?

Unaufhaltbar marschierte er weiterhin auf mich zu, jegliche Klinge würde an ihm nur krachend abprallen. So sah ich keinen anderen Weg, als den Goldmann durch Provokation auf mich zu lenken und als er sich auf mich warf, mich mit ihm durch das Fenster zu schmeißen, die Klippe am Prioreisberg hinab, auf dass die Wellen ihn verschlucken. Dabei hatte ich sehr viel Glück, denn ich konnte mich noch mit einer Hand an der rettenden Fußbodenkante festhalten und nicht in meinen sicheren Tod stürzen. Doch Vincent knallte wie eine Kanonenkugel im Sand auf, sein metallener Körper deformiert von dem Aufprall. Er hob sein von Dellen übersätes Antlitz nocheinmal zu mir hoch, wie ich da am Abgrund hing, und prophezeite mir eine letzte Abrechnung, die er sicher nicht verlieren würde. Dann hievte er sich, mechanisch und ungelenk, aus dem Krater bevor der deformierte Mann aus Gold in das Meer marschierte und in den Wellen verschwand. Shukran hatte mich in meinem geläuterten Zustand zu dieser Goldstatue ausgefragt, doch er wagte es gar diese wieder zum Leben zu erwecken und gegen mich zu verwenden. Für dieses denkwürdigen Anschlag würde er schon bald bitterlich büßen müssen.

Wir waren tatsächlich naiv genug, zu glauben, wir könnten ihm einfach bei seinem Zelt draußen im Felde auflauern ohne seine Aufmerksamkeit zu erregen und ihn mit vorgehaltener Klinge dazu bringen seine Verbrechen zu gestehen oder gar rückgängig zu machen. Man müsste ja glauben, nach all den Jahren hätte mein Sturkopf dazugelernt, doch meine Starrheit wurde immer schon unterschätzt. Andererseits ist das wohl auch der Grund, weswegen ausgerechnet ich für all diese Prüfungen auserkoren wurde. Shukran hatte durch einen Schutzzauber schon den ersten Einbruch bemerkt und wusste, dass es lediglich eine Frage der Zeit war bis wir uns rächen würden. Tatsächlich stand er bereits da, mit einem dreist gelangweiligten, faltigem Gesichtsausdruck wie eh und je. Unbeeindruckt gratulierte er uns das wir ihm wohl endlich auf die Schliche gekommen wären, aber unsere Bemühungen waren bereits mehr als zu spät - er hätte bereits alles, was er wolle, und daher keine Verwendung mehr für uns. Seine Arme schnellten rasend ausgestreckt zur Seite, gefolgt von einem uralten unaussprechlichen Ritualspruch in einer mir unbekannten Sprache, dann tat sich unter unseren Füßen das Tor zur Hölle auf.

Als ich zu Boden blickte sah ich endlos weite purpurfarbene Ströme, die sich in einem dunkelvioletten Himmel der sich in alle Richtungen ausstreckte energetisch wanden, wie riesige Seidenschleier die einem unsichtbaren Wind hilflos ausgesetzt waren. Am ganzen Körper zerrte mich eine Kraft in Richtung dieses dimensionalen Risses und noch bevor ich auch nur um mein Leben oder das meiner Kameraden fürchten konnte, fanden wir uns auf einem schwebenden, pechschwarzen Felsen inmitten dieser unendlichen Weiten wieder. Zu mir kommend, mich auf meine Beine hievend und um mich schauend, überkam mich ein Gefühl der seltsamen Vertrautheit. All diese wirbelnden Stürme an unfassbarer magischer Energie die an uns vorbeipeitschten, ich spürte sie an diesem Tage nicht das Erste Mal. Das Monstrum, welches Alexander von Zahern in seinen selbst erschaffenen Dimensionsriss zog; die Wucht der Explosion, als ich mit meinem Celestiumschwert in den Ätheriumkristall Decrapias preschte und die Reise die folgte; mein Weg zu den Hallen des gleißenden Lichts, die die Haut von meinem Körper schwarz wie Kohle werden und diese Rüstung mit meinem Fleisch eins werden ließ. Ich kannte diesen Ort.

Skarabäus Shukran, der Meistermagier, teleportierte uns in den Äther, der Athalon umgibt und gleichzeitig eine spirituelle und magische Ebene ist, die die unsere Welt mit der des Herren, Skrettjahs, und allen anderen großen magischen Wesen, wie Elementaren, verbindet. Der Äther ist nichts greifbares, nichts festes, und der gewöhnliche Mann kann diesen nicht erreichen. Nur die Gunst der Götter oder eigener, großer magischer Aufwand ermöglichen die Reise in und durch den Äther. Er ist die Straße zu allem Übernatürlichen, allem Göttliche aber auch allem Abscheulich Bösen das auf Athalon existiert, denn Magie, Elementare und Götter sind auf Athalon nicht heimisch. Hierdurch wandert die Seele nach ihrem Tod zum Herren oder zum Mannsweib, und von hier aus kommt sie auch wieder auf Athalon bei der Geburt. Unser Fleisch und Blut ist nicht heimisch in dieser Ebene noch fühlt es sich wohl, so übergaben sich diejenigen, welche diesen gewaltigen Magieströmen noch nicht gewachsen waren. Ein längerer Aufenthalt hätte zweifelsohne unsere Körper dahingerafft und die Seele sogleich von den Windungen der Magie dahinwehen lassen, ich konnte spüren wie mein Fleisch um die Herrschaft meiner Seele kämpfte.

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Inmitten der gewaltigen Leere fanden wir uns auf einem steinernen Podest wieder, welches inmitten des Nichts schwebte. Vor uns, viele Meter entfernt, stand Skarabäus Shukran vor einem gewaltigen Konstrukt aus Sandstein mit vier gleichlangen Kanten, welche oben spitz zusammenliefen. Es war die Pyramide des Al-Hezan, des Meisters der Höchsten In­kan­ta­ti­on, des Herrschers der Magie und des Verbotenen Wissens. Beschützend rotierte eine ebenfalls aus Sandstein gehauene, kolossale Katze um jene herum, mit leuchtenden Augen die kommende Verderbnis ankündigten. Seine dommernde Stimme verhöhnte uns, denn in seinen tausenden von Jahren der Wissenssuche hätte er nun genug Seelen angesammelt um sein Lebenswerk zu vollenden: Er nütze ihre Kraft, um diese Pyramide auf Athalon zu bringen und mit der göttlichen Kraft des Sôlerben-Schreines auf Neu-Corethon die Konstellation der Sterne zu verändern um so etwas hervorzurufen, das ihm unendliche Macht schenken würde - denn er könne keine weiteren 1300 Jahre mehr Warten.. dann war er samt den Konstrukten in einem riesigen Knall verschwunden, und wir erneut ziellos durch den Äther geschleudert.

Für unzählige Male, mit krachendem Donnern und flackernden irritierenden Lichtern, sahen wir wie sich um uns herum Portale zurück auf unseren Heimatplaneten öffneten und in wenigen Augenblicken wieder schlossen, wie eine neue Hoffnung auf Erlösung die sofort wieder zerschmettert wurde. Ob es Zufall, böse Absicht oder göttliche Fügung war ist mir schleierhaft, doch um uns herum führten viele gefährliche, schwebende Steintrümmer zu offensichtlichen Kerkerzellen, in denen wir Erscheinungsbilder all unserer bekehrten Kameraden und Mitbürger fanden. Der Weg zu ihnen hin führte über rutschige, unsichere Felsen, und ein Fehltritt mit freiem Fall in den Äther wäre wohl eines der schlimmsten und ungewissendsten Schicksale, die ein Mensch nur jemals erleiden könnte. Doch glücklicherweise musste niemand herausfinden was in der Unendlichkeit lauert, denn wir konnten jene Zellen aufbrechen und herausfinden, wer oder was diese Trugbilder waren: Es waren tatsächlich die Seelen der Bürger! Skarabäus Shukran hatte nicht die "Galle" der Menschen entfernt, welches ihnen Glückseligkeit brachte - sondern ihre Seele und damit die Verbindung zu allem Göttlichen und Magischen selbst. Doch warum waren wir alle so erleichtert, als sich die Seele von unseren Körpern trennte? Und weswegen drohten jene Körper zu verblassen? War das auch das Werk von Shukran oder nur die Folge von dem, was er tat?

Mit keinem anderen, offensichtlichen Ausweg aus dieser fragilen Zwischenwelt in der wir uns befanden, entschloss sich die Gruppe notgedrungener Maße mit Hilfe der Kräfte der Magier eines jener Dimensionsportale offen zu halten, sodass ein jeder dadurch den Weg zurückfinden könne. Mit einem roten Angelhaken, gebunden an eine Schnur welche das Schicksal wohl mir mitgab, holte ich aus und schaffte es, ein geeignetes Portal das zufällig nach Neu-Corethon führen würde mit der Angel heranzuholen und gemeinsam mit den Magiern solange offen zu halten, bis alle durch gesprungen waren. Einen waghalsigen Sprung später schloss sich das Portal als ich hindurch fiel. Mein Körper verzerrte und drehte sich, überall waren flackernde, grässliche Lichter und entstellte, laute mechanische Töne als ich durch die Wirren des Raumes mich mit dem Rest der Gruppe vor den Toren Marmorias, auf dem Boden, wiederfand. Doch als ich in den Nachthimmel starrte, sah ich keine Sterne mehr, sondern nur noch Leuchtstreifen die wie Schüsse einer Muskete quer über den ganzen Horizont rasten. Die Veränderung der Sternenkonstellation durch Skarabäus hatte bereits begonnen!

Der gleißende Lichtstrahl, der von dem Kloster des Heiligen Sôlerben aus dem Norden kam - alle starrten in Unglauben, als diese direkt durch die Pyramide des Al-Hezan, welche darüber schwebte, schoss und mit einer korrupten, violetten Farbe diese wieder verließ und in den Nachthimmel aufstieg und die Vorbereitung für das verfrühte Ende aller Tage einleitete. Unser Orden war mehr als ein einfacher Außenposten der Solaner, wir waren die Eingeweihten, wir hatten die heilige Pflicht die Himmelspforte unter allen Umständen zu schützen - die Treppe in die Gefilde des Herren und damit gleichzeitig sein verwundbarster Punkt. Gebrochenen Herzens sprintete halb Neu-Corethon zu dem Kloster - wir Ordensritter stürmten die Anlage über den Geheimeingang in das Innerste des Tempelkomplexes um das Siegel, welches diesen heiligen Ort eigentlich schützen soll, herunterzufahren und eine weitere Speisung der Pyramide zu verhindern. Alle anderen kampffähigen Bürger stürmten solange die Pyramide, während sie von der fliegenden "Sphinx" und ihren magischen Augen konstant unter Beschuss waren. Der Kampf um das Kloster war in vollem Gange, und noch war kein Sieger in Sicht.

Uns den restlichen Bürgern anschließend konnten auch wir ihnen auf der Pyramidenspitze beistehen, doch unser Gegner hatte seine fleischliche Hülle bereits abgelegt. Sein pechschwarzes Skelett feuerte unentwegt eine schwarzmagische Attacke nach der Anderen auf uns ab, während es klackernd und tonlos über unsere fruchtlosen Versuche lachte. Mehrmals wären mehrere von uns fast an den Kanten des Konstrukts in ihren Tod gestürzt oder wurden von den schwarzmagischen Flammen verbrannt, doch ein lichter Moment meines Schützlings Salvyro Notfink konnte schlussendlich die Lebenskraft des Skeletts rauben und den Zauber endgültig brechen. Endlich war der Strahl erloschen, doch der Schaden war bereits unwiderruflich angerichtet. Ein letztes Mal wand der Skelettkopf seinen Blick gen Himmel, denn die Sterne hörten endlich auf zu rasen und waren wieder in Ruhe - da prophezeite er uns, dass es nur noch wenige Jahre sind, bis die Opposition eintreten und sich unser aller Schicksal offenbaren und womöglich auch entscheiden wird. Der uralte Magier aus Al'Mashriq, der die Unsterblichkeit erlangt hatte und hinter den Schleier der Göttlichkeit geblickt hat, hatte sein Ziel erreicht. Das Wackeln und rumoren der Pyramide, als er schlussendlich zu Staub zerfiel, ließ uns schnell wieder Boden unter den Füßen suchen - und so verschwand das Konstrukt samt der Sphinx wieder vom Nachthimmel.
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Skarabäus Shukran hat es geschafft, durch Magie die Seele vom Körper zu trennen und mit ihrer Macht einen uralten Zauber durchzuführen. Doch wie hängen unsere Seelen mit der Magienutzung zusammen? Wieso kann unser Körper viele Wochen lang ohne Seele herumlaufen, und wieso verblasst er dann langsam in den Äther? Wie konnte er es schaffen, tatsächlich mit Konstrukten eines Erzdämons die Konstellationen der Sterne so schlagartig zu verändern, wofür normalerweise 1300 Jahre nötig gewesen wären? Und vor allem, was erhoffte er sich, sollte die Opposition der Sterne dann tatsächlich eintreten? Wollte er wirklich unendliche Macht, oder steckte nicht doch ein anderer Grund dahinter? Musste dies vielleicht geschehen, aus Gründen, die der Mensch nicht nachvollziehen kann? Es ist unabdingbar, dass wir uns diese Fragen stellen, auch wenn es schmerzhaft bis hin zu vernichtend ist, Antworten auf jene zu finden. Nur standhaft bleiben, meine Kameraden. Ich werde euch die Wahrheit zeigen.
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#14
(( Pushnachricht: Der verschollene "Folgen einer Alchemistin" - Tagebucheintrag wurde remastered und kann hier gefunden werden. Viel Spaß beim Lesen! ))
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#15
*Ordensritter Habinger war gerade damit fertig geworden, das Nordtor gemeinsam mit Waffenbruder Leibecht und der Stadtwache Neu-Corethon zu barrikadieren. Hier stehen die Beiden nun und halten die Stellung gegen die lebenden Toten. Doch in jeder Pause die er bekommt, kann er nicht anders als die Memoiren von Franz weiter zu transkribieren. Offensichtlich will ihm sein verstorbener Ordensbruder etwas wichtiges mitteilen, er darf ihn nicht im Stich lassen!*

Vorwort - Paladin Franziskus Maximilian Gerber, Solaner Orden Neu-Corethon

Nach all den fürchterlichen Erfahrungen, die mich und auch meine Ordensbrüder in den letzten 9 Prüfungen gezeichnet haben, mag die folgende zeitlich früher angefangen haben als die vorherige. Dies ist der chaotischen Natur des Erzdämonen geschuldet, der ganz Neu-Corethon in einen Goldrausch nach heiligen als auch unheiligen Artefakten verfallen ließ. Die Freisetzung des uralten Übels namens Skarabäus Shukran, der im letzten Kapitel thematisiert wurde, fand während dieser Prüfung statt, wurde er aber noch "besiegt" während diese Prüfung noch nicht geschlagen war, weswegen sie chronologisch danach gereiht wurde. Latheyar, der Vielfarbige, richtete seine Aufmerksamkeit auf Neu-Corethon und spielte einen makaberen Streich mit uns Inselbewohnern der wie so oft mit einem Knall endete, doch die Hauptschuld dafür tragen andere, bekannte finstere Mächte.
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Die Dämonentore - Weinmond 1345

Begonnen haben die Ereignisse rund um Latheyar durch eine Entdeckung eines Jägersmannes, der im Lichtenwald in einer Blockhütte sein Eremitendarsein fristete. Jede Woche schob er seinen Karren, gefüllt mit von Pelz, Knochen, Tierfett und Fleischwaren, den Prioreisberg hoch um uns seine erjagten Waren feil zu bieten. Eines Tages jedoch berichtete er von einer fürchterlichen Entdeckung, die er in den Himmelsgipfeln gemacht habe. Hinter dem Siegelkloster Sôlerbens, an einer Klippe im Meer in Richtung der Pirateninsel des verstorbenen Schwarzmagiers Nox Kortem, lockte ihn eine laute, kratzige Stimme zu einem gemeißelten Steingesicht. Voller Schrecken musste er jedoch feststellen, dass die Stimme von dem Steingesicht selbst kam! Es erwachte zum Leben und jagte ihn mit Flüchen davon, sogleich türmte er in die Stadt um dem Solaner Orden zu berichten. Selbstverständlich mussten wir aufgrund unserer heiligen Pflicht des Magiebanns diesem Phänomen hinterherjagen, sogleich schnappten wir uns das sorridianische Feuer, ein Geschenk von Prior Hugo Feuerstein aus dem Kloster Melissengespenst in Weidtland, um den Frevel mit eigenen Händen gewalttätig zu beenden.

Als wir schließlich uns an der Felswand, entlang einem gefährlich losen Weg gesäumt mit Holzvorsprüngen, entlanghangelten und das aufsehenerregende Steingesicht vor trafen, schlief es. Es schien sogar zu schnarchen! Sogleich nahmen wir die Spitzhacken in die Hand, welche wir mitgebracht haben, und fingen an laut brüllend auf diese lebendig gewordene Beleidigung Deyns einzuschlagen. Aber das Gesicht fing im Schlaf an zu lachen und vergnügte sich an unseren Bemühungen, denn taten wir nicht mehr als Juckreiz zu stillen. Der Zorn in meinem Bauch stieg mir bis zum Kopf, und so zog ich es an der Nase um es wach zu bekommen - da fing es an zu niesen und schleuderte mich mit voller Wucht, quer über die Brandung, in einen Felsvorsprung hinein! Erwacht brüllte es vor Lachen los, als ich mich ächzend aus dem Krater schleppte der zurückgeblieben war. Sogleich überhäufte uns das sprechende Gesicht mit maritimen Flüchen und sprach von sich selbst als größten Freibeuter, den Leändrien jemals erblickt hatte - und dass wir erst beweisen müssten, dass wir ebenfalls welche wären, bevor er auch nur ein weiteres Wort mit uns sprechen würde, und schlief wieder ein. So eine Frechheit hatten wir selten erlebt.

Da die Maßnahmen der rohen Gewalt erschöpft und der durchschnittliche Solaner damit eigentlich geschlagen war, wurde es Zeit umzudenken, um die magische Gefahr zu bannen. Wir redeten uns ein, dass ein bösartiger Dämon die Seele eines verstorbenen Piraten wohl gefangen halte und wir sie nur befreien konnten, indem wir das Vertrauen der Seele gewinnen - und ihre Spielchen einfach mitspielen. Deyn sei Dank waren zumindest meine Ordensbrüder mit Einfallsreichtum gesegnet, meine hört bei illustren Art und Weisen wie man Leben beendet schon auf, denn kamen sie auf die Idee dass wir uns schminken, verkleiden und Piratenspitznamen geben sollen. Aber um wirklich überzeugen zu können müssten wir mit unserem Ordensschiff, der O.S. Marina, selbst vor dem Steingesicht Anker legen um unsere Tarnung makellos erscheinen zu lassen. Ich hatte wenig übrig für solch aufwendigen Aktionen, ich habe bis zum Schluss dafür gekämpft das Problem mit brutalster Gewalt zu lösen, doch war dies mehr als fehl am Platz. Meine Kameraden sollten schlussendlich doch Recht behalten mit ihrem Vorhaben, eine versuchte Zerstörung des Steingesichtes wäre in einer fatalen Katastrophe geendet.

Unser Vorhaben durchführend konnten wir das Steingesicht tatsächlich "täuschen", er sah uns in unseren Verkleidungen als waschechte Piraten an. Doch das würde noch lange nicht genügen, damit er seinen Schatz mit uns teile, nein - nur wer sein Rätsel löste, war seines Schatzes würdig. "Argentum im Antlitz des Großgehölz. Bringe mir was in dessen Schlunde steckt!", grölte er uns entgegen bevor er wie so oft in einen tiefen Schlummer fiel. Deyn sei Dank waren meine Ordensbrüder mit Grips gesegnet worden, denn entschlüsselten sie das Wort "Argentum" als Altsorridianisch für Silber. Mit "Antlitz" war wohl wortwörtlich das Gesicht gemeint, worauf sogleich der gesichtsförmige Baum in der Nähe der Jägershütte in das Gedächtnis gerufen wurde. Als wir seinen "Schlund" aufschlugen, fanden wir tatsächlich eine modrige Holzkiste im Stamm - mit einem versilberten Katzenauge als beherbergten Schatz. Triumphierend brachten wir dem Steingesicht den silbernen Edelstein, worauf dieser uns jovial lachend als größte Schatzjäger des leändischen Ozeans betitelte. Seine Augen wurden glasig, als die ganze Felswand begann zu rumoren - ganze Felsbrocken sprangen ins Meer, während immer mehr Risse sich wie Falten über das Antlitz der verlorenen Seele legten, bis es wie ein Tor gezweiteilt wurde, sich krachend aufschob - und ein waberndes Dimensionsportal offenbarte.

Jegliches Leben war aus dem Dämonentor, was dieses Steingesicht wirklich war, gewichen und stiftete bei uns für Verwirrung. Was, und vor allem warum ist es gerade passiert? Der allbekannte Solaner Eifer brachte uns dazu, ohne großes Zögern das Portal zu durchschreiten, doch im Gegensatz zu den vielen vorherigen Malen in denen wir diese Abkürzung durch den Raum nahmen war diese sehr schnell vorüber, so als würde man einen Vorhang durchschreiten der sich an die Haut schmiegt und willig bei Seite schiebt. Wir wurden mit dem Anblick eines düsteren, schlauchförmigen Höhlenraum begrüßt der von stehendem Wasser geflutet und mit einzelnen Steinvorsprüngen im Wasser versehen war. Rar gesät hingen schwach glimmende Überreste von Fackeln an den Wänden, welche für eine zwielichtige Lichtstimmung im Inneren sorgten. Am Ende des langen Schlauches schien eine steinerne, in Dunkelheit gehüllte Erhöhung zu sein, auf die wir uns langsam zubewegten. Stück für Stück hüpften wir von einem Steinvorsprung zum Anderen, doch die Höhle blieb verdächtig still. Lediglich vereinzelte Tropfen, die von den Stalagmiten der Höhlendecke in das Wasser tröpfelten, ließen uns mehrmals aufschrecken.

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Am Ende des Ganges offenbarte sich ein genau so furchterregender, als auch beeindruckender Anblick: Eine Bestie, so hoch wie ein Tannenbaum und so breit wie ein Wachturm lag dort verendet und verrenkt auf dem Rücken. Sie war von schwarzem, nach Pest riechendem Fell überzogen, mit einer wolfsähnlichen Schnauze und einem hirschähnlichen Geweih an den Schläfen und bestückt mit tödlich scharfen Krallen. Doch sie trug große Schnittwunden am Körper, aus denen immer noch seichtes, braunes Blut hervorquoll. Eine rote Blutspur, die von dem Leichnam wegführte, offenbarte einen jüngst verstorbenen Mikaelaner Ordensritter, wie der zerbeulte Rundschild mit dem Motiv eines goldenen Löwen an seinem Arm offenbarte. Der Mikaelaner muss die Bestie vor kurzem heldenhaft im Kampfe erschlagen haben, sein Antlitz kam Amelie bekannt vor, die vor ihrem Eintritt in den Solaner Orden ebenfalls Mikaelanerin war. Was den Anschein eines gefallenen Kameraden hatte, entpuppte sich durch die Notizen des Gefallenen als Avilio de Broussard, der vor langer Zeit verschollene Großvater von Amelie! Doch wieso deutet alles darauf hin, als wäre er erst vor Stunden nach dem Kampf gegen die Fellbestie gefallen?

Das Niedergeschriebene von Avilio erzählte die Geschichte, wie er mit seinen Ordensbrüdern einem Dämonentor den Krieg erklärte. In der Umgebung seines Ordens tauchte ebenfalls eines auf, welches sie mit allen Mitteln zu vernichten versuchten. Laut seiner Erzählung konnten sie durch eine Anrufung des Herren das Tor zerbersten, was ebenfalls ein solches Portal offenbarte. Die Streiter vernahmen eine heilige Präsenz hinter dem Tor welche sie anlockte, doch vorsichtshalber wagte er sich als Erstes hinein. Blutverschmiert schrieb er die letzten Zeilen, in denen er schilderte wie er in diesen Hallen göttlich leuchtende Scherben fand, welche er als Teile eines heiligen Schwertes deutete. Doch da überfiel ihn die an der Decke lungernde Bestie, welche er erlegen konnte. In der Hoffnung, Verstärkung würde kommen, verendete er einsam in der Höhle. Doch der Vorfall muss mindestens 50 Jahre her sein, wie lässt sich das mit dem "kürzlichen" Kampf erklären? Wir betteten den Leichnam von Amelies Großvater zur Ruhe und sprachen ein Gebet für seine Seele, bevor wir uns mit den Schwertscherben aus der Höhle zurückzogen. Das Portal verschwand nicht und sperrte uns nicht ein wie Avilio, sondern ließ uns frei gewähren.

In dem Irrglauben, die Bedrohung damit nachhaltig gebannt zu haben, blieben wir nicht lange. Nicht wenig später berichtete man uns erneut von einem seltsamen Steingesicht, welchem magisches Leben eingehaucht wurde und mit einer lauten Stimme auf sich aufmerksam machte. Wenige Meter jenseits des Flusses, welcher den düsteren Lichtenwald und das schwüle Kaskaden-Dickicht trennte, prangerte auf dem Gebiet der Ureinwohner Neu-Corethons, die Bororo, in der Steinwand an der Spitze eines Hügels ein ähnlich geformtes Dämonentor. Doch dieses schien sich dieses Mal nicht als Freibeuter zu verstehen, sondern als charismatischer Frauenheld. Er würde nur glücklich werden, wenn die schönste Frau Athalons ihm einen Kuss schenken würde, doch da war er beim Solaner Orden fehl am Platz. Empört über die Forderung des magischen Gesichtsgulasches, aber dennoch versessen darauf eventuell weitere Schwertscherben zu finden, heckten auch dieses Mal meine einfallsreichen Brüder und Schwestern einen Plan aus. Selbstverständlich würden wir die Jungfräulichkeit von Amelie und Jule niemals antasten, weswegen kurzerhand Salvyro verkleidet, geschminkt und gepudert wurde.

Der Kuss zwischen ihm und das Steingesicht war wahrlich das romantischste was ich je gesehen hatte, ist meine Meinung aber mit einer Prise Salz zu genießen, habe ich doch nicht einmal Händchen mit dem anderen Geschlecht gehalten noch in diesem Leben vor, das zu tun. Die Tore öffneten sich, doch als wir durch die wabernde Wand traten spürten wir alle, wie die Bodenhaftung unter unseren Lederstiefeln verloren ging und wir einen steinernen Korridor hinabglitten. Ein mechanisches Rumoren und ein lauter, dumpfer Aufschlag kündigten Unheil an - ein riesiger Felsbrocken rollte uns hinterher! Hastig konnten wir, am Ende der Rutschpartie angelangt, um eine Ecke hechten und der Steinigung entgehen, doch dies war erst der Anfang. Wie man an den Sandsteinziegeln, den seltsamen Hieroglyphen und antiken Schätzen erkennen konnte, mussten wir uns in einer unterirdischen Anlage aus dem alten Al'Mashriq befinden. Und Schätze gab es viele, die mit unzähligen tödlichen Fallen wie Pfeile aus einem Wandschlitz, auftuende Löcher im Boden, schließende Räume die sich mit Sand füllen oder der Freilassung von giftigen Schlangen oder Skorpionen beschützt wurden. Irgendwo wurden dann auch sicher heilige Schwertsplitter bewacht..

Nach vielen Stunden in denen wir uns verirrten, verletzten, mehrmals verloren und vor allem viel geklettert und gesprungen sind, kamen wir schlussendlich über eine Leiter in einer von Goldkelchen und Juwelen nur so strotzende Grabkammer an. Inmitten des Raumes thronte ein goldener Sarg, verziert mit Ornamenten und Symbolen eines wohl verstorbenen Adligen dem dieses Grab gewidmet sein soll. Offensichtlich hatte dieser seine Leibgarde in den Tode mitgenommen, denn begraben unter pompös goldenen Weinkelchen und Schatzperlen lagen skelettierte Wächter die alles andere als angetan davon waren, dass wir die Schätze auch nur berührten. Nachdem wir die kurze Pause ihres Todes eigenhändig wieder beendeten, und leider nirgendswo die besagten Splitter fanden, schauten wir eben in dem Sarkophag nach - und fanden, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, lediglich den unsterblichen Schwarzmagier Skarabäus Shukran. Leider sorgte seine Befreiung für einen drohenden Einsturz der gesamten Anlage, weswegen wir nur wenig wertvolles borgen oder Shukran groß befragen konnten. Nachdem wir aber heil wieder in Neu-Corethon angekommen waren, luden wir den Al'Mashriqer auf Tee in die Priorei ein.

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Natürlich musste er sich erklären und uns vergewissern, dass wir kein uraltes Übel befreit hätten, was er auch überzeugend tat. Mehr aber noch teilte er als Dank für seine Befreiung sein Wissen über diese Dämonentore mit uns. Offenbar waren diese Tore Manifestationen von Dämonen des Latheyar, welche per se nicht den Untergang der Menschheit vorbereiten. Im Gegenteil, es liege wohl in der Natur des chaotischen Erzdämonen, dass sie aus der Laune heraus helfen oder auch Schaden zufügen wollen. Diese Dämonentore agieren wohl als Portale zu anderen Realitäten oder erschaffen gar eigene, in denen Raum und Zeit sich dem Willen der Dämonen beugen. Deswegen wirkte es auf uns als wäre Avilio just gestorben, auch wenn er in Wahrheit schon mindestens einhundert Jahre lang als verschollen gilt. Er teilte mit uns eine heilige Schwertscherbe, welche er selbst in diesem Tor fand als er es erkundete, und gab uns den Rat noch weitere Dämonentore zu suchen. Offensichtlich wollen uns diese mit den Schwertscherben locken, wir würden der Spur nur folgen müssen um alle Teile finden und zusammensetzen zu können. Doch war es moralisch, sich auf Dämonenspielchen einzulassen um ein heiliges Artefakt wiederherzustellen?

Nachdem wir das gesamte Wissen als auch die Schwertscherben, welche wir bisher erlangen konnten, zusammengetragen haben verstaubten unsere Ambitionen, die Dämonentore aufzuspüren. Skarabäus Shukran stahl die Seelen von vielen Bürgern, darunter auch die meine, und alleine ihn zu bekämpfen und die verfrühte Opposition der Sterne zu verhindern vereinnahmte uns vollkommen. Wobei "verfrüht" relativ ist. Laut den Berechnungen von Raphael würde diese normalerweise mindestens eine Millionen Jahre beanspruchen, doch das Testament von Carnamagos voraussagte sechs Oppositionen in einem Zeitrahmen von jeweils rund 1500 Jahren. Irgendetwas verkürzt diese Zeitspanne also wohl immer, mit kalkulierter Absicht. Was bedeutet das nun? Das der Zauber von Shukran von Anfang an im Götterplan Deyns berücksichtigt war? Dass es also unweigerlich passieren musste, und wir nichts tun konnten, um es zu verhindern? Ja. Genau das bedeutet das. Die unzähligen Zahnräder im Götterplan greifen fließend ineinander, alle darin Verwickelten haben keine andere Wahl, als sich ihm zu unterwerfen. Die sinnbefreite Geschichte wurde schon längst geschrieben, sie muss nur noch zu Ende erzählt werden.

Viele Wochen nachdem der Bote Al-Hezans schließlich vertrieben wurde begannen die Schwertscherben mahnend zu leuchten. Die Sehnsucht jener, mit den anderen, verlorenen Stücken vereint zu werden führte uns in die Höhle der Tiefenschmiede, ehemalige Residenz der Lederjacken als auch der von Theo Asayr, einem ruchlosen Magierjäger der die Natur der zerstörerischen Kraft zu ergründen versuchte. Was wir in der Ruine vorfanden war ein Käfig aus dunkelrotem, kränklichem Stahl welcher einen uralten Mann in braunen, schmutzigen Roben bewusstlos gefangen hielt. Seine Befreiung war eine logische Konsequenz, die ihn auch zu Bewusstsein kommen ließ. Er war blind, seine Augenhöhlen waren ausgebrannt, und der namenlose Prophet belohnte uns mit einer Weissagung: Wir müssten tiefer in die Höhle steigen, um das heilige Schwert des Mikael wiederherzustellen, die Waffe mit der Deyn Cador Skrettjah gar selbst gespalten haben soll. Das stärker werdende vibrieren der Scherben sollte uns in dem Vorhaben bestätigen, und so stiegen wir einen Minengang, der an eine Wendeltreppe in die Tiefe erinnert, immer weiter hinab, bis unsere Fackeln erloschen und die Grenzen der Realität zu verschwimmen begonnen.

Die vollkommene Dunkelheit durchbrach ein rötlicher Schimmer, aus dem staubtrockene, heiße Luft uns entgegenströmte. Die Abwärtsspirale verlassend fanden wir uns auf einem Vorsprung innerhalb einer unermesslich großen Kaverne wieder, in der aus den Wänden flüssig heißer Gestein wie Bäche auf den Grund der Kaverne lief und sich dort in einem See aus Magma sammelte. An der Gesteinswand entlang laufende Serpentinen bahnten den Weg in eine noch kleinere Höhle inmitten der Kaverne - kurz dachte ich, im Inneren des brennenden Berges gelandet zu sein. Das Konstrukt erinnerte an das Innenleben eines gigantischen Schmiedeofens, was es im Endeffekt auch war. Doch schnell erkannten wir, dass wir Solaner nicht alleine waren. Der Serpentine folgend erkannten wir eine Menschentraube, die sich am Eingang der Höhle befand und realisierten, dass es die hiesigen Magier waren! Während wir ihnen schon damit drohten sie in den Feuersee zu schmeißen, schloss ein Trupp wild zusammengewürfelter Bürger auf. In all dem wilden Gebrüll wurde uns allen klar, dass jeder wegen den Scherben hier war und welche besaß - da griff uns die Stadtwache Neu-Corethon aus dem Hinterhalt an.

Ich konnte gerade noch meinen Schild heben, als ein flammender Feuerball auf mich zuflog, welchen ich aufgrund der enormen Hitze gleich fallen lassen musste: Hauptmann Swen Stahlhammer hatte ihn auf mich abgefeuert, angeführt von einem ketzerischen, sprechenden, schwarzen Schädel! Die Situation eskalierte. Aus den Schlunden zweier Soldaten krochen riesige, von Venen durchzogene bleiche Würme, welche sich kreischend auf die Magier stürzten. Ein Schatten entfesselte ein Meer aus Flammen über uns alle, verschont blieben nur jene, die sich rechtzeitig hinter einen schützenden Felsen stürzen konnten. Irritiert, und rasend vor dem blanken Hass, den der Verrat der Stadtwache in mir auslöste, hob ich meinen Anderthalbhänder und stürmte achtlos auf den Kommandanten der Stadtwache zu, welcher sich noch bevor ich erreichte in einen gehörnten, mit roter Haut überzogenen Dämon von doppelter Mannesgröße verwandelte und den Ansturm erwiderte. Niemand außer den Angreifern wusste, wieso wir nun überhaupt kämpften, doch genau aus diesen Situationen entstehen die blutigsten und sinnlosesten Massaker. Ordnung gegen Chaos, am Ende des Tages lässt sich jeder Konflikt darauf zurückführen.

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Und so werde ich langsam müde, von der Erschöpfung, der Todesangst, den schwelenden Wunden und der Ungewissheit zu schreiben. Wenn auch viele schwer verletzt wurden, war mein geschundener und gezeichneter Leib diesen Qualen nur all zu vertraut. Stahlhammer wurde mit der Kraft des Sternschrittes erschlagen, die Würmer und der dämonische Schatten ebenso. Die Soldaten waren bewusstlos, aber am Leben. Aber die Scherben lechzten noch immer nach ihrer Vervollständigung, welcher wir uns nicht erwehrten. Den Bürgern nahmen wir die Scherben ab, waren sie doch Teil eines heiligen Artefaktes und deshalb unwürdig, solche zu besitzen. Das gleiche galt für die Magier, die sich aber widerwillig zeigten: Sie hatten auch Scherben gesammelt, doch waren dies Teile eines Schildes, welche Kalay einforderte. Doch die Aussicht auf den Feuertod machte auch sie einsichtig. So trotteten wir in die Höhle, aus der Schläge eines Hammers ertönten. Unbekümmert gab sich ein bärtiger, muskulöser Mann mit freiem Oberkörper seinem Schmiedewerk hin - doch als er uns sah, und die Scherben die wir brachten, streckte er seine Hand nach ihnen aus. Scherbe für Scherbe, Schlag für Schlag, wurden wir Zeuge der Auferstehung des Schwertes & Schildes des Heiligen Mikâel. Doch eine Magierin stellte sich gegen die deyngewollte Ordnung, griff sich das Schild und verschwand mit ihm vor unser aller Augen.

Wir waren zu verletzt und erschöpft, um uns darum noch zu kümmern. Die restlichen Inselbewohner zogen sich mit uns aus der Höhle zurück, der Eingang versiegelte sich nach unserer Abreise von selbst. Selbsverständlich fand nach wenigen Wochen auf das Schild wieder den Weg in unseren Schoß, zwei mächtige Waffen, die dem Orden in dunkelster Stunde dienen sollen. Doch die Anmaßung, die Werkzeuge eines Heiligen zu führen, wird bestraft. Ein jeder, der das Schwert oder das Schild gegen einen Gegner führt, muss mit dem eigenen Blut für seine Arroganz bezahlen, sodass die Waffen nie ihr wahres Potenzial erreichen können - es sei denn, der Führer bezahlt willig mit dem eigenen Leben. Das Vermächtnis von Swen Stahlhammer war eine Stadtwache, die von seinem schwarzmagischen Einfluss befreit werden musste. Quer über die ganze Insel hatte er seine Altare aufgebaut, dem Erzdämon Krosz gewidmet, welche unschädlich gemacht werden mussten. Den schwarzen Schädel jedoch, der ihn verführte und auch die Ereignisse im Kloster Melissengespenst rund um Abt Gottfried Heidenreich auslöste, konnten wir auch dieses Mal nicht sicherstellen. Nach Aussagen der Soldaten jedoch konnten wir herausfinden, dass es Skarabäus Shukran war, welcher den Schädel an den Hauptmann überreichte und ihn so an seinen vorgesehenen Platz im Götterplan brachte.

Mich quälte seit dem Ereignis, schlimmer als jemals zuvor, eine simple Frage: Warum? Was soll das für eine Prüfung gewesen sein, indem der Erzdämon Latheyar nicht der Feind war, sondern der Türöffner und Wegweiser? Das soll noch Plan des Herren sein, dass nun auch noch von uns gefordert wird, gegen unsere fundamentalsten Prinzipen zu verstoßen und mit Dämonen zu kooperieren, um unser Ziel zu erreichen? Gehen wir noch den Weg des Herren oder sind wir schon längst in den Fäden des Mannsweibes gefangen, was ist überhaupt noch richtig oder falsch? Nur noch von einer Sache war ich mir sicher: Dass ich die Antwort bei dem blinden Propheten finden würde, den wir aus dem Käfig befreiten. Mit Zweifel im Herzen begab ich mich so zurück in die Höhle, wo der Prophet in der Dunkelheit bereits auf mich wartete. Und dort stellte ich ihm eine Frage, dessen Antwort mein ultimatives Schicksal besiegeln und den naiven, liebenswerten und impulsiven Franz Gerber endgültig sterben ließ. Übrig blieb nur noch ein lebendig gewordener Wiederspruch, ein in Ketten gelegter Freiheitskämpfer, der alles Leid der Menschheit tragen wird. Egal was ich wähle - ich werde die Hamartia begehen, die fatalste, schrecklichste Entscheidung treffen, die ein Mensch treffen kann. Darauf fragte ich, ob freier Wille eine Illusion ist. Er antwortete, dass ein einzelner Mensch alle Freiheit der Menschheit trägt.

Ich weine um die Menschlichkeit, die mir genommen wurde. Ich weine um das Leid, welches ich verursachen werde. Bitte, vergebt mir. Ich bin nur ein armer Sünder.

*Ein unmenschlicher Schrei lässt eine Horde der Untoten durch den letzten Stand der Neu-Corethoner in den Burgfried hereinbrechen. Die letzte Verteidigung fiel, Soldaten und Bürger werden von den hungrigen Massen lebendig zerfetzt. Ordensritter Habinger sieht seinen längsten Kameraden, Waffenbruder Leibecht, wie er in Schockstarre steht, unnachgiebige Arme nach ihm greifend. Heldenhaft wirft er sich zwischen ihm und den Massen, seine Eingeweide werden herausgerissen bevor er aus den Fängen befreit werden kann. Mit letzten Atemzügen überreicht er seinem Kameraden die unvollständige Transkribierung von Franz Gerber's Erlebnissen. "Bring es zu Ende." ... und so wurde auch Einhart Habinger von dem erbarmungslosen Fluch der geschmolzenen Memento eingeholt.*
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#16
*Viele Monate sind vergangen, in denen Waffenbruder Leibecht Kapitel für Kapitel des bisherigen Werkes gelesen hatte. Viel Zeit hat er gebraucht, um das Gelesene zu verarbeiten, und viel hat es von ihm abverlangt. Doch Waffenbruder Leibecht fand in dem ganzen Horror und Schreckenvor allem eines - Kraft. Zu lesen, welche Martern sein ehemaliger Protektor durchgemacht habe und welche er noch erleiden müsse erfüllt ihn mit Entschlossenheit. Er wird das Erbe seines Kameraden, Ordensritter Habinger, weitertragen, seinen letzten Wunsch erfüllen und dabei über sich selbst hinauswachsen. Hartmut Leibecht wurde neu geboren.*

Vorwort - Waffenbruder Hartmut Leibecht, Solaner Orden Neu-Corethon

Voller Trauer muss ich berichten, dass der ehemalige Skriptor, Ordensritter Einhart Habinger, heldenhaft in der Belagerung der Untoten auf Neu-Corethon im Jahre 1353 sein Leben gelassen hat und in die Heiligen Hallen des Herren aufgenommen wurde. In seinen letzten Atemzügen übertrug er mir, Waffenbruder Hartmut Leibecht vom Solaner Orden Neu-Corethon, die Aufgabe, die Transkription der Memoiren von Franziskus Maximilian Gerber fertigzustellen, welcher ich mit all meinen Kräften nachkommen werde.

Ich möchte jedem meine Bewunderung ausdrücken, der bis hier her gelesen hat, habe ich selbst mehrere Monde gebraucht um all das Niedergeschriebene zu verarbeiten. Paladin Gerber tat gut darin, die Leser auf die kommenden Offenbarungen vorzubereiten, und er deutet kryptisch auf eine Wahrheit hin die viel abverlangt. Doch ich möchte Hoffnung machen, dass wir diese Wahrheiten überstehen und daran wachsen. Wir müssen uns nur Zeit geben und all die Verzweiflung überstehen, die Gerber schildert. Ich glaube fest, dass dies das wahre Vermächtnis meines verstorbenen Protektors ist - Hoffnung für alle. Es folgt das originale Vorwort von Gerber zu diesem Kapitel.
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Vorwort - Paladin Franziskus Maximilian Gerber, Solaner Orden Neu-Corethon

Ich bediene mich bei diesem langen Kapitel an den Niederschriften meiner werten Protektorin, Amelie de Broussard, um das Erlebte so detailgetreu wie möglich niederzuschreiben. Auch wenn ich ihre Erzählung äußerst schätze und ich sie mit diesem Kapitel lediglich ergänzen möchte, so sehe ich es dennoch als meine persönliche Verpflichtung allen Toten gegenüber, dass ich Rede und Antwort über all die abscheulichen Verbrechen stelle, die wir im Namen des Herren, im Namen des Taggoob, und im Namen des Hungers auf Menschenfleisch in Szemää begangen haben. Dieses Kapitel handelt von dem Kreuzzug im Jahre 1346, den unser Orden von Anfang bis Ende mitbegleitet hat.
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Heilige Kreuzzüge I. - Szemää - Regenmond 1346

Seit Jahren wucherte bereits ein gefährliches Krebsgeschwür im sorridianischen Königreich. Dieses Krebsgeschwür nannte sich Kirche des Lebenden Gottes, eine Gegenreaktion auf die Missetaten der dekadenten Sorridianisch-Deynistischen Kirche, geboren in der Flamme eines sinnlosen und fürchterlichen Bürgerkrieges. Ihre Fühler streckten sie weit hinaus, sogar bis nach Neu-Corethon. Dort gaben sie sich als drei sorridianisch-deynistische Priester aus, wo sie viel Schaden angerichtet hatten, unter anderem einen disziplinierten Renbolder Spion und guten Kameraden zu Tode gefoltert, wofür wir sie gnadenlos ermordet haben. Der Kult verbreitete sich so schnell, dass sie den "Freistaat Szemää" ausriefen und ganze Städte militärisch erobern konnten. Eine Entwicklung, die ein Koloss von Mann mit Argwöhn beobachtete. Er rief die gesamte zivilisierte, deynistische Welt zusammen, um diese Gefahr zu bannen bevor sie sich noch weiter verbreiten konnte - es war der Hochmeister des Solaner Orden höchstpersönlich, Sir Walter Ripel.

Beim silvanischen Konzil, in der Tempelfeste Londanor in Zandig, schwor er sämtliche Ritterorden darauf ein, gegen den Feind in Sorridia zu ziehen. Nur dieser Mann schaffte es, die Tasperiner und Sorridianer endlich an einem Strang ziehen zu lassen, denn die Tasperiner entsandten viele Männer um das sorridianische Heer zu unterstützen. Dies beweist nur die Voraussicht des Hochmeisters, denn die Kalifaten nutzten die Schwäche Sorridias ebenfalls um sich Gebiete zurückzuholen, dies bedürfe einer deyngefälligen Streitkraft um beide Übel aus den erzkonservativen Gebieten herauszuhalten. Diesen Herbst noch, sobald die Ernte eingefahren ist, soll ein jeder Wehrfähiger die Waffe nehmen und in die Grenzregion ziehen um Kultist und Kalifat gleichermaßen zu erschlagen. Die Resonanz war gewaltig, viele deynistische Ritterorden, weltliche Soldaten und einfaches Volk folgten dem Ruf. Doch auch wir Solaner auf Neu-Corethon machten uns auf lange Wanderschaft in diese heimgesuchten Lande, jedoch nicht aus den selbstlosen Gründen wie so mancher.

Es war ein Ereignis auf der sorridianischen Kolonie auf Cerrona und die daraus resultierenden Folgen, die uns zwangen, in den Kreuzzug zu ziehen. Wir waren dort um die neu aufgebaute Kolonie zu besuchen, doch der Herr führte uns zu einem Mann, den wir dort nicht erwarteten. Er versuchte uns abzuwimmeln, doch das weckte lediglich unsere Neugier. Es war der Gelehrte Al-Hazred, mit dem unser ehemaliger Ordensbruder Drevin Cray auf Archäologische Erkundungen im Kalifat Al'Bastra gewesen war. Offiziell musste er mit Drevin noch auf Reise sein, doch warum versteckte er sich hier, in einer Holzhütte, am Rande der Welt? Er erklärte panisch, dass es ein fürchterliches Missgeschick gab. Eines, bei dem Drevin eine sogenannte "Transmutation" unterlief. Sein menschlicher Körper wurde in einem schwarzmagischen Ritual in das eines Trüffelschweines verwandelt - so war mein Reittier, Drevin, der echte Drevin Cray gewesen! Noch bevor wir mehr aus ihm herausbekamen stürzte er tödlich mit dem Kopf gegen das Kamingitter.

Aus dem toten Esh'Ajen würden wir keine Antworten mehr bekommen, doch dies war auch nicht notwendig. Es war Raphael selbst gewesen, der uns gestand, die ganze Zeit über gewusst zu haben, dass Drevin tatsächlich dieses Trüffelschwein war. Damals, noch vor der ersten Prüfung mit dem Frostmahr und kurz nach Raphaels Wiederauferstehung wurde er gebracht zur Sternnacht, von einem verzweifelten Erzdekan der nicht besser wusste, was mit ihm anzufangen war und ihn doch nicht der Inquisition und damit dem sicheren Tod übergeben wollte. Dieser war zumindest nicht untätig, denn bald erreichte uns ein Brief der uns nach Asmaeth in Weidtland einlud, um über den ganzen Vorfall zu sprechen. Offensichtlich habe er eine Lösung gefunden, um Drevin zurück zu verwandeln, ihm seine menschliche Gestalt zurückzugeben. Doch wir hätten nicht mehr lange Zeit, mussten also bald zu ihm aufbrechen und uns auf eine lange Reise einstellen. Ohne zu viel zu verraten wies er unserem Orden an, um Drevin Cray zu retten, sich dem Kreuzzug anzuschließen.

Keinem von uns fiel es leicht, dies zu akzeptieren. Nicht weil wir ahnten welche Schrecken in Szemää passieren würden und wie wir selbst Teil des Schreckens sein würden, nein. Naive Vorfreude erfüllte uns bei dem Gedanken, Kultisten und Kalifaten abzuschlachten, doch plagte es uns, Abtpräses Friedmann, Ordensritter Habinger, Waffenbruder Leibecht und die restliche Gemeinde Monate lang auf Neu-Corethon, diesem verfluchten Stück Erde, zurückzulassen. Doch noch schlimmer war der Gedanke, unseren guten Freund Drevin Cray nach all dem, was er als Schwein und meinem persönlichen Reittier geleistet hatte, für ewig in seinem unnatürlichen Zustand zu lassen. So verabschiedeten wir uns von Neu-Corethon, denn wir zogen in den Krieg, noch ohne zu wissen warum. In Asmaeth ankommend und den Erzdekan in seinem Büro aufsuchend offenbarte er uns schließlich die ganze Wahrheit. Von dem Unglück erfuhr er erst nach der Flucht des Kalifaten und als seine Archäologen mit dem Schwein zu ihm zurückkamen, um das Ritual rückgänig zu machen, benötigen wir das Buch von Al-Hazred selbst, indem alles Böse auf und jenseits von Athalon beschrieben wird - das Necromonicon, welches sich in Szemää befindet.

Bonnington hatte alle seine Kontakte als Erzdekan und angesehener Archäologe genutzt, um es ausfindig zu machen. Die Inquisition und die Solaner hatten herausragende Arbeit geleistet und fast alle Exemplare bereits finden und vernichten können, doch in der Stadt Aironia, nun besetzt von Kultisten des lebenden Gottes und Ziel des Kreuzzuges, soll noch eines versteckt sein. Wir sollten jetzt, so früh wie möglich, aufbrechen, auch wenn es noch Sommer war um möglichst vor den Kreuzzüglern im Herbst die Stadt infiltrieren zu können. So weit war es mit uns gekommen, dass wir Solaner von einem silvanischen Erzdekan den Befehl bekamen, das schwarzmagisch fatalste Werk auf ganz Athalon zu bergen bevor die Deynisten es vernichten können, um einen einzigen Ordensbruder zu retten. Doch unser Egoismus kannte keine Grenzen, und die Stimmen der Heiligen in meinem Kopf waren sich dennoch einig, dass wir nach Szemää müssen, denn dies wäre eine weitere Prüfung die bestanden werden muss. Ich ließ meinen geballten Zorn an dem Erzdekan aus. Er ließ uns im Unwissen, genau wie Raphael, und nun verlangte er von uns allen den Kriegsdienst nur um auszubügeln, dass wegen ihm Drevin erst in diese missliche Lage geraten war.

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Dennoch marschierten wir erhobenen Hauptes in die sandige, aride Grenzregion Sorridias. Denn selbstverständlich würde ich diesem jungen Priester, der mich geführt, mich gepflegt und gewaschen hat als ich im Kampf gegen die Seemonster am Nordhof erblindete, nicht im Stich lassen können. Ich war versessen darauf, ihn um jeden Preis zu retten, an den letzten Funken Menschlichkeit verzweifelnd festklammernd um mir einzureden, dass ich noch Rechtschaffenheit in mir trage. Den einzigen Hinweis, den wir noch bekamen, war der Name "Christoph Balerakis" - ein Buchhändler in Aironia der dafür bekannt war, an Ungewöhnlichem interessiert zu sein. Erzdekan Bonnington finanzierte uns eine Überfahrt auf das sorridianische Festland, von wo aus wir zwei Wochen Marsch auf uns nahmen. Klug waren wir, denn wir haben in Asmaeth einen Karren samt haltbaren Nahrungsmitteln erworben, von denen wir die Wochen zehren konnten. Allerdings waren die meisten Dörfer auf dem Weg nicht bereit Nahrung zu tauschen, da wohl schon viele vor uns das taten und sie keines mehr hätten. Die Meisten konnten uns zudem den Weg weisen, wir würden nur den Anderen folgen müssen - wir waren wohl nicht die Ersten, die nach Aironia wollten.

Aironia ist eine große Stadt und liegt einen Tagesmarsch vom Meer entfernt. Die Stadt grenzt an einer Seite an ein schroffes Bergmassiv. Ganz oben am Berg steht die Zitadelle, darunter am Hang sind der Palast des Statthalters und die Villen der Reichen. Ansonsten wird sie von einer wuchtigen, allumgebenden und bestens intakten Stadtmauer geschützt, die hunderte von Türmen aufweist. Die Türme sind meist dreistöckig und ragen bis zu 25 Meter auf. Hier leben zehntausende Menschen, innerhalb der Mauer befinden sich neben dem eng bebauten Stadtzentrum zahlreiche Gärten, Wiesen und Felder, sowie Quellen und Zisternen. Bereits als die Stadt aus der Ferne sichtbar war wussten wir, dass diese schwer zu erobern sein wird. Doch wir waren leider bei weitem nicht die Ersten die hier waren, und es war noch immer nicht Herbst. Ein halb Verhungerter flehte uns um Nahrung an, und während wir sprachen kamen Zwei von hinten und versuchten uns zu bestehlen. Die Zwei, die wir bekamen fesselten wir und luden sie auf dem Karren auf, dem Dritten sollte es eine Lehre sein. Die Hungernden die wir fanden wurden dennoch immer mehr. Schnell wurde uns klar, dass wir nicht jedem helfen können ohne selbst zu verhungern.

Aus der Ferne sahen wir zu unser aller Horror bereits fünf Heerlager, die sich vor den Mauern Aironias schlängelten, verschiedenste Banner eifrig im trockenen Winde wehend. Obwohl noch nicht einmal die Ernte eingeholt und mitgenommen war, wie Sir Walter Ripel es befahl, waren bereits Tausende an weltlichen und kirchlichen Rittern in den Geburtslanden des Propheten Jakobus angekommen. Sie alle wollten zuerst den Ruhm der Eroberung für sich beanspruchen und stürmten blindlings hierher und zahlten für ihren Egoismus einen abscheulichen Preis. Nicht einmal die Solaner selbst hielten sich an den Zeitplan, denn sie waren mit zweitausend Mann in einem Lager, nordwestlich der Stadt, bereits hier. In der gleichen Mannstärke hatten sich die Mikaelaner im Norden niedergelassen, mit fünfhundert Mann weniger hielten die Revaniter im Westen die Stellung. Im Süden schließlich sammelten sich die letzten hundert Riedländer Ordensritter, die dem Massaker in ihren Gebieten in Haldar entkommen konnten, wohl ein letzter, verzweifelter Versuch ihren dem Untergang geweihten Orden vor der Auslöschung zu bewahren. Das größte, miserabelste und abscheulichste Lager war jedoch das weltliche Heerlager.

Während die vier deynistischen Orden jeweils einen Straßenzugang zur Stadt blockierten und die Stadt somit belagerten befand sich das allgemeine Heereslager abgeschlagen nördlich der Mikaelaner. Dort verweilten über tausend weltliche Ritter, um die vier tausend an wehrfähigem Fußvolk und dazu noch Hunderte an Gefolge von wehrlosen Frauen, Kindern, Alten und Schwachen aus allen deynistischen Nationen Leändriens in katastrophalen Zuständen. Es herrschte eine Hungersnot, Seuchen zirkulierten durch die dreckigen, löchrigen Zelter; Körper verwesten neben abgemagerten, spielenden Kindern und überall war der Gestank von Unrat und Tod. Da die Solaner sich weigerten, uns Neu-Corethoner bei Ihnen aufzunehmen, mussten auch wir in dieser Hölle unsere Zelte aufschlagen. Wir waren fassungslos über das grenzenlose Leid, welches wir Zeuge wurden. Von einem glorreichen Kriegszug war die Realität weit entfernt. Hier starben die Menschen, weil sie nichts zu essen hatten oder krank wurden, nicht heldenhaft in der Schlacht. Diebstahl untereinander war notwendig, um zu überleben. Wir waren zu spät gekommen, die Kreuzzügler waren bereits hier und die Stadt war abgeriegelt- dennoch mussten wir nach einem Weg hinein suchen.

Wir erkundeten die Umgebung der Stadt, wo wir ein Händlerlager und eine kleine Kapelle ausmachten. Offensichtlich war östlich der Stadt noch eine Zusammenkunft anderer "Kreuzfahrer", die aber wild waren und ihre Menschlichkeit bereits verloren hatten. Vor der Kapelle fanden wir einen verletzten, jungen Mönch, der zu nahe an die Stadtmauer ging und sich dadurch einen Pfeil in der Hüfte einfing - es war Bruder Karl aus dem Kloster Melissengespenst in Weidtland, dem ich ins Gesicht geschlagen hatte aufgrund eines haltlosen Gerüchtes, er würde sich als Medikusgehilfe an bewusstlosen Patienten vergreifen. Rasch hoben wir ihn auf die Beine, zogen ihn außerhalb des Schussradiuses und verarzteten ihn notdürftig, während er uns seine Geschichte erzählte. Wie bei so vielen haben die Worte Sir Walter Ripels Hoffnung in ihm geschürt, er schloss sich einer Charge Kreuzfahrer an, die in dieses Land zogen. Jetzt sind die Meisten davon tot, er leidet Hunger und laut ihm hat sogar Skrettjah bereits seinen Weg in das Heereslager gefunden. Nachts verschwindet so mancher spurlos, und einige werden noch in ihren Zelten von scharfen, unmenschlichen Reißzähnen gerissen und ihre Eingeweide wie Rotwild verspeist.

Wir nahmen Karl bei uns auf und waren froh, einen Medikus an unserer Seite zu wissen. Wir suchten das Händlerlager auf um Nahrung gegen Gulden oder andere nützliche Sachen zu tauschen. Doch seltsamerweise schienen viele wertvollen, nostrischen Schmuck bei uns bereitwillig zu tauschen. Im Irrlgauben, dies geschehe aus Hungersnot da man Gold nicht essen kann, akzeptierten wir den Schmuck und tauschten diesen gegen Kleidung, Verbände, Stoff und andere Güter ein. Jule und Friedrich wurden zu den Wilden im Osten geschickt. Sie entpuppten sich als halbnackte, dreckige, verwilderte Wahnsinnige, welche die Beiden sofort angriffen und drohten zu verschleppen, hätte ihr Anführer den Angriff nicht abgeblasen und die Beiden mit der Warnung ziehen lassen, sich ab sofort von ihnen fernzuhalten. Man gab ihnen den Namen Tafuren. Sie waren Überbleibsel des ersten Volkskreuzzuges, Bürgerliche die auf dem Weg in dieses Land diverse Schrecken durcherlebt hatten, bis sie selbst in diesen abscheulichen Zustand degenerierten. Trotz dem Verlust ihrer Menschlichkeit ließen sie nicht davon ab, Aironia erobern zu wollen, was eine eigentümliche Verbundenheit von meiner Seite ihnen gegenüber entstehen ließ.

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Westlich der Stadt Aironia, nahe an der Palisade zur Stadt wo wir den verletzten Bruder Karl geborgen haben, befand sich eine altertümliche, deynistische Kapelle in der ein einzelner silvanischer Bischof noch Seelsorgedienste für die Sterbenden und diejenigen, die schon gestorben waren durchführte. Sein Name war Bischof Berengar, ein dicklicher Mann mit rundem Gesicht und einer sattelfesten Entschlossenheit. Geholfen hat ihm dabei seine rechte Hand, ein ehemaliger fallicischer Söldner namens Jerome le Rouge, mit dem er versuchte so viele Körper wie möglich eine deynistische Beerdigung durchzuführen. Auch wir halfen ihm dabei, doch schnell erkannte der Bischof, dass wir anderweitig nützlicher sein würden: Er warnte uns vor verfluchtem, nostrischen Schmuck, der unter den Kreuzzüglern zirkuliert und jeden, der ihn berührt, unweigerlich verändert. Ihre Körper würden sich deformieren und ihr Hunger würde unendlich groß werden, bis sie selbst vor dem Fleisch ihrer Mitmenschen nicht mehr Halt machen würden. Sie fürchteten, dass dieser Schmuck mit dem berüchtigten Wolfsteufel in Verbindung stehe, denn manche Verfluchte entwickelten dieselben stechenden gelben Augen wie die das Heereeslager heimsuchende Kreatur.

Er und der Söldner sammeln so viel von dem Schmuck ein wie sie nur können, und da wir ihn ebenfalls schon berührt hatten, sollen wir das selbe tun. Mit dem Versprechen, zu helfen, kehrten wir zurück zu unserem Zelt um die Situation neu zu ordnen. Wir entschieden uns dazu, die Kreuzfahrerlager aufzusuchen um mehr darüber herauszufinden, wie viel Zeit wir noch hatten bevor die Stadt erobert wird. Bei den Solanern trafen wir Raimund IV. von Kreuzburg, den Heerführer der Solaner wie er aufgebracht mit Bohemund de Corastella, Heerführer der Mikaelaner, diskutierte. Offensichtlich hatten Beide eine unterschiedliche Herangehensweise, wie Aironia erobert werden sollte und konnten sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Es war ernüchternd, dass die Ritterorden auch noch untereinander konkurrierten um den Ruhm für sich persönlich einheimsen zu können, während ihre Glaubensbrüder sich bereits gegenseitig auffraßen vor Hungernot, doch ihre Arroganz konnte die Realität bestens ausblenden. Die Revaniter unter Adhemar von Silvarsteed kamen mit dem Bau ihrer Belagerungsgeräte nicht voran, was den Angriff weiter hinaus zögerte, erst sobald sie fertig wären könne die Stadt eingenommen werden.

Unsere ehemaligen Kriegsverbündeten und Landesnachbarn, die Riedländer, waren aber gar nicht erst daran interessiert die Belagerung überhaupt stattfinden zu lassen. Bei einem Besuch in ihrem Lager sah ich kurz ihren Feldherren, den brutalen Guillaume II. von Ried, und sein Blick traf den Meinen. In seinen Augen sah ich dieselbe Entschlossenheit die wir in unserer Aufgabe trugen, und ich wusste, dass auch er auf der Suche nach dem Necromonicon war. Die Riedländer ließen uns nicht in ihr Lager hinein, doch Salvyro konnte sich hineinschleichen und sah gleichermaßen beruhigendes wie unberuhigendes. Bürgerliche Karren, voll mit Gütern, durften für Wegzoll das Tor in die Stadt Aironia passieren! Die Belagerung war keine, da ein Tor immer offen stand und die Stadt so versorgt werden konnte! Auch wenn dieser Verrat abscheulich war, so waren wir doch frohen Herzens, denn durch ihren Frevel könnten wir mit der passenden Verkleidung hinein. Denn wir durften, trotz das Leid der Menschen, trotz des Wolfsteufels und den Fluch, der nun auch über uns lag, unser wahres Ziel nicht vergessen: Das Necromonicon in Aironia zu bergen, bevor die Kreuzfahrer es vernichten können, um Drevin Cray zurück zu verwandeln.

Wir gingen den restlichen Nachmittag lang der Spur des verfluchten Schmuckes nach, anfangend bei Gregor von Arnheim. Dieser vermittelte seine Tochter Magdalena für gewisse Gefälligkeiten an Baron Ignatius und erhielt im Gegenzug einen goldenen Armreif. Ignatius konnte seit einer schweren Verletzung seinen Schwertarm nicht mehr gebrauchen. Er gab sein Schwert an Ritter Achatius weiter und erhielt dafür eine Schatulle mit Schmuckstücken. Achatius erhängte unlängst einen Dieb, der ihm Nahrung stehlen wollte. Er hat ihn gehängt und als Strafe dafür wurde er selbst zu "Nahrung", welches er uns als "Pferdefleisch" andrehen wollte - und zu unserem Schrecken stürzte sich Amelie auf das Fleisch und schlang es gierig hinunter! Noch bevor wir sie aufhalten konnten hatte sie ein blutiges Menschensteak zur Gänze verschluckt, und die Sünde des Kannibalismus fiel ihr ewig anheim. Ich war nicht so schockiert wie ich erwartet hatte, denn ich hatte erwartet, dass es früher oder später passieren würde. Doch solange wir den Götterplan weiter verfolgen wird uns jede Sünde vergeben, sei sie noch so abscheulich, oder gar unnötig. Wir mussten darauf vertrauen, dass es der Wille des Herren waren, dass wir zu Monstern wurden.

Das "Pferdefleisch" gab Archatius weiter an einen sogenannten Fulbert, er bekam dafür einen nostrischen Ring. Die Kette führte am Ende zu jenem Fulbert - doch er war bereits dem Wahnsinn verfallen und wurde von le Rouge in eine Grube gesperrt, da der seinen Bruder fesselte, knebelte, seinen Arm abschnitt und das "gute Stück" über einem Feuer brutzelte: Doch er konnte uns noch von einem Dorf in den Bergen erzählen, bevor die Richter ihn seiner gerechten Todesstrafe zuführten. Lange dauerte es, bevor wir aus seinem Gekeifer etwas Sinnvolles entstehen lassen konnten. Aber dann berichtete er von einer ketzerischen Kirche im Fels, aus der er den verfluchten, nostrischen Schatz entwendet haben soll, der sich im Heereslager verbreitete. Er und noch Zwei Männer, an dessen Namen er sich nicht erinnern könne und einen fürchterlichen Schrecken, eine übernatürliche Bestie, welche sie dabei unabsichtlich befreit haben sollen - den gefürchteten Wolfsteufel. Ihre Intentionen waren nobel, sie versuchten Nahrung aufzutreiben um dem Hunger endlich ein Ende zu bereiten, doch hatten sie zu tief geschürft und dadurch ein unsägliches Unheil über alle gebracht. Doch auch dies war Teil des göttlichen Gefüges, eine Notwendigkeit.

Doch für Heute hatten wir genug gesehen und erlebt. Der Tag neigte dem Ende zu und wir entschieden uns, in das Heereslager zurückzukehren, aber die Schrecken hörten nicht auf. Abends hielt unser Nachbar Arnulf es für eine gute Idee, sein Zelt genüsslich zu verspeisen, bis sein Bauch sich wölbte und er daran elendig zugrunde ging, während der Ritter Wilhelm de Gascogne besonders blutrünstig ums Leben kam - er schlitzte sich seinen Bauch auf und verköstigt seine eigenen Eingeweide! Beide trugen nostrische Armreife um ihre Handgelenke, die wir ihren Leichnamen entwendeten. Kurz danach hörten wir erneut ein Schmatzen in der Nähe unseres Zeltes, und sahen dunkle, groteske Schatten vom Inneren des Zeltes, wie es sich an einem Körper vergriff. Wir sahen nichts anderes als eine stark behaarte, wolfsschnäuzige Kreatur, die uns mit ihren feurig gelben Augen in die Seele starrte und dadurch versteinern ließ. Nebenbei stand ein traumatisiertes, kleines Mädchen, die nur zusehen konnte wie der Wolfsteufel ihre Mutter gerissen hatte. Der Wolfsteufel ergriff die Flucht, Jule konnte als Einzige dem Bann entfliehen und ihn aus dem Lager vertreiben. Das Kind, Anna, hatte Niemanden mehr, so nahmen wir sie bei uns auf.

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Unsere Protektorin, Amelie de Broussard, wurde aufgrund des Kannibalismus aus unserem Zelt verbannt. Der Fluch hatte ihren Körper verändert, grünliches, kränkliches Blut floss nun durch ihre Venen und die unheilige Kraft ließ sie Wunden in Minutenschnelle wieder verschließen. Sie musste draußen im Gestank und Elend schlafen, da wir uns vor ihr fürchteten. In Sekunden haben wir jahrelange Kameraderie über Bord geworfen, weil wir um unser eigenes Fleisch bangten. Doch dies war eine gute Entscheidung. Im Schutze der Nacht schlich sich eine verstohlene, in schwarze Kutten gepackte Gestalt an unser Zelt heran. Behutsam glitten ihre Finger durch unsere Habseligkeiten auf dem Karren, leise und geduldig genug, dass wir es nicht bemerkten - bis auf Amelie. Sie sprang hoch und verwickelte den Dieb in ein Handgemenge, als ich ihre Schreie hörte kam ich mit brodelndem Zorn aus dem Zelt gestürmt. Ich sah, wie der Dieb Amelie einen Knüppel über den Kopf zog, dabei schob sich sein Ärmel zurück und ich konnte einen Blick auf sein Handgelenk werfen - ein schwarzer Karneolarmreif. Doch als der Dieb meine Statur erblickte, türmte er. Amelie stürmte ihr hinterher, doch ich konnte ihr meine Sichtung nicht mitteilen.

Nach einer kurzen Verfolgungsjagd konnte sie den Täter niederringen und fesseln. Doch ihr wollte er weder seinen Namen sagen, noch was er von uns wollte, lediglich dass seine Mission von äußerster Bedeutung wäre und sie ihn freilassen müsse. Amelie traf die richtige Entscheidung, als sie ihm die Fesseln abnahm und ihn ziehen ließ. Als sie zurückkam, unterrichtete ich sie, dass dies ein Agent des Kultes von Gevatter Tod, dem Heiligen Renbold, war. Wir wussten zwar nicht, was er suchte, hatten jedoch eine Vorahnung und entschieden uns, ihm nicht im Wege zu stehen. So zogen wir am nächsten Morgen unsere bürgerlichen Kluften an, erworben Heu und Eier als Tarnung, mit welcher wir unseren Wagen schmückten und unsere Ausrüstung darin versteckten und machten uns auf, das Tor der Riedländer in die Stadt hinein zu passieren. Ich musste schmerzlicherweise meinen Helm abnehmen, doch um meine verkohlte Haut zu verbergen stülpte ich mir einen Jutesack um meinen hässlichen Kopf und stoch zwei Löcher hinein wo meine Augen waren. Eine Hand voll Gold wechselte in die andere und schon hatten wir den Segen der Riedländer, ohne weitere Durchsuchung, die Wehranlage der Stadt zu durchqueren.

Wir mussten noch immer den Buchhändler Christoph Balerakis finden, der das Necronomicon besessen haben soll. Dieses beinhaltete das schwarzmagische Ritual der Transformation, die Drevin von dem Trüffelschwein wieder trennen konnte, und in Aironia existierte das letzte Exemplar. Der kannibalische Fluch des nostrischen Schmuckes befiel Amelie bereits, doch der Rest würde nicht verschont bleiben. Die Quelle war nun in einer Felsenkirche eines alten, nostrischen Dorfes ausgemacht worden. Wir wussten, dass die Zeit knapp war und der Fluch ehest möglich gebrochen werden musste, doch die Kreuzfahrer waren bereits hier und in der letzten Vorbereitungsphase für die Eroberung. Die Bestie namens Wolfsteufel suchte noch immer das Heereslager heim, sich an dem Fleisch der Sünder labend, doch zumindest hatten wir das Mädchen Anna vor seinen Fängen bewahren können und mit Bruder Karl einen altbekannten Freund und geeigneten Medikus, der auf sie aufpassen konnte, während wir uns in die Gefahr begaben. Die fürchterlichsten Schrecken, gleich außerweltlich wie menschlich, sollten uns aber erst noch begegnen. Das wahrhaft abscheuliche Massaker namens "Kreuzzug" hatte gerade erst begonnen.

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#17
Heilige Kreuzzüge II. - Das Nekronomikon - Regenmond 1346

Die Stadt Aironia schien die Belagerung vor ihren Toren nur spärlich mitzubekommen. Gegen den Zustand im Heereslager war die Lage innerhalb der Mauern gänzlich idyllisch. Die entschlossenen und gut gerüsteten Verteidiger auf den Zinnen profitierten von gefüllten Waffen und Proviantmagazinen; auf dem Marktplatz wurde Nahrung im Überfluss feil geboten, doch das Horten war verboten worden, so bekam ein jeder nur sinnvolle Portionen verkauft. Auffällig war allerdings, das relativ wenige Männer unter den Bürgern zu sehen waren, hauptsächlich waren es Frauen und Kinder die auf offener Straße bei der Bewältigung ihrer Alltagspflichten beobachtet werden konnten. Durch Befragung konnten wir herausfinden, dass dies daran lag, dass die meisten deynistischen Männer seit der Übernahme der Kultisten des Lebenden Gottes aus der Stadt getrieben wurden, die übrigen würden Steine für die Wurfwaffen schleppen, während die Frauen und Kinder in der Stadt als "Geisel" dienen sollten. Dennoch war innerhalb der Stadt der Eindruck einer fast schon alltäglichen Normalität entstanden, wie man sie in Städte innerhalb anderer deynistischer Nationen auch finden würde, die im starken Kontrast zu dem Elend draußen stand.

Wir ritten auf unserem Karren, mit Bruder Karl und Anna als zivilem Anhängsel, und kreisten mit ihm spähend in der Stadt einige Runden. Vorbei an der hohen Mauer, die vielen Tore der Stadt abklappernd und ihre Verteidigung prüfend, vorbei an den fruchtbaren Gärten und Bewässerungsanlagen, in denen man seinen Dämonen eine kurze Zeit lang entrinnen konnten. Vorbei an dem Viertel der Noblen und Reichen, sowie der Klöster und Kirchen, beide am Berghang gelegen und durch einen zweiten, massiven Innenwall geschützt, wo der Kopf der Kultisten Unterschlupf hatte. In der Nähe des Marktplatzes, in einem heruntergekommenen Viertel wo sich lediglich Bettler und Gesocks herumtrieb, schlugen wir unser Lager in einem maroden, baufälligen, runden Wachturm aus Sandstein auf, wo wir unauffällig und ungesehen unter kommen konnten. Doch wir mussten immer noch vorsichtig sein, konnten wir doch schlecht offen in unseren Ordensrüstungen samt Bewaffnung herumlaufen und waren so in einem Kampf fürchterlich unterlegen.

Getarnt machte wir uns auf, um die Bücherei von Christoph Balerakis aufzuschen, und durchstreiften dabei in kleinen Gruppen die geschäftigen Straßen. Doch Aironia war Heimat vieler Bücherläden, und es war oft mühsam sich mit ihnen auf sorridianisch zu verständigen, da nur Amelie als gebürtige Patrierin diese Zunge beherrschte, wenn auch laut ihr der regionale, nostrische Dialekt ihr leichte Schwierigkeiten bereitete. Trotzdem war es Salvyro, der seinen Laden gleich am Marktplatz fand. Die Tür, halb aus den Scharnieren gerissen und melancholisch schief offen stehend, war eine Vorahnung dessen, was wir im Inneren fanden. Umgeschmissene Regale und Bücher, Blätter und Staub die bereits im Inneren herumwehten. Kein Anzeichen dafür, dass diese in den letzten Tagen bewohnt war. Die Nachbarn brachten uns die Gewissheit, dass Christoph Balerakis bereits tot war - er wurde in den Abwasserkanälen der Stadt gefunden, gleich nachdem seltsame, vermummte Gestalten bei ihm auf "Besuch" waren. Die Stadtwache behauptete, er wäre dort wohl betrunken hineingefallen und im Unrat ertrunken. Wohl keine Seltenheit in dieser Stadt, dass so mancher seinen Weg dort hineinfindet. Damit standen wir nun mitten im Herz des Feindes, mit Kreuzzüglern die jederzeit eindringen konnten, und unsere einzige Spur die uns zum Nekronomikon führe könnte, war verloren. Doch so schnell darf kein Solaner seinen Mumm verlieren, wenn er etwas auf sich halten möchte, und wenn wir jeden Mann dieses Hortes des Fehlglaubens einzeln befragen und zerstückeln mussten.

So strömten wir den restlichen Tag auswärts. Mischten uns unter das Volk, trieben Handel mit den dankbaren Verkäufern des Marktplatzes, sprachen mit gelangweilten Streifengänger über die aktuellen Ereignisse. Viele waren sich sicher, dass die Mauern uneinnehmbar waren und die Bogenschützen ihren Soll erfüllen würden, doch Wenige waren erpicht darauf, sich von den Kreuzzüglern befreien zu lassen. Die meisten wünschten sich, dass das Töten einfach aufhören würde, doch dieser Wunsch blieb ihnen verwehrt. Viele Gerüchte über seltsame Vorkommnisse kamen uns zu Ohren, wie die berühmte Bukoleumsstatue, die sich in der vergangenen Vollmondnacht das erste Mal bewegt haben soll. Beide Köpfe von streitendem Stier und Löwe ließen voneinander ab und zeigten ins Stadtinnere, was ein großes Unheil ankündigen sollte. Die Kultisten des Lebenden Gottes liefen predigend durch die Straßen, sich selbst blutig geißelnd und vom kommenden Untergang der Stadt berichtend, falls die Bürger nicht an den Kult spenden würden um ihre Sünden reinzuwaschen. Weite führte uns aber nur ein verängstigter Bauer, der von nächtlichen Geistererscheinungen in der Nähe des alten goldenen Tores sprach. Von einem tanzenden Irrlicht, das in der Dunkelheit wiederholt seinen Namen gerufen haben soll  - ein Gerücht, dessen Amelie und Friedrich sich annahmen.

Sie fanden diese Nacht alte Wasserzisternen am Tor, in deren Nähe sie rituellem Gesang entnehmen konnte. So kletterten die Beiden die Gemauern hoch und entdeckten in einer Gase vier vollständig in Schwarz gehüllte Gestalten, die um einen mit Kerzen rituell beleuchteten schwarzen, augenlosen Schädel standen, und ihn in einer Ihnen unbekannten Sprache musikalisch huldigten. Als ihr Gesang zu Ende war, stieß ein bedrohliches Leuchten aus den sonst leeren Augenhöhlen des Schädels, und aus seinem knochernen Kiefern drang eine Stimme in der selben Sprache hervor, die ihnen antwortete. Die Adleraugen von Amelie konnten zwei der vier Gestalten entlarven - es waren Guillaume II. von Ried, Heeresführer der Riedländer und seine rechte Hand, Antoine de Arrablay! Doch meine Solaner Kameraden waren nur zu zweit und waren sich sicher, in einer offenen Konfrontation unterlegen zu sein. So machten sie rasch kehrt, zurück in unseren Unterschlupf, und berichteten von ihrer Entdeckung. Und sogleich wurde Raphael klar, dass es sich bei diesem Schädel um den gleichen Schädel handeln muss, der die ganze Tragödie im Kloster Melissengespenst ausgelöst hat. Ein Riedländer Kreuzfahrer hatte ihn aus seinem Raubzug in Haldar mitgenommen, welcher Abtpräses Gottfried Heidenreich befiel und ein schweres Massaker zur Folge hatte, bei der er selbst umkam. Wir wussten nun also, dass die Riedländer tatsächlich schwer Übles im Schilde führten, und genau wie wir bereits in Aironia eingekehrt sind. Mein Bauchgefühl sagte mir auch, dass sie es waren, die Christoph Balerakis' Bücherei gestürmt, ihn gefoltert und anschließend getötet haben. Wir mussten also schnell sein, denn sie waren uns bereits einen Schritt voraus.

Die restliche Nacht wurde ausgiebig geschlafen, um Kraft für den morgigen Tag zu haben. Diesen nutzen wir, um das ehemalige Kirchenviertel aufzusuchen. Wir erhofften uns Hilfe von den örtlichen silvanischen und sorridianischen Klostermönchen, die von den Kultisten noch geduldet wurden, um keine offene Rebellion der Bürgerschaft zu provozieren. Doch um den Willen der letzten Deynisten dennoch zu brechen, ließen sie aus der Kathedrale St. Peter einen Pferdestall machen, was unser Blut besonders zum Kochen brachte. Die silvanischen Mönche wiesen uns leider ab, auch oder gerade weil wir uns als Solaner Freiheitskämpfer ausgaben, da sie sich vor Konsequenzen fürchteten, wenn sie mit uns verkehrten. Doch die sorridianisch-deynistischen ließen Amelie aufgrund ihrer Vergangenheit im patrischen Mikaelaner Orden hinein, und angesprochen auf Christoph Balerakis und das Nekronomikon konnten sie uns einen Namen nennen. Adronikus, einst einer der Ihren, hatte sich gegen den Rat seiner Mitbrüder dem Buche gewidmet und es eingehend studiert, was ihn schnell altern und den Verstand verlieren ließ. So warfen sie ihn eines Tages auf die Straße, wo er seitdem herumirren solle, denn sie hätten ihn seither nicht mehr gesehen. Die gesprächigen Bettler konnten uns im Hypodrom der Stadt zu einem Wahrsager führen, dem Adronikus ein Begriff war. Er sprach davon, dass er seit seinem Exil für einen Reichen Nostrier namens Isako Raklios als Astrologe gearbeitet habe und wir lediglich diesen aufsuchen müssten, um mit dem wahnsinnigen Mönch sprechen zu können.

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Das Anwesen von Isako Raklios im Noblenviertel der Stadt war nach einigen Stunden der Suche gefunden worden. Jule blieb bei Bruder Karl und Anna, da sie fürchtete, die Riedländer könnten uns bereits auf der Spur sein. Allerdings war es unberuhigend still rund um das Haus, das eiserne Tor in seinen Vorgarten ließ sich mühelos aufschieben. So fanden wir schließlich seine Diener, zerfetzt und blutleer im ariden Gras liegend, die Leichen zerfleddert mit der Haut eng an den Knochen anliegend. Da wir schon mit einem ähnlichen Zustand wie des Hauses wie bei der Bücherei von Balerakis' gerechnet hatten, trugen wir unter unseren Lumpen Kettenrüstung und nahmen unsere Ordensklingen mit. Eine Stürmung des Anwesens ergab jedoch das selbe Bild wie außerhalb, wo wir den Leichnam von Raklios samt Frau und Kinder gefunden hatten. Ich bückte mich nieder, um seinen Körper zu untersuchen. Riesige Klauen hatten ihm Fleischstücke aus dem Körper gefetzt, zudem war in Brustnähe eine große Fleischwunde mit Spuren von Reißzähnen im Fett, aus der das Blut in seinem Körper gesogen wurde. Dies war keine Attacke eines Verfluchten, auch nicht des Wolfsteufels, er saugte seine Opfer nicht leer sondern verspeiste sie. Hungrig wie ich war, nahm ich den linken Arm von Raklios, trat auf seine Brust und riss ihm diesen gewaltvoll vom Körper, mit der anderen Hand meinen Topfhelm wegschmeißend, um meine Zähne in das Fleisch seines Unterarms zu versenken während die Augen seiner Familie vorwurfsvoll auf mir lasteten. Ich realisierte erst, was ich getan hatte, als meine Ordensbrüder auf mich einbrüllten und Amelie versuchte, mir den Arm von Raklios abzunehmen. Denn in diesem Moment brodelte in mir ein Zorn und eine Macht der Verderbnis, die explosiv in meine Muskeln schoß und diese grünlich, verpestet aufblasen ließ und mir ungeheure körperliche Kraft verlieh. Mühelos packte ich meine Protektorin am Hals und drückte sie mit voller Wucht gegen die Wand, während ich sie anknurrte wie ein Wolf der sein gerissenes Wild verteidigt.

Meine primitiven Gedanken rasten sich nur noch darum, meine Zähne in Amelies Hals für ihre Unverfrorenheit, mir meine Beute streitig zu machen, zu versenken, während mein Griff um ihren Hals enger wurde. Es war erst die Hand meines geliebten Priors Raphael und seine ruhigen Worte, die mich wieder zu Sinnen kommen ließen. Eine Flut an Schuldgefühlen und Ekel übermannte mich, gefolgt von tiefem Bedauern, so schloss ich Amelie direkt in meine Arme und bettelte um Vergebung. Sie, die dem Fluch vorher schon anheim gefallen war, gewährte mir diese mit dem Wissen, dass wir diesen Fluch und die Gier nach Menschenfleisch gemeinsam durchstehen würden. Mehr konnten wir nicht erhoffen, keine Buße der Welt konnte unsere Sünden mehr reinwaschen - dies war der wahre Fluch des Wolfteufels, auf ewig mit dieser Sünde besudelt zu sein. Dennoch konnten wir zumindest noch eine Seele retten, die unschuldig war und mit einem Trüffelschwein verschmolzen war. Die Leiche Adronikus fanden wir nirgends auf dem Anwesen, auch nicht in seinem Astrologieturm, doch fanden wir Schleifspuren, die in den Brunnen im Garten führten. So stiegen wir diesen hinab, hinunter in die Wurzeln Aironias, den langen und verzweigten Kanalanlagen. Der Unrat der Stadt brandete gegen unsere Knöchel und stieg in unsere Nasen, doch wir Verfluchten hatten keinen Ekel mehr für solche Lappalien übrig.

Im Unrat konnte man die Spur eines uns unbekannten, großen Wesens mit drei Vorderzehen, einer Hinterzehe samt scharfen Krallen ausmachen, gefolgt von mehreren festen Stiefelspuren. Diesen folgten wir einige Zeit lang, bis Raphael uns still anwies, stehen zu bleiben. Vor uns öffnete sich der Raum in eine größere, unterirdische Kaverne, und irgendetwas verunsicherte ihn, doch es war zu spät. Aus der Dunkelheit hörten wir noch Flügelschläge, bevor ein rabenschwarzer Schnabel stichartig auf die Mitte zuraste. Stur wie ich war, warf ich mich mit meinem gesamten Körpergewicht dagegen und lenkte den Schnabel mit meinem Topfhelm zur Seite ab, das Wesen krächzte wutentbrannt auf. Ich drängte es weit genug zurück, um uns allen zu erlauben, in den offenen Raum zu treten, die Waffen zu ziehen und den Kampf aufzunehmen. Vor uns stand eine große, vogelähnliche Kreatur mit voluminösen Körper, ledrigen Schwingen und raubtierhaftem Schnabel, das nur verschwommen wahrgenommen werden konnte, da unsere menschlichen Augen wohl die Andersartigkeit des Wesens nicht begreifen konnten. Spätere Schriften des Buji Beg erkannten das Wesen als ein Byakhee, ein raubtierhaftes, schwarzmagisches Wesen, welche dem Erzdämon Al-Hezan - dem Herrscher der Magie - dienen. Doch auch dieses Wesen war unseren gesegneten Celestiumklingen nicht gefeit, und so fiel es diesen zum Opfer. Ich war gerade dabei, mein Schwert zu heben und es den Kopf abzutrennen, als plötzlich mein verfluchtes Fleisch in blauen, heiligen Flammen aufging und ich dieselben Qualen erlitt, als ich es wagte, mit dem Heiligen Sôlerben um die Stimme meines geliebten Priors zu verhandeln. Derselbe Prior war es, der unter Tränen den Zorn des Herren auf mich niederfahren ließ, welcher mich mit voller Wucht traf und mich in das Abwasser der Stadt katapultierte, doch die heiligen Flammen nährten sich an der Schwärze an mir und konnten so nicht gelöscht werden. Mein eigener Herr war dabei mich zu richten, wegen Schandtaten, die ich erst in seinem Auftrag und Namen verbringen musste.

Raphael konnte den Blick des Wesens nicht ertragen. In seiner Rage erkannte er mich als Feind, der vernichtet werden musste, erst als meine Kameraden ihn niederrangen und den Mund zuhielten hörte der göttliche Richtspruch auf. Unrat floss in meine neuen Brandwunden, doch ich spürte, wie die Kraft der Pestilenz Xol-Baduars in mir daran Gefallen fand. So war ich es, der das Erlebte vorerst verdrängte und darauf pochte, die Spur von Adronikus weiter zu verfolgen. Schnell verloren wir die Spur, unsere Orientierung und auch bald die Hoffnung, die Kanalisation überhaupt noch zu verlassen. Es waren zu viele Abzweigungen, zwischen denen wir in Dunkelheit entscheiden mussten, denn unsere Fackeln erloschen nach Stunden in denen wir noch herumirrten. Wir wurden durstig, hungrig, und wollten nur noch heraus, doch wohin wir auch gingen, das Wasser stieg nur noch mehr, bis es uns irgendwann bis zum Halse stand. Wäre das nicht ein furchtbares Ende für unsere Gemeinschaft gewesen, nach all dem, was wir erlebt hatten? Ertrunken in der altertümlichen Kanalisation der Stadt Aironia, am Unrat der Kultisten des Lebenden Gottes? Doch nein, das wäre zu einfach und zu gnädig für uns. Die helle Stimme von Jule hallte durch die steinernen Wände. Wie klang sie in diesem Moment doch so wunderschön hell und heilte unsere gebrochenen Herzen, ließen reine Tränen aus Freude in den ewigen Fluss des Unrats tropfen. In einem Loch mitten in der Stadt reckte sie uns ihre Hand entgegen - sie und ein bärtiger, in schwarzen Hüllen gestülpter Mann mit ernstem Gesicht. Ich erkannte ihn an dem Karneolarmreif an seinem Arm wieder. Der Dieb, der uns Nachts überfiel, rettete uns das Leben.

Sein Name war Noffo Dei. Er gab sich als Mortumbruder zu erkennen, auf einer wichtigen Mission, die er im Namen des Orden der Heiligen Domenika durchführt. Es geht darum, eines der abscheulichsten Bücher auf Athalon vor der kompletten Vernichtung zu retten, da man auch in diesem Dunkel Hoffnung säen könne: Verbotene Rituale, schreckliche Kreaturen, unaussprechliche Mächte. Dieses Wissen dürfe nicht verloren gehen, doch er war nun am Ende seiner Kräfte angekommen. Da wir nun in seiner Schuld standen forderte er, ihn bei seiner Suche zu unterstützen, doch erkannte er schnell das dies ohnehin in unserem Interesse war. Wir willigten ein, ihm das Nekromonikon zu überlassen, sobald wir das Ritual der Transformation herausgefunden hatten, da wir das Buch ohnehin nur deswegen suchten. Er hegte keinerlei persönliche Sympathie für uns sondern erkannte lediglich die Nützlichkeit für seine Sache, und so wusste ich, dass vor mir wohl ein ausgezeichneter Renbold Agent stehen muss. Angesprochen auf Meyer bestätigte er, dass dieser seine Arbeit nach dem Tod seines Bruders eingestellt habe. So wunderte es uns nicht, dass er wusste, dass der wahnsinnige Adronikus das Nekronomikon kannte, noch lebt und dass er gefangen gehalten wurde und befreit werden musste. Die Riedländer hatten ihn sich bereits geschnappt, und wenn wir nicht sofort losgingen, würden sie es an sich reißen und damit unsere Pläne durchkreuzen. Die Zeit der Verstohlenheit war vorbei, wir rüsteten uns in voller Kampfmontur samt Plattenpanzer und Rundschild. Und wie recht wir hatten - denn gerade als wir unseren Turm verließen regnete es Felsbrocken vom Himmel, die mit voller Gewalt auf den zivilen Marktplatz herabregneten und hauptsächlich Gebäude und Bürger erschlugen. Die Revaniter hatten ihre Belagerungsgeräte fertig gestellt und damit die Eroberung der Stadt Aironia eingeläutet.

Glockenschläge hallten schrillend durch die Stadt, Bürger drängten sich panisch durch die engen Gassen oder beklagten ihre Verluste, während die gigantischen Felsen weiterhin erbarmungslos alles in ihrem Wege zerfetzten. Inmitten des Chaos vernommen wir vier Gestalten, die seelenruhig einen Mönch vor sich her peitschten. Keiner bemerkte, wie fünf bis auf die Zähne bewaffnete Solaner die Gruppe in Eiltempo verfolgte, während Holzsplitter und Staub von zertrümmerten Gebäuden auf uns herabregnete. Ihre Spur konnten wir bis zu einem verfallenen Kloster der Heiligen Domenika verfolgen, welches wir Minuten später stürmten. Die Tür wurde gewaltsam aufgestoßen, und mit gezogenem Schwert und Schild rückten wir voran, doch wir wurden bereits erwartet. Ein Meuchelmörder namens Annazir al-Fen, gesandt von den gefürchteten Assassinen im Kalifat Al'Bastra und der Buchhalter der Riedländer, Geoffroy de Plaisans. Allerdings kämpfte ich gegen keinen von Beiden, ich bekam den Kampf nicht einmal mit. Denn ein Byakhee, welches sich an der Decke versteckt hatte, stürzte von oben lautlos auf mich herab, vergrub seinen Schnabel in meinem Leib und saugte mein besudeltes Blut aus meinem Körper. Meine von Skrettjah gegebene Kraft schwindete immer mehr, während meine Ordensbrüder in einem verzweifelten Kampf gegen die Beiden Riedländer festsaßen. Von Noffo Dei war keine Spur mehr. Meine Hoffnung hieß Salvyro, der in der Stunde der Not über sich hinauswuchs und zuerst dem Byakhee den Kopf abtrennte und anschließend den mit vergifteten Krummdolchen kämpfenden Assassinen schlachtete, während der Buchhalter ein leichter Gegner für Jule und die gerettete Amelie war und schnell erschlagen wurde.

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Ich hatte nur noch wenig Kraft in meinen Muskeln und Knochen übrig und musste von Jule in das Innere des Klosters gestützt werden. Raphael öffnete einen hinter einer Steinwand verstecken Geheimgang, der in einen miefigen, steinigen Keller führte. Wir hörten bereits die Stimmen von Guillaume, Antoine und Adronikus, die um das Nekromonikon stritten. Adronikus beteuerte, dass es hinter den Augen der Sterne zu finden sei, doch die Riedländer wiesen seine Worte als gesprochenen Wahnsinn ab. In einem Versehen stoß Adronikus eine Öllampe um, welche die vielen Bücher der Domenikaner in Flammen aufgingen lassen und den Raum schnell in eine Feuerhölle verwandelte. Aus Hass stieß Guillaume ihn in eine Grube voller Schlangen, wo Adronikus schließlich sein Ende fand - Antoine drehte sich um, denn er hatte uns gehört, und warf Raphael einen Dolch mitten in die Brust, welcher sofort kollabierte. Guillaume verbrannte Salvyro mit unheiligen Flammen, der neben mir niederging, während ich durch das Einatmen der vielen Rauchgase das Bewusstsein verlor. Jule und Amelie zogen uns schnell nach oben, während die Riedländer in den Flammen ihr Ende fanden. Doch der Prior erkannte die wahre Bedeutung hinter den Worten von Adronikos, während er um sein Leben kämpfte. Auf dem steinernen Ornamentboden des Klosters war eine Sternenkarte abgebildet worden. Ein großer Stein war lose, und unter diesem fanden wir endlich, wonach wir so verzweifelt gesucht hatten. Der vielleicht berüchtigste Text, der mit den Alten Kulten assoziiert wird. Allerlei Abschriften wurden versucht in Umlauf gebracht zu werden, doch die Kirche vernichtete fast sämtliche Werke. Der kalifatische Autor und Archäologe Abdul Alhazred verschwand nach seiner Verfolgung spurlos und gilt als verschollen. Mancher behauptet, der völlige Wahnsinn wäre über den Mann hereingebrochen und unsichtbare Kreaturen hätten ihn am helllichten Tage in der Luft zerrissen, doch die Wahrheit ist, dass wir ihn gefunden und ermordet hatten. Es ist ein immenses Kompendium, das fast alle Aspekte der Metamythologie berührt und als Nachschlagewerk zu den meisten unheiligen Themen taugt, einschließlich Schaubildern und Sternenkarten.

Noffo Dei stand schließlich wieder vor der Gruppe. Er brachte uns Verletzten in eine Heilstube der Kalifaten, die uns mit ihrer modernen Medizin notdürftig versorgten. Er gab zu, dem Kampf nicht beigewohnt zu haben, da er dort wohl nur hinderlich gewesen wäre. Ungeduldig forderte er das Buch sofort, doch die Ritualformel musste noch gesichtet und abgeschrieben werden. Aus selbstsüchtigen Gründen überließen wir diese Arbeit Bruder Karl, und zu unser aller Erstaunen lernte er viel, während er sich diesem abscheulichen Werk widmete und schien seine geistige Schlagkraft nicht eingebußt zu haben, wenn er von nun an auch sehr kryptisch sprach, ernst wurde und mit keiner Geste mehr den naiven, lernbegierigen Medikuslehrling aus dem Kloster Melissengespenst darstellte der er vorher war. So schickten wir Noffo Dei mit dem Nekronomikon auf seinen Weg, im Wissen, dass die Domenikaner gut darauf aufpassen würden. Der Angriff auf die Stadt Aironia war ein vollkommener Fehlschlag. Übermütig gab Adhemar von Silvarsteed den Befehl zum Angriff und ließ die Kreuzritter auf die Mauern der Stadt losstürmen. Doch die Zwischenfälle häuften sich:

Die Katapulte schossen völlig über das Ziel hinaus und trafen weder Stadtmauer noch Verteidigungstürme, die brennenden Projektile zerschlugen inmitten der Wohnhäuser am Marktplatz des Stadtkerns und verfehlten damit völlig ihre Funktion. Die fassungslosen Revaniter vermuteten Sabotage und ließen als nächsten Versuch die Rammböcke an die Stadtmauern vorfahren. Allerdings schienen die Bogenschützen der Kirche des Lebenden Gottes gewappnet und begonnen in Heerscharen den Gegenangriff. Bevor die Belagerunsgerätschaften die Mauern erreichen konnten, wurden sie mit Pech überschüttet und in Brand gesteckt. Die überforderten Kreuzritter wagten einen letzten Versuch und begannen mit einigen Leitern die hohen Mauern zu belagern. Die meisten der mutigen Kämpfer stürzten zu Tode oder wurden von Pfeilhageln durchbohrt, nur Wenige schafften es zu den Zinnen vorzudringen und dort in einem blutigen Gemetzel um ihr Leben zu schlachten. So rief Raimund IV. von Kreuzburg seine Solaner als Erstes zurück, um eine völlige Niederlage vorzubeugen und nicht alle seine Männer in einen grausamen Tod zu schicken. Etwas später ließ auch endlich Bohemund de Corastella seine Mikaelaner zum Rückzug anschicken, machte dafür aber auch den deutlichen höheren Mannsverlust. Am Allerschlimmsten traf es allerdings die Revaniter und ihren Feldherrn Adhemar von Silvarsteed. Adhemar konnte nur tödlich verwundet geborgen werden. Gerüchte kursierten, dass es wohl die große Schmach um seine angehimmelten Gerätschaften waren, die ihn dazu gebracht haben mussten, leichtfertiger mit seinem Leben umzugehen. Die Hundert Riedländer, die komplett ohne Kopf agieren mussten da ihre oberste Befehlsebene unauffindbar war, schlossen sich unorganisiert und planlos dem Angriff auf die Zinnen an und wurden restlos ausgelöscht.

Wir hatten, was wir brauchten, unsere Mission war ein Erfolg. Sogar wenn wir den Fluch des Wolfsteufels nicht brechen konnten und hier verenden würden, war das Nekronomikon in sicheren Händen und konnte Drevin retten, falls wir scheitern sollten. Nachdem wir versorgt wurden, flüchteten wir schnell aus dem Tor der Riedländer, bevor die anderen Kreuzfahrer bemerkten, dass diese vernichtet wurden und es belagern würden. Unser Ziel war es nun, die Felsenkirche im Hinterland von Szemää zu finden, den Ursprung des verfluchten nostrischen Schmuckes und hoffentlich dort auch eine Möglichkeit, diesen Fluch zu brechen. Der Hunger auf Menschenfleisch wurde von Tag zu Tag, an denen ich gerastet hatte, schlimmer, weswegen wir zügig aufbrachen. Und doch war es immer noch erst der Beginn unserer schlimmsten Verbrechen, die wir gemeinschaftlich als Orden des Heiligen Sôlerben begingen, für die Rechtschaffenheit des Obersten aller Zwölf Heiligen und dem Allvater Deyn Cador. Was wohl schlimmer wäre? Wenn wir für all unsere Schandtaten vom Herrn auf das Schlimmste bestraft werden, oder sie ihm schlicht und ergreifend egal sind, da das Endergebnis stimmen würde? 

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#18
Heilige Kreuzzüge III. - Die Halle der Sünden - Regenmond 1346

Wir machten uns auf das namenlose kleine Dorf zu suchen, in dessen Nähe sich die Felsenkirche, der Ursprung des verfluchten nostrischen Schmuckes, befinden sollte. Der wahnsinnige Kannibale Fulbert, der seinen eigenen Bruder verspeiste und dafür von Bischof Berengar in ein Loch geworfen und baldigst hingerichtet wurde, stotterte, dass dieses sich drei Meilen südlich und dann zehn Meilen östlich von Aironia befinden soll. Doch währenddessen ist viel passiert, sodass wir in der Nähe des Marktplatzes, außerhalb der Stadtmauern, in einem einsamen Ruderboot im Fluss dümpelnd eine alte Hure aufsuchten, die ihre ehemalige Profession an den Nagel hing um nun vor allem mit Informationen zu handeln. Sie war als Silla die Eule bekannt, eine alternde Nostrierin, welche aus unerfindlichen Gründen sich dem Volkskreuzzug angeschlossen hatte. Auch sie konnte uns den mutmaßlichen Standort der Felsenkirche bestätigen, da sie wohl mitbekommen hatte, wie der Söldner Jerome le Rouge mit Fulbert und kostbaren Schätzen in den Armen zurück zum Heereslager gefunden hatte, unwissend von all dem Leid, das diese Schätze bringen würden. Ich und Raphael waren noch immer schwer verwundet und wurden in dem Karren gezogen, beide trugen wir schlimme Brustwunden in uns, die Karl allerdings stetig säuberte und mit neuen Verbänden versorgte, sodass unsere Heilung stetig voranschreiten konnte, während wir die Tage über nach der Felsenkirche suchten. Amelies Wunden waren schon wenige Stunden nach dem Angriff geheilt, dank ihres grünlich schlammigen Blutes.

Mehrere Dörfer lagen entlang des Weges, welche einigermaßen ertragreiche Felder in breiten Tälern bewirtschafteten. Kleine Bachläufe aus den umgebenden Bergen, die zur Frühjahrszeit ordentlich Wasser trugen, wurden in Bewässerungsgräben verteilt. Die Häuser waren größtenteils aus Backsteinen und Lehm errichtet und außen mit weißem Kalkstein verputzt gewesen, viele von ihnen waren gänzlich verlassen. Die Bewohner sind wohl vor den Kreuzzüglern geflüchtet, welche stetig die umgebenden Dörfer nach Nahrung abgrasten und dabei weiß Deyn welche Verbrechen noch begingen. Die Bewohner, die geblieben sind, lebten voller Angst im Herzen und litten an dem selben Hunger wie alle außerhalb der Mauern Aironias. Sie klagten, dass ihre Nahrung und manchmal auch junge Frauen von den Kreuzzüglern eingefordert wurden - aber auch von Soldaten des Kalifat Al'Bastras, welche in dieser Gegend ihr Unwesen treiben sollten. Nach einem knappen Tagesritt erreichten wir schließlich den von Fulbert beschriebenen Weiler, oder das, was von ihm übrig war. Überall in den Straßen und auf den Feldern lagen tote Dorfbewohner und totes Vieh - dazwischen zwei tote Kreuzritter, doch sie alle hatten dieselben, tiefen Fleischwunden, als ob sie von einem Tier gerissen worden wären, dieselben Wunden wie die der gemetzelten Pilger im Heereslager. Allerdings verwesten diese Körper bereits, und eine Schar an struppigen Mönchgeiern machte sich bereits über ihr gammelndes Fleisch her - sie flatterten aufgebracht umher, als ob sie etwas aufgescheucht hätte.

Als wir uns dem Dorf näherten, sahen wir am Horizont vier nicht identifizierbare Reiter. Sie standen still auf einem Hügel und bemerkten unseren Karren und machten Anstalten, näher zu kommen. Naiverweise riefen wir sie an, da zogen sie ihre Bögen und eröffneten das Feuer auf uns, denn dies waren in Wahrheit Rukkub el'Caus, Kalifatische Kavalleristen, welche die Gegend ausspähten. Doch als Drei von uns in Plattenpanzer samt Rundschild und Bogen den Wagen verließen um den Kampf aufzunehmen, schienen sie kein Gefecht riskieren zu wollen und zogen sich zurück. Ein in Kettenrüstung gekleideter Mann, der das Deynkreuz als Waffenrock trug und plötzlich in den Straßen des Weilers erschien, machte Anstalten, den Kalifaten hinterher zu jagen. Wir konnten ihn aufhalten, auch wenn sein Blick verriet dass er den Verstand schon seit längerem verloren haben musste, erhörte er uns. Sein Gang war buckelig und leicht gekrümmt, die Arme hingen schlaff am Boden herab und die gepanzerten Handrücken streiften apathisch den steinernen Boden, offensichtlich war auch er dem Fluch des Wolfsteufels erlegen. Die Worte die er stammelte passten zu seinem Aussehen, sie waren voller Wahn und kehligem Gestammel, ähnlich wie bei Fulbert. Er sprach von jemandem, der von der Hölle ausgespien wurde und der in der Nacht wütete. Er sah in seine schrecklichen, gelben Augen, laut ihm der Antlitz des Teufels; Augen wie glühende Kohlen, dann riss er alle entzwei und bedeckte die Welt mit Blut. Offensichtlich musste er ein Wegbegleiter von Fulbert und Jerome le Rouge sein, der das Massaker im Feld überlebt hatte und dennoch nicht ins Heereslager zurückging wie seine Zwei noch lebenden Kameraden, nachdem sie die Felsenkirche geplündert hatten.

Allerdings konnte er sich auf jene angesprochen erstaunlicherweise gut an den Weg zur Felsenkirche erinnern. Seine Augen glänzten wie in religiösem Wahn als er unentwegt von Schätzern und Reichtümern brabbelte während er uns durch ein Labyrinth tief eingeschnittener Schluchten führte. Drei Meilen ging der Weg an gähnenden, finsteren Klüften vorbei, bevor der Pfad sich schließlich mehr und mehr in die Höhe windete und schließlich so schmal wurde, dass wir Karren samt Pferde mit Anna und Karl zurücklassen mussten, die auf diesen aufpassen würden. Danach musste man sich im Gänsemarsch an einem Steilhang entlangtasten, wo an einer Stelle Amelie auf die halbtierischen Fußabdrücke des Wolfsteufels entdeckte, welche in die entgegengesetzte Richtung führten. Endlich erreichten wir den Höhleneingang, welcher in der Form eines Säulenportals aus der glatten, steilen Felswand gehauen wurde. Drinnen empfing uns eine wohltuende Kühle, aber auch eine strenge Duftnote, die an einen Pferdestall erinnerte. Wir sahen viele Tunnel und Räumen dieses Felsentempels, die mit großer Handwerkskunst in den weichen Sandstein gehauen worden waren. Vielfach waren die Wände verziert, doch die Farben vergangener Zeitalter waren längst verblasst und viele Ornamente und Wandmalereien bröckelten bereits von der Oberfläche ab. Godefrey jedoch stürmte laut lachend in dem Moment davon, in dem wir den ersten Fuß in die Höhle gesetzt hatten, laut und johlend nach "Seinem Schatz" rufend, und ließ uns am Höhleneingang alleine stehen. Dort ragten links und rechts klobrige, etwa dreißig mal dreißig Zentimeter große Vorsprünge hervor, die an zeremonielle Becken erinnerten. Dürre, weitgehende abgestorbene Dornenranken hinten in den rissigen Wänden und der halbrunden Decke, in einer Ecke hatten frühere Besuche einige ausgetrocknete Wasserflaschen und Körbe zurückgelassen.

Links fand man eine gestreckte Kammer, in der um die zwanzig Löcher eingelassen waren, welche jeweils einen Durchmesser von vierzig Zentimeter hatten und rund zwei Meter in den Fels hineinragten, doch welche Bedeutung sie hatten war unschlüssig. Es öffnete sich ein Gang, in der wir leere Räume fanden mit Überresten von Tonbehältern und hölzernem Mobiliar. Dem runden Gang folgend fanden wir eine Art Kapelle oder Gebetsraum, von der nichts mehr erhalten blieb außer steinernen Bänken am jenseitigen Ende der Halle. Aus einem gemauerten Podest erhob sich eine spröde, rissige Holzstatue, die bei genauerem Hinsehen als Martha erkannt wurde, die Frau von Jakobus dem Hühnerzüchter, dem ersten Propheten Deyn Cadors. Es war verwunderlich, dass jemand eine Statue von ihr errichten und sie anbeten würde, gab man ihr doch allgemein die Schuld an dem plötzlichen Verschwinden von Jakobus, was noch Heute als eines der größten Rätsel des Glaubens gilt. Erst als wir die Holzstatue umrundeten erkannten wir einen hölzernen Dolch, der in ihrem Rücken steckte und blutrot angemalt wurde. Seltsamerweise schien uns erst der Anblick des Dolches ins Wanken gebracht zu haben, er wirkte ungewöhnlich vertraut und doch leicht abstoßend auf uns, wie ein Trauma aus der Kindheit das aus dem Kontext gerissen wieder ins Gedächtnis gerufen wurde. Das selbe Motiv fanden wir in der Mitte der kreisrunden Gänge, einer runden Kuppel mit etwa sechs Metern Höhe. Dort fanden wir zahlreiche Wandmalereien, welche den Verrat Marthas an Jakobus porträtierten. Doch in dieser Version stach Martha mit einem langen Messer in blutroten Farben auf Jakobus ein - offensichtlich waren die Erbauer dieser Höhle sich sicher, dass Martha Jakobus ermordet haben musste, und beteten sie aus unerklärlichen Gründen dafür an. Das Bodenmosaik stellte einen finsteren Abgrund dar; einen Tunnel, der ins Nichts führt.

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Nachdem wir die meisten Räume der Kirche erkundet hatten fanden wir uns vor dem Eingangstor einer Kammer wieder, über der auf altsorridianisch "Martha-Martyrium" stand. Die Kammer selbst war kahl und leer, zudem war es fröstelnd kalt. Sie verengte sich immer mehr zu einem schmalen Tunnel, während Boden, Wände und Decken immer mehr mit menschlichen Knochen geradezu tapeziert wurden. Auf dem Boden lagen scharfkantige und spitze Knochensplitter, die jedoch vorherige Besuche zur Seite gefegt hatten, sodass ein gerader Pfad durch den Knochenteppich entstanden war. An den Wänden und der Decke waren die Knochen in einer Masse aus klebrigem Lehm eingearbeitet - Schädel ohne Unterkiefer starrten uns vorwurfsvoll entgegen, Unterarmknochen mit sorgsam befestigten Händen schienen uns packen zu wollen. Alles deutete darauf hin, dass wir auf garkeinen Fall vorangehen sollten, und dennoch hörten wir das irre, hallende Lachen von Godefrey, das aus dem Gang vor uns kam und uns dazu brachte, weiterzugehen. Welcher Hunger und welche Gier war so fürchterlich, dass fünf Söldner diesem Weg dennoch folgten, in der Hoffnung auf Nahrung? Die Verzweiflung musste immens gewesen sein. Am Ende dieser Halle fanden wir eine Steinplatte, welche aus der Wand gerissen wurde und wohl beim Aufprall auf dem Boden in drei Teile zerbrach - sie passte haargenau zum engen Durchlass, der in eine natürliche Höhle führte. "Verfluchter Sünder, Mörder, Blender. Bischof der Sünden, Jünger der Verräterin. Mögest du Leiden in Höllenqualen und Seelenpein. Büßen für deine Untaten und Umtriebe. Möge diese Halle dein Tartarus sein."  Diese Worte konnte Amelie entziffern und Raphael als eine Art deynistische Bannformel erkennen, die jemand eingemeißelt hatte, um ein großes Übel festzuhalten. Le Rouge hatte es geschafft, den Bann zu brechen, indem er die Tafel närrischerweise umwarf.

Der Tunnel, der sich vor uns erstreckte, windete sich etwa zwanzig Meter in den Berg hinein. Der Gang schien natürlichen Ursprungs, war aber so klein, dass man sich nur gebückt und hintereinander hindurchbewegen konnte. Mit meiner überragenden Statur drohte ich oft, zwischen den kühlen Steinritzen stecken zu bleiben, doch meine Ordensbrüder konnten mich schiebend an das Ende befördern. Unser Blick fiel in eine riesige Höhlenkammer, gut dreißig Meter im Durchmesser. Im Schein unserer Fackeln glitzerten die Wände nachtschwarz, wie von jahrhundertealtem Ruß bedeckt. Der Boden der Höhle entsprang einem Albtraum: Überall lagen menschliche Skelette herum, teils gut erhalten, teils zersplittert oder mutwillig zertreten. Die schwarzen Wände ringsum erinnerten uns an das Reich Skrettjahs; sie waren behauen in Form und Muster von Brustkörben und Schädeln, dämonische, übergroße Teufel, gebannt in den blasphemischen Felsen. In der Mitte des Höhlendoms klaffte ein etwa zwölf Meter durchmessendes rundes Loch im Boden, und daraus erhob sich eine seltsame Felsnadel, gehauen wie ein Schwert. Eine schmale, hölzerne Brücke führte vom Rand des Lochs auf die Querstange des "Schwertgriffs" und von da ab führte eine steile Treppe rings um den "Griff" hinauf bis zum obersten Punkt der Felsensäule. Dort oben kam man der kuppelartigen Decke so nah, dass man sie mit der ausgestreckten Hand berühren konnte. Von dort oben erkannte man, dass die Kuppel feine Rillen aufwies, die die Form eines kruden, schiefen Pentagramms ergaben. In der Mitte des Pentagramms und somit direkt über der "Schwertsäule" wurde ein Auge eingraviert, ein höhnisch blickendes, starrendes, dämonisches Unding. Ring um das Auge hatte jemand mit einer Mischung aus Blut und Exkrementen das Wort "Sünde" aufgeschrieben, immer und immer wieder, in allen bekannten Sprachen Leändriens.

Aus dem klaffenden Loch im Boden drang nach wie vor das irre Lachen Godefreys, begleitet von metallischem Klirren und Klimpern. Dieses erreichte man über eine wacklige Leiter aus verknoteten Steilen, die von Jerome stammen musste. Der Boden des Lochs war benetzt von einer faustdicken Schicht klarem Wassers, aus welcher Knochen und goldfunkende Schmuckstücke hervorragten, welche Godefrey hastig versuchte aufzusammeln, auch wenn sie ihm immer wieder aus den Armen fielen. Doch das klare Wasser war eine Lüge, wer versuchte, es zu trinken, hatte nur weißen Staub zwischen den Zähnen, und wer versucht es in die Hand zu nehmen dem verflüchtigte es sich zwischen den Fingern bevor es die Lippen berühren konnte. Er ließ sich unter keinen Umständen von seiner Wahnsinnstat abhalten, weswegen wir ihn gewaltsam festhielten, fesselten, aus dem Loch holten und an die Wand setzten. Dort fiel uns eine Wandnische auf, von der Godefrey erzählte, dass dort eine uralte, ledrige Leiche kauerte. Wohl ein grausames Ding, bedeckt mit schwarzen, struppigen Haaren und in eine Art Toga gekleidet, aber nun sei es verschwunden. Während wir versuchten, mehr aus ihm herauszubekommen, kam es zu einem fatalen Unglück. Wir vernahmen laut und deutlich einen schweren Schlag, als aus dem Tunnel zum Martha-Martyrium ein Stein in die Kammer rollte. Noch ein Schlag, und ein zweiter Stein rollte hinterher, bis es schließlich zu einem ohrenbetäubenden Getöse kam. Der Boden zitterte, der Felsen ächzte. Staub schoss mit Hoher Geschwindigkeit in die Halle und verteilte sich überall - man musste kein Wahrsager sein, um erkannt zu haben, dass gerade der Tunnel eingestürzt war und wir in der Halle der Sünden gefangen waren.

Die Starken unter uns untersuchten den Ausgang und versuchten, ihn freizuräumen, hatten aber schnell erkannt dass die Steinbrocken schlicht und ergreifend zu massiv und zu viele waren. Selbst wenn sie es versuchten, wären ihnen in wenigen Stunden die Fackeln ausgegangen, weswegen wir einen anderen Fluchtweg suchen mussten. Wir tasteten jede Wand ab, drehten jedes Schmuckstück zwei mal um, versuchten, das Pentagramm zu aktivieren - welche Ideen auch immer unserem verzweifelten Verstand entsprang. Godefrey saß noch immer gefesselt und mit dem Rücken zur Wand, erbärmlich bettelnd, dass er endlich wieder zu seinem Schatz gelassen wird. Doch es brachte nichts. Das keinerlei Maßnahme uns irgendwie weiter zu helfen schien, nicht einmal meine universell anwendbare, brutale, körperliche Gewalt, trieb mich zu einer trotzigen Weißglut. Während die letzten Fackeln erloschen hörte ich nicht auf, Stein für Stein umzuräumen, um mich der Realität unserer Situation nicht stellen zu müssen. Der letzte Laib Brot, den wir noch hatten, wurde kameradschaftlich geteilt, doch den Durst konnte es nicht stillen. Erst jetzt verstand ich die Grausamkeit der Illusion um das Wasser in der Grube, das zu Sand wurde wenn man es trinken wollte. Die Dunkelheit war allgegenwärtig, kein einziger Sonnenstrahl brach durch das Gestein hindurch um uns einen Hinweis auf die Tageszeit geben zu können. Und so verloren wir auch rasch das Zeitgefühl, während unsere Gespräche abebbten und die Fluchtversuche eingestellt wurden. Irgendwann hatten wir schlicht und ergreifend keine Kraft mehr, um unsere Sünden durch konstante Ablenkung im Zaum zu halten. Wir konnten kaum noch einen Finger heben oder ein Wort sprechen, doch unser Verstand schien gerade erst zu erwachen. Wie viele Stunden, Tage oder Wochen bereits vergangen waren, konnte keiner mehr sagen. Zwischen dem Schlaf und dem Wachsein schien keine Grenze zu sein, es machte auch keinen Unterschied mehr. Unsere Geister, unsere Vergangenheit, unsere Wahrnehmung - unser ganzes Dasein wurde in der Halle der Sünden eins.

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Als wir unsere Augen öffneten, spürten wir die lang verloren gegangene Wärme in unserem Körper. Wir waren wieder voller Kraft, gut genährt und nur leicht durstig. Aufrecht saßen wir einem Feldzelt, Sonnenstrahlen fielen hindurch und spendeten uns Licht. Obwohl wir unsere geliebte Heimat, Patrien, wiedererkannten, wussten wir dennoch, dass wir in keiner ungefährlichen Lage waren und unsere Pflicht zu erfüllen hatten, denn hier herrschte Bürgerkrieg nach dem Zerfall des Sorridianischen Reiches. So traten wir hinaus, in der Rüstung des Ordens des heiligen Mikael zu Patrien, wo wir in einer Linie mit zwei Rekruten im Hab Acht standen, um Befehle von Bohemund de Corastella, unserem Mikaelaner Feldherren, entgegenzunehmen. Als geprüfte Ordensritterin bekamen wir die Verantwortung dringend benötigte Medizin in ein Heereslager zu eskortieren. Auch bekamen wir das erste Mal die Befehlsgewalt über die beiden Anwärter übertragen, eine Welle von Stolz und Verantwortung überkam uns. So marschierten wir, lange, und das trügerische schöne Wetter ließ uns nach Stunden unaufmerksam werden. Hinter einer Böschung sprangen verzweifelte, fallicische Separatisten hervor, welche unsere Schützlinge abschlachteten und alles in Blut tränkten. Wir konnten nur zusehen, wie das Leben aus ihnen wich, wie die Schuld an ihrem Tod uns übermannte und wir sie in unseren Armen hielten. Doch das Blut floss gnadenlos weiter, als der Schock uns in den Knochen saß und die Sünde sich über die Seele von Amelie de Broussard legte. Wir verspeisten sie, bis nichts mehr von ihnen übrig war.

Wir eilten durch die Felsenhöhle. Wir wurden gejagt, Angst und Panik breitete sich aus. Schreie ertönten, hallten verzerrt durch die Höhlen. Wir drehten uns um, warfen einen Blick auf unsere Verfolger - es waren hoch gerüstete, sorridianische Paladine im Plattenpanzer, gerüstet mit ihren bekannten, tödlichen Großhämmern. Wo auch immer sie auf unsere Kameraden, einfache Menschen in Kutten, trafen, wurden diese niedergemetzelt, als Marthajünger verdammt und ihre Leichname bespuckt. Obwohl sie Sorridianisch sprachen, verstanden wir sie alle sehr gut, und wir wussten, dass auch wir von ihnen gemetzelt werden, denn auch wir waren Marthajünger. Wir flüchteten immer tiefer in die Höhle hinein, während einige von uns in Sackgassen liefen und dort von lauernden Paladinen abgeschlachtet wurden. Im Schutze hinter den Paladinen erkannten wir einen jungen Priester, einen bärtigen, dicklichen Genossen der den Angriff anzuführen schien, er wurde mit Babylas angesprochen. Auf seinen Befehl hin wurden wir zusammengetrieben, bis zu dem Tunnel mit dem Teppich an Knochensplittern, worüber wir gestolpert sind. Wir flüchteten zu unserem geistigen Oberhaupt, dem Sündenbischof, welcher gehüllt in weite, weiße Gewänder war, die das rote Zeichen des Schwertes aufwiesen. Sein Gesicht war ebenso verhüllt, aber seine langen, knochigen, in messerscharfe Nägel mündende Hände ragten unter seiner Toga hervor. In einer kehligen, zischenden Stimme befahl der Bischof den Rückzug und so flüchteten wir in eine große, dunkle Kammer.

Mit dem Rücken zur Wand saßen wir in einer kühlen, gepflasterten Gasse. Lumpenhafte Kleidung trugen wir an unserem jungen Körper, ungewaschen und hungrig starrten wir in den wolkenverhangenen Himmel. Zwei Kinder saßen neben uns, und allesamt hielten wir uns den Bauch. Seit Tagen hatten wir nichts mehr im Magen, und uns war bewusst, dass wir bald wieder stehlen müssten wenn wir nicht verhungern wollten. Die kleine Hanna bettelte uns an, doch etwas zu besorgen, was wir nicht verneinen konnten. Und so erhoben wir uns in die geschäftige Hauptstraße hinaus, überall Banner der flammenden Sonne wehend, und weit erhoben über die Steinhäuser die monumentale Tempelfestung Zandigs auf dem heiligen Berg Londanor in Kurmark. Doch Heute fühlten wir uns nicht danach, zu stehlen, weswegen wir bettelten, doch vielerorts ernteten wir nur hasserfüllte Blicke. Einzig der Bäcker Jürgen, von dessen Stand wir oft in der Not gestohlen hatten, bot uns gütig lächelnd frisch gebackenes Brot und Zimtstangen an, mit dem Finger wehend, dass wir ja mit den anderen Kindern teilen sollten, dies war seine Bedingung. Wir weinten fast vor Freude, solche Güte wurden wir sonst nur in Speisungen des Solaner Orden teil, und so eilten wir zurück zu unseren Freunden und präsentierten stolz den duftenden Korb. Wir konnten gar nicht so schnell schauen, da hatten sie schon gierig die Stangen und das Brot im Hals. Gerade als wir selbst das Brot brachen, hielt Anna sich den Bauch, wurde kreidebleich und begann, roten Schaum zu würgen. Versteinert standen wir da, während die Beiden in ihrer eigenen, blutigen Kotze verendeten. Bäcker Jürgen schmunzelte ruhig und sprach unbekümmert davon, dass man Ratten nur mit Rattengift bekämpfen kann. Die Sünde befleckte die Seele des jungen Friedrich Ziethen, und der Hunger wurde nur umso stärker. Das Gebäck konnte man nicht essen, deswegen aßen wir Hannah.

Das Herz schlug laut und häuftig in unserer Brust. Eng einen Korb mit fatalem Inhalt an unsere Brust drückend öffneten wir die Türe. Dort lag er, alt, schwach und nach einem furchtbaren Ereignis bewusstlos in seinem königlichen Bett. Eigentlich hatten wir vor, ihn mit den Tollkirschen die wir mitgebracht hatten zu vergiften, doch die Zeit drängte. Wir drückten ihm sein eigenes Kissen auf das Gesicht und warteten. Endlich war König Duncan tot, noch bevor er die Erbfolge ändern konnte, und wir könnten Königin werden, gemeinsam mit unserer wahren Liebe. Gerade wollten wir die Leiter zum Dachboden hochklettern, als unser machthungriger Ehemann, McBonnington und sein Widersacher und treuer Vasall Duncan's, McGerbsholm, die Tür öffneten. McGerbsholm rannte zum König und rüttelte an ihm, die Tollkirschen entdeckend während McBonnington uns mit zittriger Stimme ausfragte, was hier geschehen war. Doch noch während wir blinzelten, stand nicht mehr McBonnington vor uns, sondern Raphael. Sofort zog dieser seine Klinge und warf McGerbsholm hasserfüllte Flüche an den Kopf, aus dem Franz wurde. Die Beiden beschimpften sich auf das Übelste, ihre Stimmen wurden immer tiefer, knurrender und irgendwann bellten sie nur noch dämonische Töne, während ihre Augen gelb wurden und ihre Fratzen sich in wölfische Schnauzen verwandelten, bevor sie aufeinander losgingen und sich gegenseitig brutalst zerfetzten. Auf dem Bett lag nicht mehr der tote König, sondern Friedrich, den nicht mehr Lady McBonnington vergiftet hatte, sondern Jule. Endlich kehrte Stille ein, als unsere Ordensbrüder - und damit wir selbst - tot waren. Einzig und allein das geborene Kind, Elsbeth, weinte noch in den Armen von Jule Weber. Sie hatte endlich ihr Ziel erreicht, der royale Anspruch des Kindes würde durchgesetzt worden. Freudig bissen wir dem Kind den Schädel ab und verspeisten es mit Haut und Haaren.

In dem unterirdischen Kerker herrschte helle Aufregung. Die Gefangenen rüttelten an ihren Gitterstäben und verspotteten uns höhnisch johlend. Wir waren Wachsoldaten, mit Brustpanzer und Tunika, Helm und einem Gladius im Dienste Nostriens. Ein Oberbefehlshaber trat an uns heran und befahl uns auf nostrisch, nach einer geflohenen Gefangenen Ausschau zu halten. "Die Dorfbewohner haben sie an uns ausgeliefert. Sie sollte noch Morgen nach Montebrillo, zu ihrem Sohn, Kaiser Julianós, verschifft werden. Er möchte wohl wissen, warum sie es getan hat." Der Oberbefehlshaber schob missmutig die Mundwinkel nach unten. "Findet Martha die Verräterin!" Rasch eilten wir durch den Kerker, befragten die Gefangenen und scheuten uns nicht davor, sie zu foltern, wenn sie nicht herausrücken wollten. Sie sprachen davon, dass ein Offizier namens "Tantus" Martha abgeholt hätte. Als wir dies unserem Oberbefehlshaber meldeten wurde schnell klar, dass kein Offizier namens "Tantus" existiere! Wir verließen den Kerker und stießen in die kühle Abendluft Jeorginas hinaus. Wir irrten durch die Stadt, auf der Suche nach Hinweisen, bis ein zwielichtiger Esh'Ajen uns auf die Ackerfelder vor den Stadtmauern aufmerksam machte. Dort angekommen tauchte der Schein des Mondes die Äcker in ein silbriges Zwielicht. Ein runder Turm überragte unser Sichtfeld. Grauenvolle Fressgeräusche wie das Reißen von Fleisch und der Klang brechender Knochen schallte uns entgegen. Inmitten einer dunklen Lache aus Blut hockte ein Mann in nostrischer Kluft, über sein grausames Mahl gebeugt, bei dem sich nur um Martha handeln konnte. Als sich der Fressende gestört fühlte, hielt er inne, wand sich uns zu und funkelte uns mit bösartigen Augen an. Noch während er uns anstarrt, ging eine Veränderung in seinem Gesicht vor: Der Mann schrie erbärmlich, als seine Muskeln zuckten, sich seine Knochen verbogen und das Gesicht sich in eine hundeähnliche, hässliche Schnauze verwandelte. Er hielt sich eine blutrot glitzernde Klinge vor die Brust - dann huschte er in die Schatten davon.

Wir befanden uns in einem kühlen, steinernen Büro ohne Fenster. Eine weite, rote Robe ragend, die uns bis zu unseren Füßen ging, standen wir vor einer Frau in Soldatenuniform Tasperins, mit welcher wir aufgeregt diskutierten. Es ging um einen Mordfall, wieder einmal, den wir grandios gelöst hatten. Doch etwas stimme nicht. Laut unserer Beweisführung konnten wir eindeutig Korra Kylar als Schuldige ausmachen, doch wie so oft widersprach uns die weltliche Wachmannschaft. Warum wollten sie denn bloß nicht hören? Es war die Wahrheit. Doch jemand anderes hat bereits gestanden, Tarvin Ackermann. Er wusste jedes einzelne Detail, weswegen Hauptmann Sturm von seiner Schuld zweifelsfrei überzeugt war. Mord mag es zwar gewesen sein, dachten wir uns, doch hatte sie den schändlichen Esh'Ajen Myrio nicht aus gerechter Sache ermordet? Lahanna musste für den Mordversuch an ihm hängen, und so nahm sie es heldenhaft auf sich, dieses Übel zu entfernen. Sollte sie wirklich für soetwas an den Galgen müssen, wenn jemand anderes bereits dafür gestanden hat? Zweifel machten sich in unserem Geist breit. Kann das Gesetz wahre Gerechtigkeit bringen, wenn es nach Punkt und Beistrich befolgt wird? Wahre Gerechtigkeit kann ohnehin nur der Herr bringen. Doch sind wir gerecht, wenn wir eine Mörderin auf freiem Fuße herumlaufen lassen? Wir kennen und mögen sie doch schon so lange, sie war die Frau unseres zügellosen Paladins, der herumhurte und sogar versuchte, schändliche Magie zu wirken. Außerdem, wer hört schon auf uns, einen einfachen, silvanischen Priester aus Asmaeth in Weidtland, wenn die Exekutive bereits von der Schuld überzeugt ist? Schweren Herzens nehmen wir unser Notizheft und reißen die Seiten heraus, die Korra Kylar als Schuldige identifizierten und beschließen, für immer darüber zu schweigen. Und während Tarvin am Galgen baumelt, lächelt Korra Kylar, denn alles war aufgegangen wie sie es sich gewünscht hatte. Dank unserem Schweigen kann sie nun ein noch viel größeres Übel vollbringen, wir tragen Mitschuld an den Verbrechen, die sie nun begeht. Sünde legte sich über die Seele des jungen Raphael Bonnington, und um seine Tat zu vertuschen verspeiste er den noch baumelnden Leichnam des unschuldigen Tarvin.

Endlich waren wir wieder zuhause, in der Priorei auf Neu-Corethon. Meine geliebten Ordensbrüder und Schwestern, gemeinsam in der Heimat. Wir lächelten unter unserem Topfhelm, denn auch wenn die Anschuldigungen gegenüber die Angeklagte, die am Tisch neben Raphael saß, ernst waren, so konnten wir uns im Leben nicht vorstellen, dass auch nur ein Funken Wahrheit in Ihnen steckte. Sie? Eine Schwarzmagierin? Die Beweise waren lachhaft, dieses blonde Haar und die niedlichen blauen Augen können nicht lügen. Schwarzmagier sehen so gar nicht aus, ja, ganz bestimmt. Aber gut, Pflicht ist Pflicht, deswegen ziehen wir unseren altehrwürdigen Anderthalbhänder, mein verlängerter Arm der Gerechtigkeit, der alles Übel Skrettjahs vom Antlitz Athalons bannen kann. Salvyro, der gute Junge, stand entspannt im Türrahmen, wir drehten uns noch um und mahnten ihn, ja aufmerksam zu sein, denn jetzt könne er was lernen. Wir wickelten meinen Rosenkranz um die leicht bläulich schimmernde Celestiumklinge und rieben sie mit Weihwasser ein. Ruhig erklärten wir Diana, dass sie jetzt nur noch ihr Blut auf die Klinge tropfen müsse. Wenn das Blut ganz normal auf der Klinge bleibt, würde ihre Unschuld bewiesen sein. Einfach, nicht? Ich legte die Klinge fahrlässig auf den Tisch, vor sie hin. Sie lächelte, ich forderte sie auf, sich einen kleinen Schnitt am Finger zu machen, doch ich würde das übernehmen wenn sie das nicht könne. Sie lächelte weiterhin und sprach kein Wort, sie starrte mich nur an. Ich lächelte verwirrt zurück. Sie nahm den Anderthalbhänder am Griff, schob den Stuhl zurück und erhob sich. Das Lächeln auf ihrem Gesicht wich nicht. Sogar als sie mein eigenes Schwert in die Brust von Raphael rammte, hörte sie nicht auf, zu Lächeln. Ein unfassbar gequältes Schreien ging durch die Priorei, Salvyro stürmte unter Tränen nach vorne und schlug ihr den Schädel ein. Irgendetwas brüllt er, als er uns anschaut, doch bei uns war Stille. Kein Wort drang durch. Wir schauten einfach nur zu, als Raphael immer mehr Blut verlor. Ersthelfer versuchten, ihn zu retten. Sinnlos. Er war tot. Ich hatte nicht einmal versucht, ihn zu retten. Ich konnte nicht. Ich hatte keine Kraft. Erst, als er aufgebahrt in der Kirche lag, fand ich meine Kraft wieder. Wir, Franziskus Maximilian Gerber, verspeisten meinen geliebten Prior, den ich fahrlässig getötet hatte, und fanden dadurch meine neue Kraft und meine Bestimmung. Die Zwölf Prüfungen begonnen. Der Tartarus für meine Todsünde.

Erneut waren wir in Kriegerkluft gekleidet, doch dieses Mal trugen wir Leinenrüstung altnostrischer Herkunft sowie Speere und Bronzeschwerter. Um uns herum tobte das Chaos. Bis zu den Knien standen wir in einer Masse zähen, schmatzenden Blutes. Todesschreie und erbärmliches Winseln hallte von kalten Mauern und Säulen wieder. Das Lodern gigantischer Feuer taucht die umgebenden Paläste, Tempel und Straßen der unbekannten Stadt in ein höllisches Feuer. Von weit her klang Kampflärm an unsere Ohren. Unweit von uns entfernt spielte sich ein Massaker ab: Ein Mann in der Tracht eines adligen Nostriers schrie Worte einer unbekannten Sprache, die eher an kalifatisch als nostrisch erinnerten. Immer wieder zuckte sein rechter Arm nach unten, und mit einer blutrot gefärbten Klinge stach er auf einen Berg von Leichen ein, die in ähnlicher Tracht wie der Wahnsinnige gekleidet waren. Plötzlich hielt der Schlächter inne. Etwas hat sich verändert - in den bitter metallischen Geschmack des allgegenwärtigen Blutes mischt sich ein fauliger Hauch. Schwarze Schwaden stiegen auf und waberten über den stockenden Blutfluss. An einer Stelle zogen sich die Schwaden zusammen, formten sich zu einer menschenähnlichen Gestalt. Ein grausiges Wesen nahm Form an: Der Kopf eher hündisch, die Haut ledrig und von Schimmel überzogen. Die groben Arme baumelten wie bei einem Affen herab. Gekleidet war die Kreatur in der Weise der alten Al'Mashriqer. Langsam näherte sie sich dem Mann auf dem Podest. Der hielt nun in seinem Wüten inne und rief. 

"Hüter der Unterwelt, gegrüßt seid ihr! Inubas! Gegrüßt seid ihr! Taggoob! Gegrüßt seid ihr, Scharonien, Wächter über den Hedas! Ich unterwerfe mich euch!" Die Kreatur grollt: "Warum hast du mich gerufen, Menschenwurm?" Er antwortete: "Ich bitte Euch nur um eines: Holt meinen Sohn Pelops, den ich tötete, aus Eurem Reich zurück! Er hat den Tod nicht verdient. Nehmt mich an seiner Stelle." Nachdenklich wog das Wesen den unförmigen Kopf. "Du sollst deinen Sohn wiedersehen. Aber zuvor musst du dich von deinen Sünden reinigen! Du hast nicht nur das Leben deines Sohnes auf dem Gewissen. Wie ich sehe, hast du das Ritual des Kochenden Blutes durchgeführt. Du hast dein ein eigenes Volk abgeschlachtet, König Tantalos! Hast tausendfachen Mord begangen!" Nun kauerte der König winselnd vor der Hundekreatur nieder. "Wie kann ich meine Sünde ungeschehen machen?" Das Wesen trat einige Schritte vor und ergriff den Dolch, den Tantalos noch immer in den Händen hielt. "Nutze die Blutklinge und töte jene, die sich mit Sünde beladen haben. Ziehe hinaus in deine Welt und suche die Sünder auf. Töte sie mit der Klinge, auf dass ihre Seelen in mein Reich einziehen mögen. Tue das solange, bis die Klinge nicht mehr rot leuchtet. Dann rufe mich erneut an und übergib mir den Dolch. Dein Auftrag wird erfüllt sein und du wirst deinen Sohn wiedersehen." Ein Zucken ging durch die Welt. Alles verschob sich. Plötzlich schauten uns gelb leuchtende Augen an. "Und nun zu euch, meine Freunde aus einer Zeit jenseits der Schleier.."

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Mit dem Gefühl, aus einem jahrelangen Albtraum zu erwachen, öffnete ich wieder meine Augen. Über mir sah ich eine fleckige, weiße Zeltplane und neben mir lagen meine Kameraden, mit denen ich in der Halle der Sünden eingesperrt war. Ich spürte, dass ich ganz sicher wieder in meinem Körper war, spürte die Muskeln und das versengte, verfluchte Fleisch. Langsam erinnerte ich mich an das, was wir erlebten - die Visionen und die Konfrontationen mit unseren innigsten Sünden, die wir verdrängt hatten. In den Augen meiner Mitstreiter brannte nun allesamt diese gelben, feurigen Augen, wie auch in meinen. Ein kurzes Gespräch ergab, dass wir tatsächlich alle dasselbe erlebt hatten. Unsere dunkelsten Geheimnisse hatten wir miteinander geteilt, nichts blieb mehr verborgen. Die Frage, wo wir waren und wie wir hier hergekommen sind, beantwortete uns ein untersetzter Priester, der zu uns ins Zelt kam: Bischof Berengar. Auch seine Augen waren nun stechend gelb. Er sprach davon, dass Bruder Karl Hilfe geholt hatte, Salvyro und die Männer des Bischofs hätten tagelang die Steine umgeräumt um uns aus der Halle der Sünden zu befreien. Einzig und allein von Godefrey fand man nur noch seine Kleidung, wir hatten ihn wohl in unserem Wahn gemeinsam verspeist, womit wir nun alle mit dem Fluch des Wolfsteufels befallen gewesen waren. Wir waren um die zwei Wochen dort drin gefangen, und haben mindestens drei Tage hier bewusstlos verbracht. Wir waren wohl so schwach, dass nicht klar war ob wir überleben würden.

Der Bischof wollte uns über mehr aufklären sobald wir wieder bei Kräften waren, doch er sprach bereits davon, dass es von äußerster Bedeutung sei, dass wir die Halle der Sünden überlebt hatten. Er ließ den Söldner Jerome le Rouge ins Zelt holen, der einen geflechtenen Korb mit verheißungsvollem Inhalt herumreichen ließ - gebratene Ohren und Finger von Menschen. Wenn wir diese "Häppchen" verspeisen, können wir den Hunger im Zaum halten ohne dafür Mord begehen und den Fluch weiter fortschreiten zu lassen, und so griffen wir hungrig zu. Im Moment schien dies das geringere Übel zu sein. Le Rouge unterrichtete uns, dass die Kreuzzügler währenddessen nicht untätig waren und sich auf einen erneuten Eroberungsversuch vorbereiteten. Jeden Tag könnte es soweit sein, dass Aironia erobert wird, und wir müssen mit an der Front sein. Die blutige Klinge die wir in den Visionen und den Bauten der Marthajünger sahen, sie wäre der Schlüssel dazu den Fluch zu brechen. Diese Blutklinge muss sich hier befinden, vermutlich im Besitz des Wolfsteufels höchstpersönlich - dem Sündenbischof, oder sein wahrer Name, König Tantalos. Wir erklärten ihnen, was wir sahen und die Herkunft des Wolfsteufels, seine tausende von Jahre alte Suche nach den größten Sündern der Welt um sie mit der Blutklinge zu töten; das Ritual des Kochenden Blutes, welches er durchführte um seinen Sohn zurückzuholen und noch einmal durchführen muss, sobald die Klinge nicht mehr rot leuchtet. Berengar und Le Rouge zogen sich zurück, während wir uns von unseren Strapazen erholten.

Doch wir bekamen nur einen Tag. Am Nächsten erschallten bereits die Kriegshörner, die Eroberung um Aironia hatte begonnen.

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#19
Heilige Kreuzzüge IV. - Die Blutklinge - Weinmond 1346

Diesmal machte den Kopf der Operation Feldheer Bohemund de Corastella von den Mikaelanern. Nachdem die Belagerungsgerätschaften bei dem letzten Versuch tief enttäuscht hatten, setzte der gewitzte Taktiker auf eine Kriegslist. Über einen Kontaktmann, der vergleichsweise ungehindert zwischen den Lagern wechselte, hatte die Torwache Firuz des Zwei-Schwestern-Tors Kontakt zu ihm aufgenommen. Gegen Bezahlung und Grundbesitz war dieser bereit, die Belagerer in die Stadt zu lassen. Am späten Nachmittag rückten als Täuschungsmanöver siebenhundert Ordensritter aus, dem nahenden Kalifaten Heer entgegen. Die Verteidiger wogen sich daher für jene Nacht in Sicherheit. Niemand bemerkte, dass die Siebenhundert im Dunkel der Nacht lautlos zurückkehrten. Um Mitternacht ließ die Turmbesatzung eine Strickleiter hinab, Bohemund kletterte als Erster hinauf, gefolgt von seinen sechzig Mikaelanern. Hoch diszipliniert und ohne Laut wurden die Besatzungen der Nachbartürme liquidiert, die Stadttore wurden geöffnet und die Kreuzritter drangen in gigantischen Zahlen ein. Weltliche Ritter und Kampffähiges Volk, und auch wir die wir vom aufkommenden Lärm geweckt wurden, schlugen sich auf die Seite der Ordensritter.

Schulter an Schulter kämpften wir uns durch den engen Durchgang zu dem Tor. Es waren so viele Kämpfende, dass sich eine riesige Menschentraube bildete und jeder Schritt nach Vorne auf den Kosten eines Anderen ging. Dies nutzten um die zwanzig Bogenschützen, die sich auf einem Turmdach verschanzt hatten und mühelos einen Pfeil nach dem Anderen in die Menge sausen ließen. Unsere Rundschilde schützten uns, Jule konnte das Feuer erwidern und wir dadurch an die Front stürmen. Mein altehrwürdiger Anderthalbhänder, geführt von meinen kolossalen, ketzerischen Muskeln, schnitt durch die Kultisten wie ein warmes Messer durch Butter. Mit göttlicher als auch teuflischer Kraft in meinem Körper war ich ein furchterregender, von normalen Soldaten schier unbesiegbarer Gegner. Ich focht keine anmutigen Duelle, sondern schnetzelte mich brutalst durch ein Meer aus Fleisch. Inmitten des Geschreies, des Gestankes und des fließendenen Blutes sah ich Bohemund de Corastella, geschlagen auf dem Boden liegend. Gerade als ein feindlicher Soldat ihm die Klinge in die Brust rammen wollte, schlug ich ihm den Hals von den Schultern und warf mir den bewusstlosen Feldherren über die Schulter. Ich wusste, dass sein Tod die Moral der Kreuzfahrer schwächen würde, so übergab ich ihn zwei jungen Mikaelanern, welche ihn zurück in ihr Feldlager brachten. Da er keine ernsten Wunden hatte, überlebte er.

Meine restliche Ordensbrüder stürmten den Turm der Bogenschützen, während ich Zeuge wurde, wie Kreuzfahrer eine Familie aus einem Haus zerrten und die Herausgabe von Nahrung forderten. Ein Kleinkind schrie, die Frau schimpfte, sie sprachen nur sorridianisch und verstanden die Krieger nicht. Gerade als ich sah, wie einer der Kreuzfahrer sein Schwert zückte, preschte ich nach vorne und schlug ihm den Arm ab. Er hielt sich schreiend seinen Stummel, sank auf die Knie und ging mit einem kräftigen Stiefeltritt auf seine Brust zu Boden, während ich mit einem gezielten Stich den Brustkorb seines Kameraden penetrierte. Verführerisch stieg der Geruch des frischen Blutes in meine Nase, ich nahm ihn tief auf während ich das dämonisch, gelbe Funken und Verlangen hinter meinen Augen spürte, doch ich war standhaft. Ohne Dank zerrte die Frau sich und ihr Kind wieder in das Haus zurück, doch ich erinnere mich noch an den ausdruckslosen Blick des Kindes, den es mir zuwarf. Ob es wohl den Widerspruch, den ich und meine Kräfte darstellten, erkannte? Die Straße weiter hinunter konnte ich beobachten, mit welcher Wildheit und Brutalität die Tafuren über die Kultisten herfielen. Mit geifernden Mündern, wildem Geschrei und rollenden Augen rangen sie die unterlegenen Verteidiger nieder, rissen ihnen das Leder vom Leib, die Zunge aus dem Hals und die Ihren ab. Stolz schmückten sie sich mit Ketten aus erbeuteten Gliedmaßen und grinsten mich dabei mit ihren schwarzen, blutüberströmten Mündern an.

Inmitten der Dunkelheit blitzte kurz ein Paar gelb glühender, bösartiger Augen auf. Ich schaute hin, das Wesen bemerkte es und zog sich sofort zurück. Kurz huschte es durch einen rot beleuchteten Bereich und offenbarte den Blick auf eine borkige, rissige Haut, einen struppigen Schädel und eine hundeartige Schnauze. Der Wolfsteufel, der Sündenbischof, seine grausigen Namen waren viele - es war Tantalos! Die Zähne knirschend zog ich meinen Anderthalbhänder während wir uns gegenseitig niederstarrten, in unserer Pose verharrend. Doch ich erkannte keine rot glühende Klinge an ihm, auch als er über das Heereslager herfiel schien er seine Opfer stets zu reißen um seinen Blutdurst zu stillen, nicht, um sie Taggoob zuzuführen. Weswegen war er nun also hier, vermutete er wohl wie Bischof Berengar die Blutklinge hier in Aironia? Antwort bekam ich keine, denn so schnell wie dieser Schatten gekommen war, war er auch wieder verschwunden. In der Ferne erkannte ich eine rund zwanzig-köpfige Gruppe, die erstaunlich effektiv gegen die Kultisten vorging. In der Mitte, seine Robe von Blutflecken getränkt, stand Bischof Berengar der seine Männer herrisch befehligte. Diese zeigten keine Skrupel, als sie zielstrebig die Kultisten niederstachen. Vielfach rissen sie den Gefallenen die Hälse und Bäuche auf und labten sich an den dampfenden Innereien. Ein blutrotes Leuchten ging von Berengar auf, während sein Mund und Hals von getrocknetem Blut befleckt waren. Ich stieß zu der Gruppe hinzu, kniete mich nieder und labte wie ein gieriger Wolf an den Eingeweiden eines jungen Soldaten.

Als ich meinen Kopf wieder erhob, war es Morgen. Ich schaute mich um und erkannte an den hängenden Deynkreuz-Fahnen schnell, dass Aironia nun in den Händen der Deynistischen Ritterorden war. Der Anfall letzte Nacht blieb nicht ohne Konsequenzen. Als ich ging um meinen Kopf zu waschen, erkannte ich, dass auch mir bereits ein hündische Schnauze gewachsen war. Je mehr in den Teich starrte, desto mehr erkannte ich die Züge von König Tantalos an mir selbst. Ich fand meine Ordensbrüder in dem Turm, bei dem wir das letzte Mal schon Unterschlupf gesucht hatten. Sie erzählten mir, dass die Stadt zwar eingenommen wurde, doch der Kommandant der Streitkräfte des Lebenden Gottes sich in die innere Festung am Felsen zurückziehen konnte und dort noch Stellung beziehen würde. Die Nahrungsvorräte waren jedoch auch mit der Einnahme der Stadt noch immer knapp gewesen, doch langsam konnte gewöhnliche Nahrung unsere Hunger ohnehin immer weniger stillen. Außerdem gingen Gerüchte umher, dass in wenigen Tagen ein Heer der Kalifaten eintreffen würde, wenn auch die Euphorie über die eingenommene Stadt das Herz der Kreuzfahrer noch höher schlagen ließ. Trotz der vielen Grünflächen, Teiche und Parkanlagen, welche darauf hindeuteten dass die Bevölkerungszahlen vor vielen hundert Jahren größer gewesen sein mussten, war es dennoch zu wenig um uns 30.000 Kreuzritter zu versorgen. Unser Ziel war es noch immer, die Blutklinge zu finden, in der Hoffnung den Fluch irgendwie brechen zu können, der auf uns lastet, und machten uns daher auf Informationssuche.

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In einem Turm einer Villa über der Stadt fanden wir eine alte Bekannte, Silla die Eule. Sie schien mittlerweile einen Namen für sich gemacht zu haben, denn wir mussten gar in einer Schlange anstehen um von ihr empfangen zu werden. Seltsam, welches Schicksal Sündern zu Teil werden kann, wohl nicht nur Schlechtes. Wir fragten sie über König Tantalos aus, die Blutklinge und auch über Babylas, den wir in unserer Vision sahen. Sie konnte uns zumindest gegen Bezahlung ein Buch namens "Odyssee" geben, welcher uns Auskunft über den mythologischen Bezug Tantalos' gab, welcher aber wenig mit seinem echten Wirken zu tun hatte. Zudem fanden wir darin die Namensherkunft von "Martha" - eine Ableitung von Hamartia, ein nostrisches Wort welches Tragischen Irrtum oder Verfehlung ausdrückt. Die restlichen Begriffe sagten ihr herzlich wenig, doch sie wüsste, dass Clemens der Geldschneider kürzlich damit prahlte, antike Schriften eines kalifatischen Gelehrten erhalten zu haben und diese teuer zu verhökern. Dieser wurde von den Kreuzfahrern in den Kerker geworfen und erwarte dort sein Ende. Silla warnte uns allerdings vor Clemens, dass seine Geldgier ihn zu einem wahren Monster gemacht habe. Aus mir bis Heute noch unbekannten Gründen fragte ich sie dann, ob sie ein wahres Monster sehen wolle, riss meinen Topfhelm vom Kopf und zeigte ihr meine Fratze. Dies genügte, um sie panisch schreiend die Villa flüchten zu lassen, auf dass wir sie nie mehr wieder sahen. Prior Bonnington rügte mich dafür, und ich schämte mich zutiefst für mein Verhalten.

Die Nacht brach heran, und mit ihr stieg unser Verlangen nach Menschenfleisch. In der Kathedrale Sankt Peter, die zuvor von den Kultisten des Lebenden Gottes geschändet und nun wieder restauriert wurde, fanden wir Bischof Berengar. Dieser erzählte uns von Mitternachtsmessen, die er durchführen würde und nur für die Verfluchten seien, um ihre Leiden zu lindern und im gemeinsamen Gebet an den Herren auch in dieser dunklen Zeit Kraft zu schöpfen, unter größter Geheimhaltung. Wir erschienen zu der Messe, die einem silvanischen Gottesdienst ähnelt, wie wir ihn auf Neu-Corethon auch hielten. Es wurde gemeinsam gesungen, Weihrauch verbrannt und Segen erteilt. Der einzige Unterschied zu einer normalen Messe lag darin, dass der Kelch mit Menschenblut gefüllt war und statt Brot menschliche Einzelteile zum Verzehr angeboten wurden, welche wir widerwillig verzehrten. Seltsam war es, dass viele der anwesenden Verfluchten bereits in fortgeschritteneren Stadien als wir waren, sie hatten ihre äußerliche und geistige Menschlichkeit bereits vollkommen eingebußt. Berengar hetzte die Anwesenden mit wachsendem Fanatismus gegen die Kalifaten auf. Laut ihm trugen sie die Schuld an dem Fluch und unserem fürchterlichen Dasein, doch wenn wir in der Schlacht siegreich wären würde der silvanische Pontifex uns von unseren Sünden freisprechen und somit auch den Fluch aufheben können. Obwohl wir und Berengar die Lüge darin erkannten, entschieden wir uns ihn nicht herauszufordern, denn wir wussten dass wir den Fanatismus dieser Männer in der nächsten, entscheidenden Schlacht benötigen würden. Und so kam es auch, dass noch in dieser Nacht ein kalifatisches Heer in der Stärke von 40.000 Mann anrückte um Aironia zu belagern.

Am nächsten Morgen gingen wir zum Marktplatz Aironias, um Clemens den Geldschneider zu suchen. Dieser war aufgrund seiner markanten Stimme und hakenförmiger Nase schnell zu erkennen, er hatte sich mit seinem Gefolge in beschlagenen Häuser entlang des Marktplatzes niedergelassen. Für überteuerte Preise bot er frisches Fleisch feil, doch wovon es stammte wagte sich keiner der betuchten Kunden zu erfragen. Er erkannte uns recht schnell und so kamen wir auf die Schriften zu sprechen, die er in seinem Besitz hatte. Zu unserem Nachteil jedoch verlangte er keine Gulden für diese, sondern eine einfache Gefälligkeit - auf der anderen Seite des Flusses hatte es sich sein ärgster Rivale, Heinrich von Gulten, gemütlich gemacht. Diesen sollten wir einschüchtern und sein Geschäft etwas aufmischen, sodass er Clemens Geschäfte weiter nicht stört. So weit, so gut, doch Raphael Bonnington hatte einen anderen Plan. Er heckte den Plan aus, Heinrich von Gulten einzuweihen und mit diesem gemeinsam Clemens eins auszuwischen, während wir die Schriften einfach von seinem Stand stehlen sollten. Dies hatte soweit funktioniert, bis ich Clemens ein Ei an den Kopf warf als er öffentlicht diverser Schandtaten beschuldigt wurde und Salvyro solange die Schriften entwendete, denn ich unterschätzte die Kraft in meinen Muskeln. Clemens stürzte krachend in seinen Stand und trug eine schwere Kopfverletzung davon, als er sich blutend erhob und den Wachen den Befehl gab, mich gefangen zu nehmen. In einem Kampf gegen einen einzelnen Wachmann unterlag ich aus schicksalshaften Gründen, er schlug mich erfolgreich nieder und ich verlor das Bewusstsein. Das letzte, was ich sah, war Raphael, wie er wegspazierte und mich meinem Schicksal überließ.

Als ich wach wurde, spürte ich sofort, dass ich von all meinen weltlichen Habseligkeiten beraubt war. Nur ein Tuch um meine Lenden verhüllte mich, während meine verkohlte, grünlich dämonische und zerrissene Haut an meinem Körper ersichtlich war. Ich griff mir an mein Gesicht, um festzustellen dass auch dieses entblößt war, und verband es rasch mit einem dreckigen Waschtuch welches in der Ecke lag. Barfuß stapfte ich über den verdreckten, sandigen Stein und klammerte meine Hände an die Zellentüren, die Gestalt gegenüber von mir erblickend, der in einer eigenen Zelle aufrecht auf seinem Bett saß und nun seinen Kopf hob. Ich kam mit dem Kalifaten ins Gespräch, er schien eine besonnene Person zu sein, die ihren Mut verloren hatte. Er erzählte mir, dass wir uns in dem Kerker unter dem Palast befanden und dass Firuz, der Mann der die Kreuzzügler in die Stadt einfallen ließ, hier Kerkermeister war und ihn ohne jeden Grund festgenommen habe. Seine Familie hatte er bei der Eroberung der Stadt verloren und nun würde er auf den Tod warten, es war tatsächlich Buji Beg, mit dem ich sprach. Er fragte mich, ob ich dieser berüchtigte Wolfsteufel wäre, denn die Wachen brüsteten sich damit diesen endlich gefangen zu haben. Ich klärte ihn über die gesamte Situation auf - Tantalos und der Blutklinge, und er bestätigte, einige Schriften zu haben die uns bei der Brechung des Fluches helfen könnten, welche wir aber ohnehin bereits besaßen. Wir tauschten uns aus, sprachen viel über unsere Vergangenheit und konnten unseren tristen Aufenthalt so etwas angenehmer zu machen. Ich empfand Mitleid für ihm und versprach ihm, ihn hier herauszuholen, da ich sein Schicksal nicht gerecht fand. Allerdings brauchte ich selbst keine großen Pläne zu schmieden.

Die Wachen holten mich zu einer peinlichen Befragung. Sie rissen mir Fingernägel und Zähne aus und beharrten auf ein Geständnis, doch ich blieb standhaft und konnte auf meine Unschuld beharren. Sie ließen mich unverhofft wissen, dass mich ein furchtbarer Tod erwartet und ich wusste, dass ich nur wenige Tage hier ausharren könnte. Noch in der gleichen Nacht ging allerdings meine Zellentür auf - Friedrich hatte sie aufgesperrt! Er sprach davon, dass meine Freunde gekommen wären, um mich zu befreien. Ich war allerdings noch schwach von dem Kampf mit der Wache und der Folter, außerdem benötigte ich meine Ausrüstung. Ich nahm den Schlüsselbund von Friedrich und schloss die Zellentür von Buji Beg auf, befahl ihm allerdings, noch hier zu bleiben und zu warten bis ich gerüstet war. Ich schlich den Gang hinunter, zur Asservatenkammer, und fand dort meine Ausrüstung, welche ich mir lechzend über den geschundenen Leib warf und den Waffengürtel um die Hüfte schnürte. Ich stapfte zurück zur Zelle, sammelte Beg auf und ging in die Speisekammer, um darüber den Kerker zu verlassen. Allerdings wartete dort bereits eine bewaffnete Wache auf mich, die sich mit dem Schwert auf mich stürzte. Ich ergriff seine Klinge, warf ihn hinter mich und legt meinen Arm um seinen Hals und drückte zu, bis er sein Bewusstsein verlor. Allerdings verspürte ich erneut den dämonischen Hunger, während er hilflos in meinen Armen zuckte, so brach ich ihm knurrend das Genick, riss seinen Bauch auf und labte mich an seinen Eingeweiden. Beg beobachtete das Vorgehen voller Schock, doch schien sein Vertrauen in mich nicht zu verlieren, sodass er mich nach dem vollendeten Mahl unbeirrt weiter zum Ausgang drängte. Vor dem Kerker sah ich Raphael bei einem Brunnen warten, über den wir geschlossen in die Kanalisation hinabstiegen und flüchten konnten. Buji Beg schickten wir seines Weges, auf dass er einen neuen Sinn in seinem Leben finden könne.

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Zurück in unserer Turm Zuflucht war es Zeit, die Schriften des Buji Beg zu sichten. Viele Bücher und Schriften davon waren so alt, dass sie beim Ausrollen oder Blättern der Seiten drohten zu zerbrechen, weswegen wir mit viel Vorsicht und Geduld agierten. Dies war mir aber ohnehin recht, da ich Wunden zu heilen hatte. Im "Mum-Rath Papyri" erfuhren wir die wahre Geschichte Tantalos', die wir aber durch die Visionen in der Halle der Sünden bereits kannten. Zuerst ein nostrischer König, tötete er seinen Sohn Pelops indirekt durch einen fahrlässigen Befehl und gab sich selbst die Schuld dafür, was ihn in den Wahnsinn trieb. Er ersuchte die Hilfe Taggoobs durch das Ritual des Kochenden Blutes um seinen Sohn wiederzubeleben , welches er ausführte, indem er Tausende seines eigenen Volkes in einem provozierten Krieg abschlachten ließ. Taggoob verwandelte sein Schwert in die Blutklinge - er müsse nun solange Sünder töten, bis sie aufhöre, rot zu leuchten. Dann würde er gesühnt haben und seinen Sohn zurückzubekommen. Im Laufe der Jahre verwandelte er sich dabei in einen abscheulichen, hundeähnlichen Ghul. Man nannte ihn den Sündenfresser, da er alle großen Sünder der Geschichte nacheinander suchte, mit der Klinge tötete und verspeiste. Auch erfuhren wir aus dem "Schwarzes Buch des Schädels" über Taggoob. Es berichtete, dass er der Allvater all jener Wesen sei, die auf Friedhöfen hausen, sich von totem Menschenfleisch ernähren und es anbeten würden, sogenannte Ghule. Er herrsche über ein Land der Schatten, wo er eine Armee der Widerwärtigen züchtet, um über die Deyn gesegneten Lande herrschen zu können und die Menschen in einem grausigen Festmahl zu verpeisen. Er soll verlogen sein, boshaft und Kriege anzetteln wollen um Unheil über die Welt zu bringen. Gar so mächtig soll er sein, dass nur er selbst oder eine von ihm selbst geschmiedete Waffe ihn verletzen könne.

In den losen Pergamentrollen berichtet Babylas über sein Wirken, den wir in unserer Vision sahen. Er war ein Priester und Bischof von Aironia bis kurz vor seinem Märtyrertod gewesen. Die Schriftrollen berichteten, dass im Jahre 238 des Herrn Aironia frei von Untaten der "Unnennbaren" war, denn sie wurden mitsamt ihrem ruchlosen Anführer, ihren blasphemischen Büchern und verfluchten Schätzen aus der Stadt vertrieben worden. Ihre letzte Schandtat soll darin bestanden haben, einen großen Götzen aus dem Berg zu hauen. Steinmetze und Arbeiter aus fernen, gotteslästerlichen Landen sollen dieses Werk verrichtet haben. Ganze drei Monate lang arbeiteten Wüstenmenschen daran, überwacht von ihrem "Bischof". Man sagte dem Bild nach, dass es verflucht war, und Pestilenzen auslöste. Obwohl Tantalos behauptete, das Bildnis würde sie vor Seuchen schützen, wurde die Bevölkerung Aironias immer stutziger und hasserfüllter den Unnennbaren gegenüber. Sie sollen eine Abart der nostrischen Götter angebetet haben, doch wie die Heiligen Schriften an die Erlösung durch Sünde und Opfer. Sie sagten wohl, dass Martha die wahren Absichten von Jakobus dem Hühnerzüchter erkannte und sie durch ihre Taten nur die Erfüllung des Schicksal verrichtete - daher sahen sie nicht Jakobus als ersten Propheten an, sondern Martha. Tantalos erlangte viel Macht und Ansehen durch die Heilung der Seuche, doch er wütete und tollte auf seiner Baustelle herum was die Edlen und Reichen störte. Der Stadthalter wollte ihm Einhalt gebieten, da drohte er ihm mit Plagen und Seuchen, was dazu führte, dass Soldaten unter den heilsamen Worte des Vorgesetzen von Babylas, Bischof Zebinus, die Unnennbaren und Tantalos aus der Stadt verbannten.

Vier Jahre später wurde Babylas zum Bischof geweiht. Er suchte all diese Zeit über nach dem Schlupfwinkel der "Blutjünger" und hatte sie endlich gefunden und berichtete von der Felsenkirche, die vor Generationen noch Deyngläubigen gedient haben soll. Die Halle der Sünden und die grausigen Malereien aber hätten die Blutjünger selbst errichtet. Er bekam dreißig Paladine vom Stadthalter, um die Fehlgeleiteten endlich aus der Welt tilgen zu können. Drei ganze Tage sollen die Männer gekämpft haben, und auch nur durch eine Verstärkung von nochmal zwanzig Männer konnten sie die Höhle einnehmen. Die "Fehlgeleiteten" wurden zusammengetrieben, diejenigen die sich wehrten, wurden getötet. Sie wurden in ihr innerstes Heiligtum, der Halle der Sünden, getrieben und an das Felsenschwert gebunden. Die abergläubischen unter den Paladinen schnitzen das Zeichen der Ahnen in die Höhlendecke, sodass das Böse in der Halle eingesperrt bleiben sollte. Babylas wurde zu Tantalos geführt und er erschrak ob seiner Hässlichkeit - er nahm ihm die Blutklinge ab, die er führt und von der er wusste, dass sie für die Blutjünger heilig war. Alle anderen Schätze ließ man liegen, da man sich vor dem Fluch des Tantalos fürchtete. Sie verschlossen die Kammer mit einem großen Stein und überließen sie ihrem Schicksal. Babylas kehrte zurück nach Aironia, um die Blutklinge in heiligem Wasser zu reinigen; an eine jener Quellen segnete er die Klinge im Namen des Herrn, um den Menschen zu zeigen, dass alleine Deyn Cador über die Unheiligen siegen und die wahrhaft Ergebenen belohnen würde. Die Blutklinge behielt er bei sich, und von der Felsenhöhle des Tantalos habe er nie mehr auch nur ein einziges Wort gehört.

Doch wo war diese Blutklinge nun? Auskunft gab uns das "De Martyribus Aironiae", in dem Babylas Märtyrertum geschildert wurde. Babylas übernahm im Jahre 240 als Nachfolger von Zebinus das Bischofsamt. Er war beliebt im Volke und soll mutig im Herzen gewesen sein. Babylas diente keinem weltlichen Herren, wurde dafür zum Sterben verurteilt und soll bei seinem Tod verlangt haben, dass die Ketten mit seinem Leibe beigesetzt und und der Leib in Ketten begraben werden soll. Das "Heilige Schwert" wurde mit ihm begraben, das er den Sündern aus den Bergen abgenommen und neu geweiht hatte. Seine Grabstätte wurde bald eine Pilgerstätte für viele Gläubige, so entschied Kaiser Jochen des Heiligen Sorridianischen Reiches seinen Sarg nach Aironia in die Kathedrale des Heiligen Sankt Peters zu verlegen, der einer der loyalsten Jünger des Ersten Propheten Jakobus gewesen sein soll. Des Kaisers Bruder Julian allerdings, der umtrieben und vom wahren Glauben abgefallen gewesen sein soll, ließ die Gebeine wieder entfernen und an anderer Stelle bestatten. Widerwillig und in einem Kerzenmarsch, bei dem Psalmen gegen Julian gesungen wurden, trugen sie die Gebeine des Babylas. Dieser ließ daraufhin mehrere Anhänger foltern, doch als der Erste trotz Geißel mit Eisernen Krallen standhaft blieb, verzichtete der Kaiser auf weitere Bestrafung und gab alle frei. Die treuen Anhänger des Babylas bargen die Gebeine aufs Neue, und trug sie in eine Grotte nahe des Bildnis des "Scharonien". Wir wussten nun, wo die Blutklinge begruben war! So machten wir uns in die schroffen Berge über Antiochia auf, um das besagte Bildnis und die Grotte nebenan zu finden, auch wenn es zahlreiche Höhlen, Felsspalten und finstere Löcher in dem Gebirge gab. Schließlich fanden wir eine fünf Meter hohe Felsenfigur, nur roh behauen und unfertig wirkend. Sie blickte nach Norden, der bartlose Kopf schien von einem Schleier umgeben zu sein. Das musste das Bildnis sein, und in deren Umgebung fanden wir bald auch den Eingang einer altertümlichen, mit dem Zeichen des Herren versehenen Grotte.

Doch als wir hineingingen, erkannten wir schnell, dass wir nicht alleine waren. Tafuren hatten sich im Eingang niedergelassen, genüsslich zerrissen sie einen menschlichen Körper und aßen ihn roh. Ein Blick reichte, um feststellen zu können, dass sie dem Wahn verfallen waren. Sie humpelten auf allen Vieren knurrend auf uns zu, während wir unsere Waffen zogen, und einen kurzen Kampf später lagen sie erschlagen da. Über ihr Körper hinübersteigend erkundeten wir das Innere der Grotte, welche aus mehreren Kammern bestand, die hallenähnlich mit Säulen, Podesten und Altären aufgebaut waren. Viele Zeichen des Herren, wie das Deynkreuz oder das Huhn, waren eingraviert, aber auch Schriften auf Nostrisch und altsorridianisch. Wir hörten immer wieder das Schmettern von schwerem Stein, welches aus dem hinteren Teil der Kammern erschallte. Die Waffen erneut gezogen und am Ort des Geschehens eintreffend, fanden wir eine wütende Kreatur, welche in die Wand eingelassene Gräber oder Sarkophage zerschmetterte - Tantalos! Als wir eintrafen, stand er in einem Haufen aus bröckelndem Stein, Staub und Knochen. Als er uns anstarrte, ging sein Blick durch Mark und Bein. Doch er war nicht aggressiv, er hob seine hündische Schnauze und schnüffelte neugierig. Ich war jedoch voller Zorn, und sprach in herrischem Ton mit ihm, ihm alle Schandnamen der Geschichte an den Kopf werfend, die wir erfahren hatten. Wir forderten die Herausgabe der Blutklinge und dass er seinen Fluch über uns beenden sollte, wenn er nicht hier und jetzt sein Ende finden wollte. Doch Tantalos lachte nur schallend. Er sprach davon, dass er den Geruch der Halle der Sünden an uns roch und dies der einzige Grund wäre, warum wir noch leben würden. Aber niemand auf Athalon würde den Fluch brechen können - er habe die Lande von Westen nach Osten beschritten, weise Männer gefragt und Orakel um Rat gesucht. Der Hunger würde an uns nagen und uns verzehren, nur wenn wir das Fleisch der großen Sünderin fräßen, würden wir hundert Jahre satt bleiben. 

Ich hatte genug von seinen schändlichen Worten, da zog ich meine Klinge, ging leicht in die Knie und machte mich bereit, ihn zu erschlagen. Doch dann hielt ich inne, als ich in seine teuflisch gelben Augen starrte. Ich hörte seine Worte, wie er etliche Jahre versuchte, eine Pflicht zu erfüllen, die vielleicht bereits vergebens war. Ich sah einen Mann, der jede Sünde der Welt auf sich nahm und sie verzehrte, nur um seine persönliche Sünde zu büßen. Einen Mann, der einfach nur seinen Sohn wiedersehen wollte, und dafür zu einem Werkzeug gemacht und in den Ewigen Krieg geschickt wurde, der nicht der unsere ist. Ich sah mich selbst. Wir waren gleich, wenn wir auch nur für die andere Seite kämpften. Ich vergoss in diesem Moment zwei Tränen des Mitleids, eine für Tantalos und eine für seinen Sohn Pelops. Anstatt auf ihn loszustürmen, senkte ich mein Schwert und streckte meine Hand nach ihm aus. Ich weigerte mich in diesem Moment, weiter Teil des Götterplans zu sein, Teil des nicht enden wollenden Kampfes. Ich sagte zu Tantalos, das die unseren und das seine Ziel das selbe wären - die Blutklinge und das Brechen dieses Fluches. Wir könnten seine tausend Jahre andauernde Pflicht endlich beenden, wenn wir uns zusammenschließen würden. Doch noch bevor er Antwort geben konnte, stürmte Berengar mit seinem Heer der Verfluchten die Grotte. Als diese Tantalos sahen, ächzten sie gequält auf und hielten sich die Hand vor Augen, lediglich Berengar hielt stand. Er forderte von dem Sündenbischof die Blutklinge da er seine "Pflicht übernehmen" wollte, doch Tantalos hatte sie noch nicht gefunden. Knurrend und einen Buckel machend, sah dieser sich wohl in der Unterzahl, machte einen Rückzug und konnte unbehelligt die Grotte verlassen. Trotz Befehle von Berengar, ihn zu töten, wagte es keiner ihn anzurühren. Gemeinsam mit Berengar durchsuchten wir daraufhin die Kammern. Raphael Bonnington war es, der ein namenloses, bescheidenes Grab entdeckte, indem die Gebeine eines Menschen lagen die eng von alten, rostigen Ketten umschlungen waren. Er zog eine alte, rostige Klinge hervor, die bei der Berührung rot leuchtete - die Blutklinge! Als Berengar diese von Raphael nahm, knieten die Verfluchten vor ihm nieder und schworen ihm ewige Treue. Bischof Berengar war endlich im Besitz der Blutklinge und der Fluch des Tantalos würde schlussendlich gebrochen werden. Bald könnten wir die Schrecken des Kreuzzuges hinter uns lassen und Drevin retten - dachten wir zumindest. Denn der Götterplan war noch immer in vollem Gange, die heiligen Zahnräder drehten sich immer weiter, und sie sahen nicht vor uns gehen zu lassen.

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#20
Heilige Kreuzzüge V. - In Strömen aus Blut - Nebelmond 1346

Die kärglichen Vorräte waren aufgebraucht. Die meisten Kreuzritter in Aironia litten an Schwäche und Lethargie. Die Sonne brannte vom Himmel und zwang die Männer und Frauen in den Schatten von Häusern und Dächern. Nur ein einzelner Mann schien der Hitze trotzen zu wollen - ein erblindeter, alter Rittersknecht namens Peter Bartholomäus, der fehlerfrei Zitate der Heiligen Schrift wiedergab und von Almosen lebte. Dieser platzierte sich mit ausgebreiteten Armen bäuchlings auf dem zentralen Platz von Aironia und betete zum Heiligen Mikael. Immer mehr Menschen versammelten sich um den Mönch oder beobachteten ihn aus dem Schatten der angrenzenden Häuser. Erst am späten Nachmittag kam plötzliche Bewegung in die einsame Gestalt - er schüttelte sich wie von unsichtbarer Hand gelenkt. Mehrere Männer kamen ihm zu Hilfe, und richteten ihn auf, doch dies war nicht notwendig, denn er war voller Entzückung und Hoffnung. Lautstark proklamierte er, eine Vision des Heiligen Mikael empfangen zu haben. Dieser habe sich den Kreuzfahrern angenommen und werde sie fortan lenken und zu zu einem gerechten Sieg über die Heiden führen. Als erstes Zeichen habe ihm Mikael den Ort verraten, an dem die Julianoslanze versteckt wäre, jene Waffe, die mit dem Blut Jakobus beträufelt sei und jede Armee in den gerechten Sieg führe - die Kathedrale Sankt Peter, verborgen im Staub!

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Vision von Bartholomäus, und es dauerte auch nicht lange, bis sie an die Ohren der Komturen Raimund IV. von Kreuzburg vom Solaner Orden und Bohemund de Corastella vom Mikaelaner Orden drangen. Wir selbst harrten seit dem Tage, an dem wir Berengar die Blutklinge aushändigten, aus und warteten auf weitere Anweisungen durch den Bischof, welcher nicht ansprechbar war da er wohl Vorbereitungen für die Brechung des Fluches traf. Erst am 15. Nebelmond, als sich vor der Kathedrale Sankt Peter die verzweifelten Kreuzritter sammelten, trat Berengar auch wieder in die Öffentlichkeit. Gemeinsam mit Jerome le Rouge hielt er eine Messe, in der er über die Julianoslanze predigte und die Menge darauf einschwor, dass bereits Grabungsarbeiten durchgeführt werden und das Artefakt jeden Moment offenbart werden wird. Gegen Abend traten die beiden Heeresführer Raimund und Bohemund aus dem dunklen Kirchenraum hervor, ausgezehrt und niedergeschlagen, denn sie hatten keine Spur der Lanze entdecken können. Erst als wenig später Peter Bartholomäus aus der Kathedrale trat, änderte sich das Geschehen schlagartig. Der einfache, staubbeschmutzte Visionär hielt stolz eine rot glühende Klinge in der Hand - und durch die Menge ging ein ohrenbetäubendes Raunen. Ehrfürchtig übergab er kniend die "Julianoslanze" an Raimund IV. von Kreuzburg, welcher sie sofort in ein Laken hüllt, und die Menge explodierte in einem Sturm der Begeisterung. Freudentränen weinend fanden sie wieder Kraft in ihren ausgezehrten Muskeln und mit dem Wissen, dass der Heilige Mikael ihnen beistünde, verbreiteten sie die Kunde vom Fund der altehrwürdigen Reliquie.

Nachdem wir uns zu Berengar vordrängen konnten, gelang es uns, ihn auf ein persönliches Gespräch innerhalb der Kathedrale zu treffen. Auf die Julianoslanze angesprochen gab er bereitwillig zu, dass dies in Wahrheit die Blutklinge war und der ganze Reliquienfund eine von ihm und Peter Bartholomäus inszenierte Lüge war, um die ausgemergelten Kreuzfahrer auf den Befreiungsschlag gegen die die Stadt belagernden Kalifaten vorzubereiten. Dies war eine Notwendigkeit, denn wenn die Kalifaten uns alle abschlachten würden wäre es nicht mehr notwendig, den Fluch des Tantalos brechen zu wollen. Und obwohl seine Worte wahr waren und die erlogene Vision schändlich war erkannten auch wir den Sinn und Zweck dahinter. Was uns allerdings beunruhigte, war der herrschende Ton in den Berengar fiel, die gelbfeurigen Augen und die Dutzenden an Verfluchten, die ihm aufs Wort Folge leisteten. Sie schienen keinen freien Willen mehr zu besitzen, so, als ob Berengar durch das Erlangen der Blutklinge die absolute Befehlsgewalt über sie inne haben würde. Und in diesen Augen erkannten wir dann auch die Ähnlichkeit zu Tantalos, als er als Sündenbischof den Marthajünger Befehle zubellte, welche sie Folge leisten mussten. Sogar le Rouge war schweigsamer als für gewöhnlich, obwohl er noch nie als gesprächig galt. Wir entschieden uns, die Anzeichen des Machthungers der Berengar wohl befallen hatte, zur Kenntnis zu nehmen aber nicht dagegen anzukämpfen. Zu wichtig und mächtig war er, und noch immer ein treuer Verbündeter unserer gemeinsamen Sache.

Trotz der Besserung der Kampfmoral waren die Anführer des Kreuzzuges nach wie vor untereinander zerstritten. Ein gemeinsames Handeln scheiterte, sodass erst nach zwei Wochen Bohemund de Corastella den Ausfall offiziell befahl, nachdem Raimund IV. von Kreuzburg von einer Krankheit geschwächt zurückbleiben musste um mit seinen Männern die Zitadelle zu bewachen. Auch wir wurden in den Ausfalltrupp, der aus Sechs Divisionen bestand, auf eigenem Verlangen hin integriert - wir marschierten mit den Verfluchten Berengars. Das Westtor öffnete sich, und wir standen neben Tausenden, Schulter an Schulter, um uns der letzten Schlacht um die Stadt Aironia zu stellen. Schon als die ersten Schritte gemacht wurden, hagelten Pfeile auf die Kreuzfahrer nieder. Wir Kreuzfahrer, die wir inwzischen fast vollständig zu Fuße waren, rannten blind gegen den Feind an, nicht mehr als den Mann vor uns und die anfliegenden Pfeile sehend. Der Boden bebte gewaltig, und Staub wirbelte auf. Bohemund de Corastella raste auf seinem gepanzerten Pferd durch die Mitte der Divisionen, die "Julianoslanze" tragend welche eine neuen Schaft trug, und brüllte ein entschlossenes Deyn lo Vult den Esh'Ajen entgegen. In diesem Moment erschallte ein teuflisches, dunkles Kreischen die Menge der Kreuzfahrer, als die Verfluchten wie auf Befehl ihre Waffen wegwarfen, Krallen aus ihren Fäustlingen schossen und sie sich mit bloßen Händen auf die Kalifaten stürzten. Diese Kannibalen, als religiöse Fanatiker missverstanden, fachten die Kampfeslust der unbefleckten Kreuzfahrer an. Obwohl die gewitzten Kalifaten einen Streifen Land zwischen den Kriegsparteien in Brand steckten, konnte dies die animalische Mordlust der Verfluchten in keinem Maße erschüttern. Gierig auf ihr nächstes Mahl stürmten sie durch die Flammen, trampelten diese nieder und labten sich an den Eingeweiden der Heiden, was den Mut der Esh'Ajen endgültig wanken ließ. Dieser Erdrutsch der Entschlossenheit genügte, um sie in die kopflose Flucht zu treiben. Aironia war damit endgültig wieder im Besitz der Anhänger Deyn Cadors!

Selbst die letzten Kultisten des Lebenden Gottes, die sich in der Zitadelle verschanzt hatten, ergaben sich und wurden von Raimund und seinen Solanern hingerichtet. Die Kreuzfahrer waren frei, die Vorräte der Kalifaten wurden geplündert und die Zeit des Hungerns hatte endlich ein Ende. Kurz nach der Schlacht rollten über den Hafen einer eroberten Nachbarsstadt sorridianische Versorgungszüge in die Stadt ein. Doch auch dieser geschichtsträchtige Sieg über die Feinde des Deynismus und der Hungersnot konnte uns nicht vor dem Schicksal bewahren, welches allen widerfuhr, die den Schatz des Sündenbischofs berührt hatten. Endlich war die Zeit gekommen, den Fluch des Wolfsteufels zu brechen, und Bischof Berengar hatte die Mittel dazu. Mit der mächtigen, glühenden Blutklinge, welche er wieder an sich nahm, hatte er die Befehlsmacht über sein Heer der Verfluchten - eine Waffe Taggoobs, die ihn selbst richten könnte - als auch die Anweisungen für das Ritual des Kochenden Blutes die dem Leichnam Babylas' beilagen. In seiner letzten Mitternachtsmesse verkündete er schließlich, jenes Ritual endlich durchführen zu wollen und den Fluch dadurch aufzuheben. Er befahl uns, Blutopfer für das Ritual im Umland aufzusuchen und diese in die Felsenkirche der Marthajünger zu treiben. Dabei beharrte er darauf, dass die Opfer noch leben müssen, da das Ritual sonst scheitern würde. Während seine Verfluchten sich bereits auf den Weg machten, verharrten wir. Würden wir diesem Befehl nun Folge leisten, hätten wir unsere Seelen für immer verdorben. Um unser eigenes Fleisch und Blut zu retten, sollen wir Dutzende, unschuldige Menschen für ein schwarzmagisches Ritual hinrichten? Raphael war kurz davor, sich zu verweigern, bis ich all meinen Ordensbrüdern einredete, den Massenmord zu begehen. Wir müssen den Befehlen eines Höheren Folge leisten, es ist für einen höheren Zweck, der Götterplan will es so. Es folgte ein langes Schweigen, dann setzte der Gehorsam ein. Auf meine Anweisung hin entschieden wir uns, dem wahnsinnigen Berengar Folge zu leisten.

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Wir verbrachten einen ganzen Tag in den umliegenden Dörfer Aironias. Kalkuliert suchten wir nur die Dörfer von Esh'Ajen auf, die an Abrizzah beteten und den Herren ablehnten. Wir versprachen den Menschen Essen, Trinken und Sicherheit in der Stadt, wenn sie mit uns mitkommen und sich taufen lassen würden. Wir nahmen bevorzugt Krüppel, Alte, Kranke und Schwache, doch wir verweigerten auch Niemandem bei uns mitzukommen. Lediglich den kleinen Christian mit dem Humpelbein ließen wir leben, aus sentimentalen Gründen, auch wenn ich meine Sentimentalität schon längst begraben hatte. Ich wusste, der Götterplan verlangt dies von uns, auch wenn die Heiligen nicht mehr zu mir sprachen da Skrettjah bereits mein Herz ergriffen hatte. Ich war an einem Punkt, an dem ich dachte ich wäre bereits so abgestumpft, dass ich jede Sünde auf mich nehmen könnte damit andere sie nicht schultern müssten. Ich wusste, ich musste um jeden Preis überleben um meine vorhergesehen Rolle zu erfüllen, und dafür schreckte ich vor nichts mehr zurück. Es waren insgesamt fünfzig Menschen, die in die Halle der Sünden getrieben wurde. Man hatte die perverse Martha Statue in das Loch herabgelassen, am Fuße des Steinschwertes, und an einem Seil befestigt. Als sie bemerkten, dass etwas vor sich ging, breitete sich Panik aus, doch die Verfluchten schlugen jeden Wiederstand gnadenlos nieder. Einem nach dem Anderen wurden die Kehlen durchgeschnitten und die stark blutenden Körper in das Loch geworfen - Frauen wurden vor ihren Männern, Kinder vor ihren Eltern geschächtet wie Vieh. Als ein Verfluchter sich weigerte, einem Mädchen die Kehle durchzuschneiden, stieß ich ihn bei Seite und tötete sie. Ich mordete ohne Pause und ohne Unterlass, stieß die Körper in das dunkle Loch, wo es sich bereits mit roter Flüssigkeit füllte. Es wurde immer mehr, obwohl fünfzig Körper die Menge nie hergeben konnten, und blubberte und gurgelte als die Temperatur anstieg. An der Oberfläche bildeten sich die verzerrten, in Todesangst erstarrten Gesichter und Münder der Ermordeten. 

Berengar erhob Ehrfurcht erregend seine Hände über die Masse und sang in einer fremden Sprache, die Schriftrolle des Babylas' in der Hand, während die Verfluchten die Martha Statue mehrfach in das dampfende Blutbad herabließen und es unter wachsender Anstrengung herauszogen. Mit jedem Eintauchen und Herausziehen schienen die Züge der Statue menschlicher und lebendiger zu werden. Die "Statue" hatte alsbald ihre Augen aufgerissen und schnappte mit einem weit aufgerissenen Mund nach Luft. Berengar wand sich an le Rouge, überreichte ihm die Schriftrolle und zitierte dann in Altsorridianisch eine Beschwörungsformel, die Amelie später übersetzen konnte: "Martha, Verräterin deiner Rasse, Abartige unter den Jüngern Jakobus', ich rufe deine unruhige Seele. Martha, höre meine Worte im Reiche Skrettjahs und kehre zurück zu deinesgleichen. Dein Fleisch soll ein Gefäß sein für deine Sünden; dein Blut soll ein Gefäß sein für deinen Verrat. Komme zu uns und biete dich mir zum Fraße an, auf dass ich deine Sünden in mir aufnehmen kann. Auf dass ich meine Verwandlung vollende und mein Schicksal erfülle; auf dass die Welt erlöst sei von jeder schrecklichen Tat, erlöst von der Strafe des Herren, der dereinst die Ahnen der Menschheit aus dem Fleische Skrettjahs schuf und somit den Fluch der Sünde beschwor!" . Die rote Statue bekam plötzlich schwarze Flecken, die sich wie Pestbeulen ausbreiteten, wie Blasen platzten und tentakelartige Finger absoluter Schwärze hervorriefen. Sekunden später verschwand die Statue in einem schwarzen Oval, in dessen öliger Oberfläche sich Gesichter abzeichneten, auf furchtbare Art verschmolzen und verdreht. Peitschenartige Auswüchse zuckten aus der amorphen Masse, blieben an den Wänden kleben und bildeten ein zitterndes Netz spinnenartiger Auswüchse, in deren Mitte das Oval wie ein schreiender Kokon hing. Ein Peitschenhieb traf einen Verfluchten, umschlang ihn wie ein Würgeschlange, hüllte ihn in ein schwarzes Feuer - und als dieses erlosch, war der Verfluchte verschwunden! Die Hölle öffnete ihr Pforten, und dutzende Schattenpeitschen zogen uns hinein.

Wir sahen noch, wie Le Rouge den versteinerten Berengar aus der Höhle zog. Auch ich war wie versteinert, nicht begreifend was gerade geschehen war, als ich mit nach draußen geschleppt wurde. Ich erinnere mich nicht mehr, wie ich nach draußen gekommen bin, nur dass Raphael von einem Tentakel erwischt wurde und schwer verletzt überlebt hatte. Wir standen vor der Felsenkirche, mindestens die Hälfte der Verfluchten war ums Leben gekommen, bis wir Berengar endlich zur Rede stellten. Er bestätigte, mit dem Ritual des Kochenden Blutes Martha beschwören und fressen zu wollen - wenn er die größte Sündern fressen und damit alle Sünden auf sich laden würde, wäre unser Fluch gebrochen und die Menschheit gerettet. Doch das Ritual wäre gescheitert, weil wir zu wenige Menschenmassen gehabt haben! Er benötigt Tausende, da auch Tantalos dafür sein ganzes Volk ausrotten musste! Erst jetzt, viel zu spät, als wir bereits Komplizen seines Massenmordes wurden, erkannten wir seinen Wahnsinn. Eindringlich versuchten wir, ihm zu erklären, dass das Ritual falsch gewesen sein musste und nur Tantalos das wahre Ritual kannte, doch er schmetterte ab. Anscheinend waren auf der Rolle die Anweisungen von Tantalos' persönlich, die Babylas ihm abringen konnte. Erneut hob er seine Blutklinge und befahl den Verfluchten, mit ihm nach Jeorgina zu ziehen um dort ein Massaker anzurichten, welches die deynistische Welt so noch nie gesehen hatte. Wir blieben am Eingang zurück, mit dem Wissen, diese fünfzig Menschen völlig umsonst ermordet zu haben. Mir dämmerten die Todsünden, die ich begangen hatte, langsam auf, doch bevor ich das volle Ausmaß meiner Schandtaten realisieren konnte erlöste mich die Ohnmacht in einen tiefen Schlaf, geplagt von Albträumen. Ich träumte von der Halle der Sünden, den Visionen die wir dort hatten und von dem Moment, wo wir dem seltsamen Mann mit hundeähnlicher Schnauze entgegentraten, doch dann bricht der Traum schlagartig ab und wiederholt sich. Ich wusste, ich müsste irgendetwas von äußerster Wichtigkeit noch erledigen - im Unterbewusstsein wusste ich dies schon immer, weswegen ich Szemää nach dem Erlangen des Nekronomikons nicht verlassen hatte.

Die Tage gingen vorüber, und wir erlitten alle dieselben, fürchterlichen Albträume. Eine verheerende Seuche ging durch die Stadt, die viele dahinraffte - darunter auch Raimund IV. von Kreuzburg, der Solaner Feldherr, womit die Führungsstreitigkeiten der Kreuzfahrer endlich bei Seite gelegt waren - doch der Fluch des Tantalos schien uns vor ihr zu schützen, selbst wenn wir uns am Fleisch der Erkrankten labten. Wir lebten unsere Tage vor Lethargie dahin, sprachen nicht viel miteinander. Ohne es auszusprechen waren wir uns alle einig, dass wir sterben sollten; das Einzige, was uns noch vorantrieb, war der übernatürliche Hunger auf Menschenfleisch. Jeden Morgen aufs Neue erschien uns ein Blutfleck, auf der Decke unseres Turmzimmers, auf einem Marktplatz mitten in der Stadt oder auch auf Roben von Priestern, die aber niemand außer uns zu bemerken schien. Dieser nahm mit jedem voranschreitenden Tag immer mehr die Form eines Schwertes an, und es deutete Richtung Osten der Stadt. Am dritten Tage stand ich wortlos auf und ging alleine in die Richtung, in der das Schwert zeigte. Ich ging stundenlang ohne Unterlass, bis ich erkannte, wohin es mich lotste - zum Steinbild Scharonien. Mein Instinkt sagte mir bereits, dass ich wüsste wer hier lauerte, und so beschwor ich König Tantalos, den Sündenbischof, der auf dem Kopf des Steinbildes lauerte und schließlich seine Fratze zeigte. Er berichtete, dass in den letzten Tagen die Aura des Scharonien sich verändert hatte. Eine merkwürdige, undurchdringliche Dunkelheit würde sich langsam wie filigrane Schwingen von dem Kopf ausbreiten und selbst das silberne Schimmern des Mondes aufsaugen. Er vermutete bereits, dass ich mit meinen Freunden hier erscheinen würde und war sich sicher, dass sein Herr Taggoob mit uns in Kontakt treten wollte. Ich schwor ihn darauf ein, dass sein Jahrtausende dauernder Dienst erst enden würde, wenn Tantalos das Ritual des Kochenden Blutes erneut ausführen und Taggoob mit der Blutklinge erstechen würde und bot ihm erneut ein Bündnis an. Doch nach kurzer Überlegung lachte er geifernd auf und betonte, dass Niemand den Wächter der Unterwelt töten kann, denn er war der wahrhaftige Tod. Er war sich sicher, bereits genügend Sünder getötet haben damit die Blutklinge weiß leuchtet, und brauchte nur noch diese um sein Werk zu vollenden und seinen Sohn wiederzusehen. Wenn wir seinen Meister sprechen wollen würden, müssten wir Scharonien Nachts aufsuchen. Um die Kreatur loszuwerden, berichtete ich ihr von Berengar und seinem Kreuzzug nach Jerogina, auf dass sie ihr hinterherschlich.

Ich musste meinen Kameraden von dem Vorfall nicht erzählen, da sie mir gefolgt waren, und wir erschienen wie Tantalos' uns geraten hatte, zur Abenddämmerung. Die Augen der ruhenden, toten Steinstatue schienen sich langsam zu öffnen, das fahle Licht des Mondes und der Sterne schienen das sonst platte Gesicht zu einer Art Hundeschnauze auszuwölben. Sobald völlige Finsternis herrschte, quillte eine undurchdringliche Dunkelheit aus tausend feinen Ritzen im Gestein, welche sich zu einem annähernd ovalen See bildete. Wir konnten innerhalb dieses "Sees" eine nach unten führende, schwarze Treppe ausmachen, welche wir instinktiv beschritten. Sobald wir den ersten Fuß auf die Treppe gesetzt hatten, umhüllte uns die Schwärze vollkommen. Wir fühlten uns genau wieder wie in jener hilflosen Zeit, als wir in der Halle der Sünden begraben waren, und kurz darauf waren wir wieder dort. Meine Todsünde, die meiner Kameraden, die Bilder aus Tantalos' Erinnerungen verwoben sich in einem Strudel ineinander verwobener Erinnerungsbilder und Geräusche, welche wir immer schneller und konfuser erlebten. Kurz bevor mein Geist drohte von dem Sündenstrudel zerfetzt zu werden, fanden wir uns in der brennenden, antiken Stadt wieder. Wir wateten durch Blut und wurden Zeuge, wie Tantalos sein blutiges Ritual vollendete. Es spielte sich alles wieder genau so ab, wie wir es in der Felsenkirche erlebt hatten - Taggoob wird beschworen, er spricht mit dem wahnsinnigen König und übergibt ihm die Blutklinge. Anschließend wurde er unserer Gewahr, und wand sich uns zu. In diesem Moment spürte ich, wie eine Blockade meines Geistes aufgehoben wurde und Erinnerungen wie das Wasser eines gebrochenen Dammes auf meinen Verstand einprasselten. Wir führten das kommende Gespräch in der Vergangenheit bereits, konnten uns aber nicht mehr daran erinnern, oder wir wurden damals in die Zukunft gesetzt um es zu führen. Taggoob schien die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichgültig zu sein, ein Konzept, dass wir Menschen zu begreifen nicht in der Lage sind. Taggoob, der die Verwirrung in unserem Gesicht sah, begrüßte uns sogleich als "Verwandte" und erklärte, dass dieser Ort zu jeder Zeit existierte. Er war ein Splitter, geformt aus Traumessenz, ein Abdruck der Geschichte, erhalten im Bewusstsein des Ersten Sündenbischofs. Wenn wir hier sprechen würden, dann hätten wir es bereits getan, oder würden es noch tun. 

Erzählfreudig berichtete er uns, dass er der Vater aller Ghoule sei, egal welche Kost sie bevorzugen oder aus welchem Kulturkreis sie stammen mögen. Vor 1500 Jahren schmiedete er die Blutklinge und überreichte sie Tantalos. Seitdem sei er in seinem Dienste unterwegs, denn jedes Wesen, welches von der Klinge getötet wird, würde in seinem Reich als Ghoul neu geboren, so wachse sein Heer der Ghoule unaufhörlich. Doch die Klange habe noch weitere Kräfte: Wer sie besäße und einen starken Willen verfüge, könne damit Macht über alle Verfluchten und Sündenfresser-Ghoule ausüben. Vor dieser Kraft hätte er uns bewahren können, wenn wir auf einen Handel mit ihm eingegangen wären. Über den Fluch des Tantalos wusste er jedoch schmerzlich wenig - er wäre nicht an die Klinge gebunden, sondern an Tantalos und dessen nicht enden wollende Gier nach Macht und Schätzen. Wer dem Fluch anheim fällt, verwandelt sich in einen Sündenfresser und wäre dazu verdammt, sich vom Blut und Fleisch der Menschen zu ernähren. Taggoob behauptete, er könne den Fluch nicht brechen, aber seine Auswirkungen verzögern und unseren Hunger einzudämmen. Wenn er in die Wache Welt gerufen werden würde, besäße er aber über viel mehr Macht und könnte uns von dem Fluch befreien. Dies war sein Angebot an uns: Er verlangsamt unsere Verwandlung, bremst den Fluch und sorgt dafür, dass die Blutklinge keine Macht über uns hat. Doch dafür verlangte er, dass wir das tatsächliche, unverfälschte Ritual des Kochenden Blutes ausführen würden, so wie Tantalos vor 1500 Jahren. Dafür würde er uns vor unserem Fluch befreien. Und erst jetzt erkannten wir, dass wir den Handel bereits eingegangen waren. Die anderen Sündenfresser verwandelten sich stets schneller, als wir, und Berengar konnte uns niemals befehligen, sondern wir folgten ihm aus freien Stücken, im Gegensatz zu den anderen Verfluchten. Was dies für uns bedeutete, konnte ich nicht begreifen, doch wir hatten eine letzte Chance auf Wiedergutmachung, wenn wir zustimmen würden. Und so geschah es, dass Taggoob meinen Topfhelm berührte und die Anweisungen für das Ritual in mein Unterbewusstsein brannte, wo es bis Heute unlöschbar gespeichert ruht. Zusätzlich würde Taggoob uns mit einer "zeitlosen Blase" reisen lassen, die uns mitten in die entscheidende Schlacht Jeorginas werfen würde und uns so kostbare Wochen an Reisenzeit sparen, in denen wir dem Fluch endgültig verfallen würden. Wenn wir ablehnten, würden wir selbst hinreisen und zu Verfluchten werden, alles würde rückgängig gemacht werden und wir wären wohl schon lange unter Berengars Herrschaft geendet. Mit unserem Einverständnis entstand vor unseren Augen ein flimmernder Strudel, der sich immer mehr ausweitete und in denen eine Legion kreisender Engel mit ihren ohrenbetäubenden Flügelschlägen sie hervorrufen. Doch es waren keine Engel, sondern geflügelt Wesen namens Byakhee aus dem Reiche Taggoobs, welche uns in sich hineinsogen. Der Marsch nach Jeorgina, ein fehlgeschlagener Sturmangriff, monatelange Belagerung - alles zog vorbei, bis unsere Füße uns in der entscheidenden Schlacht landeten.

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Die Abendsonne war in einem düsteren rot gehaucht und schimmerte nur kränklich hinter den Rauchwolken auf. Wohin wir auch schauten, fanden wir nur verbrannte Erde, gefallene Soldaten des Herren oder Abrizzahs samt ihren Pferden und Gräben, in denen das Blut sich staute wie Regen zu Pfützen. Ruß, Eisen, Tod und Verderben lagen in der Luft während ganze Feldstriche in Flammen lagen. Gepanzerte Schemen liefen auf uns zu, gespickt mit Krümmsäbeln, die ihrem Gott der Wüste huldigten und ohne zu fragen uns in den Kampf zwangen. Lange erwehrten wir uns gegen den Ansturm der Kalifaten, bis ein Dutzend herrenlose Mikaelaner sich uns anschlossen und wir die Esh'Ajen gemeinsam in die Flucht schlugen. Sie berichteten, dass ihr Befehlshaber tot war und die Schlacht, die am Morgen begann, mittlerweile in einem planlosen und chaotischen Gemetzel geendet ist, indem unklar war welche Seite die Überhand behalten würde. So willigten sie ein, uns gemeinsam zu ihrem Feldherren durchzukämpfen und dann weiter zu entscheiden, was zu tun sei. Wir fanden Banner der Solaner, Mikaelaner, Revaniter aber auch Sorridias, welche gegen das anrückende Kalifat und die belagerten Kultisten Szemääs kämpften.  Mit dem Ziel des Stadttores schlachteten wir uns zu einer Anhöhe vor Jeorgina durch, wo Bohemund de Corastella, bewacht von seiner schwer gepanzerten Leibgarde, das Blutbad von oben beobachtete und mit einem Zettel verharrte. Er erkannte de Broussard und damit auch unsere Gruppe, ließ uns zu ihm durch und beklagte, die Kontrolle über die Schlacht verloren zu haben. Seinen Schlachtplan begutachtend überlegten Amelie und Raphael die Strategie der Angriffseinheiten neu durch, welche sich schließlich als vollen Erfolg entpuppten - ich war gerade dumm genug, um für mich selbst denken zu können, weswegen ich klugerweise meinen Mund hielt. Deynistische Mönche konnten gerettet werden und das Stadttor stand den Deynisten nun offen, auf dass die Geburtsstätte des Hühnerzüchters Jakobus, den Ersten Propheten, wieder in die Hände des Herren kommen konnte. Bohemund legte seine Hand auf die Schulter von Amelie, er musste wohl den Schmerz in ihrem Herzen erkannt haben, als sie seinen Auftrag nicht erfüllen konnte und zwei Rekruten an die Fallicer verlor. Denn er vergab ihr aufrichtig und war wahrlich stolz auf das, was sie geleistet hatte. Wenigstens Amelie durfte in den Genuss der Absolution kommen.

Als Dank durften wir sein Dutzend Mikaelaner für unsere Zwecke behalten, welche auch immer diese wären. Und auf dieser erhöhten Position konnten wir auch ausfindig machen, wonach wir suchten: Eine Horde von Verfluchten, wie sie Steine und Gerümpel zu einem Damm aufstapelten, um Ströme aus Blut in eine ihnen genehme Richtung zu leiten. Sie badeten in der dampfenden Flüssigkeit, johlen und lachten, doch nur bis wir sie erwischten und richteten. Dem Blutstrom folgend fanden wir uns am Eingang zu einer unterirdischen Kaverne wieder, welche zu einem Großteil bereits vollständig in Blut versunken war. Der innere Boden war bereits überflutet, lediglich am Rand befand sich trockener Boden. Mindestens siebzig Verfluchte standen dort bis zur Hüfte im Blut, während sie grunzten, schmatzten und grölten - in der Mitte ein fast vollständig degenerierter Bischof Berengar, begleitet von seinem Adjutanten Jerome le Rouge. Mit kehliger Stimme bellte er erneut den falschen Ritualtext, denn der wahre Text war in meine Gedanken eingebrannt worden, und die Folgen waren wie das letzte Mal fatal. Eine Spalte in die finstere Leere öffnete sich, in denen das Blut wie ein Mahlstrom hineinfloss und drohte alles mitzureißen, aus denen mehrere Dutzend schakalartige Bestien hervorströmten und die Verfluchten in einen Kampf verwickelten. Das Chaos nutzend stürmten wir durch das Blutmeer, Schulter an Schulter, und zerfetzten auf dem Weg Verfluchte und Bestien, die sich uns in den Weg stellten. Die Blutklinge war das Ziel; sie zu erringen bedeutet die Macht über die Verfluchten zu gewinnen! Doch noch bevor wir an ihn drankamen stellte sich uns le Rouge in den Weg, gegen den ich mit Salvyro die Klingen kreuzte. Amelie, Jule und Raphael widmeten sich solange Berengar, der seinen Mantel in Flammen aufgehen ließ und über den Boden schwebte, während er schwarzmagische Zauber auf die Drei niederfahren ließ. So erschlugen wir Jerome le Rouge, die rechte Hand des Herzogs, der den Fluch erst ausgelöst hatte und dabei nur Nahrung für Verhungernde finden wollte. Er war eine treue Seele seines Meisters gegenüber, ein dunkles Abbild meiner Selbst, und in einem anderen Leben, unter anderen Umständen, wären wir sicher wahre Freunde geworden. Doch meine Klinge kannte kein Halten, sobald er fiel unterstützten wir unsere Kameraden gegen Berengar, bei dem ich keine Gnade kannte. Seine Flammen machten mir, der unter dem Zorn Sôlerbens litt, keine Angst, so stieß ich meine Klinge durch seinen Brustkorb, meine Zähne in seinen Hals und entriss ihm die Blutklinge als ich den Adamsapfel aus seiner Kehle herausbiss. Er und le Rouge versanken in den Blutmassen, auf dass sie nie mehr gesehen wurden. Tantalos blieb der unangefochtene Sündenbischof, der Wahnsinn Berengars fand sein Ende.

Ich hatte weder den Willen noch den Wunsch, über diese Bestien zu herrschen, so übergab ich Raphael die rot glühende Klinge, welcher ihnen befahl, die gerufenen Bestien Berengars zu schlachten. Wir flüchteten derweil aus der Kaverne und sammelten uns vor dem Eingang, mit dem Ziel, nun das Ritual des Kochenden Blutes durchzuführen um uns von dem Fluch zu erlösen, der uns plagt. Wir erinnerten uns an den Turm außerhalb der Stadt, an dem Tantalos' einst Martha tötete und verspeiste, welcher sich als guter Standort für das Ritual eignen würde. In Wahrheit müssten man nur einen Text in einer unbekannten Sprache rezitieren und dafür von Blut umgeben sein, der Rest war irrelevant. Gerade als wir uns auf den Weg dahin machen wollten, flogen zwei kalifatische Körper an uns vorbei durch die Luft. Wir blickten uns um und sahen, wie die Ungläubigen wie die Motte zum Licht zu einem schwarzen Felsen hinrannten, der sie aber stets mit ungeheuerlicher Kraft zurückschleuderte, wo sie herkamen. Bei genauen Betrachten fiel uns erst aus, dass der Fels in Wahrheit eine riesige Gestalt in pechschwarzem Plattenpanzer war, welche ein Schwert führte, welches so groß wie ein Burgtor und so breit wie es selbst war. Voller Freude in unserem Herzen zogen wir unsere Waffen, eilten zu ihm hin und erschlugen, was er für uns übrig gelassen hatte. Viel zu spät erst schien er uns zu bemerken, herzhaft zu lachen und warf die zwei Esh'Ajen mühelos weg welche er in der würgenden Hand hielt. Wir standen vor dem Hochmeister des Solaner Orden, Sir Walter Ripel, welcher völlig alleine es mit einer ganzen Kompanie an Kalifaten aufnahm. Seit Wochen hatten die Heiligen nicht mehr mit mir gesprochen; war ich im Dunklen getappt und hatte eine Todsünde nach der Nächsten begangen, war immer tiefer in den Schlund der Verdammnis versunken. Doch als Sir Walter Ripel mich bei meinem Namen, Franziskus Maximilian Gerber, nannte und er sich bei mir für die Rettung der Phönixkrone bedankte, da zog er mich und meine Kameraden aus all dem Leid eigenständig heraus und schänkte uns Hoffnung an einem Ort, wo sie schon längst hätte verloren sein müssen. Auch wenn er nicht verstand, was wir tun mussten, so wünschte er uns doch alles Glück der Welt und den gerechten Zorn Sôlerbens an unsere Seite, auf dass wir unser Ziel erfüllen würden, während er weiter an die Front stürmte um Hifumi auf seine Feinde niederzulassen. Die überlebenden Verfluchten, rund 50 an der Zahl, strömten derweil aus der Kaverne und marschierten auf unseren Befehl hin mit uns, um das Ritual des Kochenden Blutes bei der Ausführung zu schützen.

Als wir bei dem Feld mit dem antiken, geschichtsträchtigen Burgturm vor der Stadt ankamen, fühlten wir uns in die Zeit zurückversetzt. Denn erneut fanden wir dort Tantalos, jedoch nicht an Martha nagend, sondern lauernd auf der Turmspitze. Dutzende Taifuren kamen hinter dem Turm und aus dem Turm hervor, krochen widerlich auf allen Vieren auf uns zu und knurrten uns an. Das Heer der Verfluchten stand gegenüber des Heeres der Taifuren, doch ihre Kommandanten hielten ein für eine letzte Verhandlung. Tantalos gratulierte uns, Berengar getötet zu haben, doch forderte nun die Blutklinge seinerseits - dafür würde er uns vom Fluch erlösen. Doch Taggoob hatte uns vor der Hinterlist des Tantalos gewarnt, weswegen ich ohne Worte meinen altehrwürdigen Anderthalbhänder zog und die Spitze drohend auf Tantalos zeigte. Er akzeptierte die Herausforderung und gab einen kehligen Brüllbefehl, worauf die Tafuren sich wahnwitzig auf die Verfluchten und uns stürzten, und ein erbitterter Kampf um die Blutklinge brach aus. Auch wenn die Tafuren körperlich unterlegen waren, so waren es doch so viele dass sie den Verfluchten ein ebenbürtiger Gegner war. Tantalos katapultierte sich vom Turm mit seinen ausgestreckten Klauen nach Raphael, welcher noch zurückweichen konnte bevor unsere Klingen ihm zu Hilfe eilten. Tantalos war ein mächtiger, überlegener Gegner, der mit seinen Klauen unsere Rüstungen penetrierte, doch unsere Celestiumschwerter konnten auch sein Fleisch zum Bluten bringen. Das Schicksal war gegen uns, als es ihm gelang Raphael die Blutklinge aus der Hand zu reißen - triumphierend hob er sie in die Luft, doch sie glühte noch immer! Zuerst stand er wie vom Blitz getroffen da, dann ertönte ein mitleiderweckendes Winseln aus seiner rauen Kehle. Er lamentierte sein Schicksal, nach all den Jahrhunderten des Mordens noch immer seinen Dienst nicht erfüllt zu haben, und verfiel der Verzweiflung. Dies wurde dem Sündenbischof zum Verhängnis, denn er kämpfte nun nur noch mit schwerem Herzen, wodurch er am Ende des Tages so oft und heftig von unseren Klingen getroffen wurde, dass er wahrlich zu Tode gehackt wurde. Voller Hass und Verzweiflung droschen wir immer weiter auf ihn ein, bis die Klinge in seiner Hand nicht mehr leuchtete, da er endlich seine wohlverdiente Ruhe gefunden hatte. Raphael nahm verwundet die Blutklinge wieder an sich und die Verfluchten hörten ihm wieder aufs Wort; als die Taifuren sahen wie ihr Herr gerissen wurde, verstreuten sie sich in alle Richtungen und fanden in der Schlacht um Jeorgina ihr Ende, womit das gesamte Lager der Taifuren als ausgelöscht galt. Noch immer bewundere ich Tantalos dafür, dass er nach 1500 Jahren eines grausamen Dienstes bereit war, seine Seele gegen die seines Sohnes zu tauschen. Der Meister der Lügen wurde von seinem eigenen Herren von Anfang an betrogen, seine Hoffnung war von Anfang an vergebens. Diese Bürde war auch mein Schicksal, und ich musste sie genauso lange tragen.

Doch auch der Tode Tantalos' brachte keine Erlösung vom Fluch des Wolfsteufels. Er war noch immer in uns, ein feuriger Hunger auf frisches Menschenfleisch, getrieben von einer mächtigeren Entität als des Ersten Sündenbischofs. Das schwarze Buch des Schädels berichtete, dass Taggoob wahrlich unsterblich war und nur eine von ihm selbst geschmiedete Klinge ihn verletzen könne. So war unser Ziel klar. Wir würden in die Fußstapfen von Hochmeister Sir Walter Ripel treten, indem wir einen Dämon selbst beschwören um ihn eigenhändig zu richten. Selbst wenn dies unseren Fluch nicht aufheben würde, so hätten wir zumindest Rache an Taggoob geübt. Nein, es war sogar unser Wunsch, unsere einzige Hoffnung auf Erlösung, wenn wir Taggoob vom Antlitz Athalons fegen und dabei selbst das Leben lassen würden, auf dass dieser Fluch die Menschheit nie mehr wieder befallen kann. Erst dann hätten wir genügend gebüßt. Ich stieg auf den runden Wachturm und positionierte mich dort, wo Tantalos auf uns lauerte. Die Verfluchten und die zweifelhaften Mikaelaner ließen wir die Körper von Tantalos und den Taifuren rings um den Turm aufstellen, auf dass die Umgebung von Blut und Tod umgeben war. Schützend standen unsere Männer und meine Kameraden um den Turm, während ich exakt dreißig Minuten lang den Text rezitierte, den Taggoob mir ins Gedächtnis gebrannt hatte. Das Blut der Toten rann wie von selbst auf die Mitte vor dem Platz hin, bildete einen wabernden, dampfenden See, aus dem zuerst dumpf, dann sehr laut, Schreie der Verderbnis und des Hungers. Diese Schreie begleiteten Taggoob wie ein Orchester, als er sich mit dreißig weiteren Ghoulen und zwei riesigen, massiven untoten Ghoul-Leibwächtern aus dem dampfenden Blut erhob. Doch Taggoob überragte sie alle, ein Ghoul in der Größe des Weidenmannes, doch bislang ragte er nur bis zur Hüfte aus dem Blut heraus. Immer mehr Ghoulhände rangen darum, sich aus dem dampfenden Blut ziehen zu können, und ich erkannte was ich so eben getan hatte. Ich habe eine Armee der Finsternis gerufen, die uns alle auslöschen würde. Wir würden sie nicht aufhalten können, niemals. So bin ich, das erste und letzte Mal in meinem Leben, vor Feigheit gegenüber eines aussichtslosen Kampfes und Verzweiflung ob der Situation davongerannt. Ich stürmte vom Turm, und ließ alle zum Sterben zurück, nur um nicht gegen Taggoob kämpfen zu müssen. Dies war die schlimmste aller Sünden, die ich in Szemää begangen hatte, eine die ich mir selbst niemals werde vergeben können. Ich erinnere mich, ziel und kopflos durch ein Feld gerannt zu sein, bis ich stolperte und hinfiel. Das schnaufen eines Pferdes ließ meinen Kopf nach oben schnellen, und ich starrte in die Nüstern eines Pferdes, gepanzert wie ein schwarzer Felsbrocken. Eine massive Hand wurde mit entgegengestreckt. Sir Walter Ripel fragte mich, ob ich mich verlaufen hätte, denn mein Kampf wäre doch wo anders, und ich brach in Tränen aus. Ich gestand ihm meine feige Schandtat und verlangte, dass er mich dafür sofort richten solle, doch der Hochmeister lachte. Ohne Mühe zog er meine Statur auf sein Pferd, hinter sich, und ritt mit mir zum Turm, da er einen großen Feind witterte welchen er unbedingt erledigen wollen würde.

Auf dem Ritt zurück vernahmen wir ein lautes, gröhlendes Donnern und wie kurz sämtliches Licht sich verdüsterte, und nur bei dem Turm etwas gelb leuchtendes aufblitzte. Direkt danach spürte ich, wie ein Sog sich entlang der Winde in alle Lande der Welt streute, und auch mich erwischte, sodass ich mich am Hochmeister festkrallte. Dieser Sog fing an, an meinem ganzen Körper zu kribbeln, als meine Schnauze, Augen, Krallen, ledrige Haut und der unbändige Hunger sich wie schwarze Hautfetzen von mir lösten und mit gewaltiger Kraft zum Turm gesogen wurden. Als die Hufe sich dem Turm näherten, erkannten wir den Grund für das Spektakel: Dort wo einst Taggoob drohte ins Reich der Lebenden zu brechen, blieb nun nur noch ein Strudel aus faulig riechenden Tentakeln, die überlebende Ghoule und Verfluchte ergriffen und schreiend in sich hineinzogen. Darunter auch Jule, die aus irgendeinem Grund näher stand als die Anderen. Sir Ripel erkannte die Lage, galoppierte wahnwitzig neben den Strudel sodass ich Jule greifen und aus den Klauen der Tentakel befreien konnte. Während wir Abstand gewannen und die letzte Mutation aus unserem Körper gesogen und alle Unrettbaren in den Strudel verbannt wurden, schloss sich der Tunnel in das Reich der Ghoule schlagartig. Raphael und Amelie standen dort, schwer gezeichnet und verwundet, doch menschlich. Der Fluch des Wolfsteufels war nicht mehr. Allerdings war dies ein schwer erkämpfter Sieg, als ich erkannte, dass unter den Gefallenen auch Salvyro Notfink war. Raphael berichtete mir, dass einer der kolossalen Ghoul Leibwächter ihn in zwei Hälften gerissen hatte. Taggoob brach jegliche Verhandlung mit ihnen ab, er war erpicht darauf mit seinen Ghoulen das Reich Deyns zu erobern und trug keinerlei Interesse daran, den Fluch des Wolfsteufels zu brechen. Jule war es schließlich, die die Blutklinge ergriff und die Worte aus dem "Schwarzes Buch des Schädels" richtig interpretierte. Sie schaffte es, die Blutklinge in das Herz des Ghoulvaters zu treiben, wodurch die Kraft von tausenden, ermordeten Seelen, die in der Klinge ruhten, Taggoob zerfetzten und seinen Dimensionsriss umkehren ließ - alles Ghoulische ginge nun zurück in seine Dimension, nicht umgekehrt. Sir Walter Ripel verstand natürlich nur spärlich, was vorgefallen war, doch er freute sich von tiefem Herzen über den Sieg eines Dämons und klopfte jedem Einzelnen von uns, sogar den ehemaligen Verfluchten und den verwirrten und traumatisierten Mikaelanern, auf die Schulter. Er erkannte unseren schweren Kampf und erlöste uns offiziell von all unseren begangenen Sünden und von dem Ruf des Kreuzzuges, um Heim zu kehren und Frieden zu finden. Er müsse nur noch schnell Jeorgina einnehmen, dann wäre der Kreuzzug ohnehin vorbei, was wir keine Sekunde bezweifelten.

Während unserer wochenlangen Rückkehr nach Neu-Corethon sprachen wir nicht viel miteinander. Der Schmerz des Todes von Salvyro lastete schwer auf uns, auf mir wohl am Meisten, da ich ihn wohl hätte verhindern können wenn ich nicht desertiert wäre. Der Sieg über Taggoob konnte unsere Sünden nicht wiedergutmachen. Auch wenn die Stimmen der Zwölf Heiligen mich wieder erreichten, so waren sie verzerrt und stumpf, ich konnte ihre Anweisungen nicht verstehen. Auch die Tatsache, dass die Kirche des Lebenden Gottes durch die Orden ausgelöscht werden konnte, schmälerte den Schrecken nicht, den der Kreuzzug erst ausgelöst hatte - man muss die Frage stellen, ob es all das Leid schlussendlich wert war. Ewiger Hunger, Krankheiten, Massaker, Vergewaltigungen, Töten nur um des Tötens Willen - all das waren Begleiterscheinungen des "legendären Kreuzzuges", die im Nachhinein verschwiegen wurden. Viele der Kreuzzügler werden mit einem Trauma nach Hause gehen, welches sie vielleicht nie bewältigen werden. Doch das war nicht das Grausamste an der Fahrt, nein. Als wir als gebrochene Gestalten nach Neu-Corethon zurückkehrten, machte ich mich umgehend auf um die Transmutation rückgängig zu machen, der einzige Grund warum wir erst in dieses Land gegangen waren. Bruder Karl hatte die Anleitung fein säuberlich aus dem Nekromonikon abgeschrieben, sodass ich alle Mittel hatte um das Trüffelschwein und Drevin wieder zu trennen. Die Erlösung war nahe, und sie hat funktioniert. Dass Reittier, welches mich seit Beginn der Zwölf Prufungen begleitet hatte, erhielt sein altes Leben zurück. Auch wenn das ursprüngliche Schwein nicht überlebte, stand Drevin Cray wieder vor mir. Meine Augen funkelten vor Freude, als er die seinen langsam öffnete und mich registrierte. Doch sein Gesichtsausdruck schlug rasch um. Er hob abwehrend seine Hände und deutete mir, nicht näher zu kommen, doch ich konnte mich nicht halten. Meine Arme ausbreitend ging ich auf ihn zu, bis plötzlich eine quadratische Erdsäule zwischen uns Beiden hervorschoss. Ich verstand nicht, oder wollte nicht verstehen. Absolute Stille in meinem Kopf. Ein leises Rauschen kam herbei, wie eine Flutwelle der Emotionen, bis ich verstand. Drevin Cray war ein Magier, deswegen hatte der Erzdekan ihn mit dem Archäologen alleine gelassen und sich erlaubt, ihn uns als "Trüffelschwein" zu präsentieren. Und dennoch fühlte er sich für den Jungen verantwortlich. Wir haben all diese Schandtaten begangen um einen minderwertigen, dreckigen, versifften Magier zu retten. Ich konnte nicht anders als lachen, doch meine gutmütige Seele zerbrach endgültig in tausende Scherben, von diesem Tag an war mein Herz kalt und meine Gedanken bitter, höhnisch, und ohnmächtig ob meiner Situation. Ich würde ihn am Leben lassen, wenn er noch Heute die Insel verlassen würde, was er mit vielen Wiederreden akzeptierte. Hätte er es nicht getan, hätte ich ihn aus der Laune heraus ermordet. Doch ich würde noch genügend Möglichkeiten haben, unschuldige Leben zu nehmen, und ich konnte es kaum erwarten. Obwohl der Fluch behoben war, konnte ich nicht anders als Drevin hinterherzuschauen und es zu bereuen, nicht doch seine Eingeweide verzehrt zu haben. 

Dies ist das schreckliche Ende, von einer Geschichte ohne Hoffnung. Sie endete so, wie Er es wollte. Und wie die davor, und die, die noch kommen.

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