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Tagebuch Offenbarung eines Paladins

#21
Vorwort - Paladin Franziskus Maximilian Gerber, Solaner Orden Neu Corethon

Dies ist die Letzte der Heiligen Zwölf Prüfungen, die mir und dem Solaner Orden Neu Corethon auferlegt wurden, in denen wir mit außerweltlichen Ambitionen der Erzdämonen konfrontiert wurden. Die Vorfälle in diesem Kapitel stellen die chaotische Natur Skrettjah's und die Beziehung der Erzdämonen untereinander da und zeigt, dass wir von Anfang an ein falsches Bild durch die Indoktrinierung der deynistischen Kirche über das göttliche Gefüge und die Vergangenheit der Menschheit bekommen haben. Insbesondere wird vieles von dem, was ich berichte, nicht mit den Heiligen Schriften des Propheten Jakobus übereinstimmen. Dennoch hoffe ich, durch die Nennung von weltlichen Namen und Fakten genügend Zeitzeugen und Beweise hinterlassen zu können, um die Richtigkeit meiner Erlebnisse zu bestätigen. Während die Heiligen Schriften so geschrieben sind, dass sie sinngemäß interpretiert werden müssen und nicht immer wörtlich übernommen werden können, so ist meine Abschrift wörtlich zu nehmen. Der Versuch, die Grausamkeit des Geschriebenen durch Interpretation zu verschmälern, wäre ein Versuch, die Wahrheit zu verleugnen und damit auch alle, die dafür leiden mussten. 
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Rückkehr nach Corethon I. - Ankunft - Regenmond 1347

Seit unserer Rückkehr aus dem eroberten Szemää und der Konfrontation mit meinem ehemaligen Schützling Drevin Cray war mein seelisches Wohlbefinden an einem unumkehrbaren Tiefpunkt angelangt. Ich verlor meinen sonst selbstverständlichen Glauben an den Herren und zweifelte das Erlebte und das Kommende an. Ich entwickelte sadistische und sarkastische Tendenzen, indem ich das Schicksal selbst verspottete um mein überwältigendes Selbstmitleid vor Anderen zu verbergen. Übte ich früher Gewalt nur aus unbändiger Wut oder "Notwendigkeit" aus, empfand ich Genugtuung, Gewalt unverhältnismäßig einzusetzen oder Unschuldigen aus belanglosen Gründen mit dem Brechen von Knochen oder Einschlägen von Zähnen zu drohen. Viel davon war ein rebellischer Akt gegen Deyn. Da ich wusste, das ich aus meiner vorbestimmten Rolle nicht entkommen könnte, könnte ich zumindest bis zu den Grenzen des Möglichen gehen und gegen jegliche gute Tugenden handeln, alleine um die "Heuchelei" des Herren zu beweisen, selbst abscheuliche Verbrechen ausüben zu müssen um in seinen Götterplan hineinzupassen. So zögerte ich auch nicht, Erzdekan Michael Bonnington vor der Ordensgemeinschaft und einer Schar an Wegbegleitern, Forschern und Seemännern, welche ihn begleiteten, in der Prioreishalle voller Hass für seine Schandtaten zu beleidigen und zu verhöhnen. Das er zuließ, das Drevin verwandelt wurde und ihn dann an uns übergab, ohne uns etwas zu sagen - vollkommen im Wissen, dass er magisches Blut in sich trug, nur um sein schlechtes Gewissen zu befriedigen - und dass er uns dafür sogar in einen Kreuzzug entsandte, wo ein geliebter Ordensbruder von uns starb, ohne die ganze Wahrheit zu wissen. Wir diskutierten wild und er entschuldigte sich und bereute seine Tat, gekommen war er aber aus einem anderen Grund, als sich von einem niederen Ordensritter wie mir anschreien zu lassen.

Wieder einmal erteilte er uns einen Befehl, den er als "Gefallen" zu tarnen versuchte. Bereits seit Jahren plante er eine Expedition in die Unbekannten Lande, genauer gesagt die Insel Corethon. Sie sollte zu Ende bringen, woran sein alter Weggefährte und verstorbener Freund, Kapitän Jannes Starkwetter, scheiterte. Sie sollte Corethon kartographieren, die Vorgängerkolonie Neu-Corethons, und die Überreste von Starkwetter und seiner Mannschaft bergen. Doch eisern und mit feindlicher Gesinnung verweigerte ich, diesem Gefallen nachzukommen. Wir hätten bereits mehr als genug für ihn getan und gelitten, doch vor mir stand nicht mehr der umsichtige Erzdekan aus Asmaeth, sodass er mich in das Büro des Abtpräses beorderte. Dort erkannte ich bereits an der Farbe in seinen Augen, dass auch er die Kompromisslosigkeit als oberste Maxime erklärt hatte. Ohne Umschweife sprach er mich darauf an, dass seine Leibwache, mein Bruder Werner, wegen Fahnenflucht gesucht wird und er haargenau weiß, dass ich ihn auf Neu-Corethon verstecken würde. Und er traf ins Schwarze. Vor Monaten besuchte Werner mich unangekündigt und verkündete, einige Wochen bleiben zu wollen, um mich zu sehen. Doch im Vertrauen sagte er mir, dass der Riedländer Orden, in dem er diente, auf dunklen Wegen abgedriftet war und er sich vor Ihnen fürchtete. Zurück könne er nicht, da er fürchtete wegen Fahnenflucht gerichtet zu werden. Er würde die Zeit solange im Sôlerben Kloster, oberhalb der Himmelspforte, verbringen, um Rat im Gebet zu finden. Ich antwortete Michael nicht, was auch nicht notwendig war, denn er verlangte ab sofort, dass ich Verantwortung für die Feigheit meines Bruder übernehmen und stattdessen als Leibwache für ihn dienen solle. Dies nur, solange die Expedition geht, dann wäre ich erlöst und Werner könne von ihm aus hier sein Dasein fristen. Wenn ich mich geweigert hätte, hätte er den Riedländer Orden nach Neu-Corethon geschickt um sich ihm anzunehmen. Er traf meinen empfindlichsten Nerv - meinen kleinen Bruder. So willigte ich ein.

Auch Raphael wirkte nicht all zu begeistert von der Expedition. Er versuchte auf Michael einzureden, dass die gesamte Abfahrt zu hastig organisiert wurde und schlug ihm vor, noch eine Woche hier auf Anker zu liegen um alles durchzugehen, immerhin waren wir auf diesen Fall nicht vorbereitet. Doch den Protest schlug der Erzdekan in den Wind, da seine Expedition wohl nicht die Einzige war, die sich Corethon als Ziel genommen hatte. Eine verfeindete Archäologin namens Armira Leylek hätte mittels ihrem Geldgeber, Ehan-Djamil Rilfat, bereits eine eigene Kalifaten-Expedition auf die Beine gestellt um Corethon noch vor ihm zu erreichen, provokant ankerte sie bereits vor Neu Corethon. Als bekannt wurde, dass der Erzdekan dort hinfuhr vermutete sie dort große Schätze, weswegen sie unbedingt vor ihm Fuß auf die Insel setzen wollte. Aus diesem Grund ist jeder verlorener Tag ein Tag, der den Kalifaten nützen würde, sodass wir umgehend aufbrechen mussten. Wir gingen zum Schiff und machten uns mit der überschaubaren Mannschaft vertraut, denen die Vorfreude über das Abenteuer einer Expedition ins Gesicht geschrieben stand. Der Führungsstab bestand neben Michael als Archäologen aus drei weiteren Wissenschaftlern - dem Kapitän des Schiffs "Seelenfänger" und Biologen Rupert Seelbach, dem neugierigen, alten Astronom und Meteorologen Ludwig Ahrenholz sowie einem hitzköpfigen und hässlichen Kartographen und Geologen, aus der berühmten Gilde der Kartographen, Willfried Färber. Die Vier schienen in ihren Fachbereichen erfahrene und kompetente Männer zu sein die sich wissenschaftliche Durchbrüche in ihren jeweiligen Disziplinen auf Corethon erhofften. Bonnington, Ahrenholz und Färber hatten ihre Assistenten als Besatzung angeheuert: Paulus Dannfels als treuherziger Archäologie-Assistent und Drevin Cray Ersatz, Charles Seiler als neidischer Astronom-Assistent und Georg Bedney als lüsterner Kartographennovize. Während Dannfels  und Seiler auf ihre eigenen Arten und Weisen ehrgeizig waren, so schien Bedney großes Desinteresse an seiner Tätigkeit zu zeigen, aber dennoch arrogant genug zu sein mit seinem Status zu prahlen. Die Gebrüder Karl & Gunnar Paulsen rundeten das Bild ab, erfahrene Seemänner die bereits seit Jahren unter Kapitän Seelbach gedient hatten. Während Gunnar vor Langeweile betrunken an Deck eingeschlafen war, versuchte Karl uns von seinem fallicischen Akzent zu überzeugen. Er wurde erst einige Tage später als gebürtiger Tasperiner enttarnt.

Doch noch bevor wir das Schiff betreten hatten wurden wir Opfer einer Sabotage. Haltlos driftete die Seelenfänger in den Flutwellen hin und her, denn der Anker war gelöst und ruhte am Grund des Meeres. Im Hintergrund entfernte sich das kalifatische Schiff mit seinen giftgrünen Segeln, und ein Schwall der Beleidigungen begleitete sie auf ihrer Fahrt, die hauptsächlich von Bonnington und Seelbach ausgingen. Ohne Anker wäre das Schiff verloren, wir boten Michael an stattdessen mit unserem Ordensschiff, der O.S. Marina, zu fahren, doch er lehnte ab. Ein Geistesblitz brachte uns dazu, die Taucherglocke zu nutzen mit der man unter Wasser für eine Zeit atmen konnte und die lose Kette wieder am Anker zu befestigen. Jule meldete sich dafür freiwillig. Während wir das Schiff an die Strandpalme banden und verhinderten, dass es abdriftete, schaffte es Jule den Anker wieder zu befestigen. Dabei stellte sie fest, dass dieser definitiv per Hand gelöst wurde - ein Akt der Sabotage. Die Schuld wurde Leylek und Rilfat gegeben, während wir unsere Zimmer beziehen konnten. Auf hoher See ist es ein hohes Gut, eigene Doppelzimmer zu haben: Ich schlief mit Raphael in einem Raum, Jule und Amelie teilten sich eines, und Friedrich musste sich eines mit Paulus Dannfels teilen, doch da dieser ein angenehmer, braver Zeitgenosse war stellte dies kein Problem da. Wir kamen mit den Expeditionsteilnehmern ins Gespräch, ich vor allem mit Willfried Färber, unserem Kartographen. Er diente gemeinsam mit Kapitän Seelbach im Haldarkrieg und hielt viel von ihm, aufgrund seiner breiten Statur und der groben Art ähnelten wir uns sehr. Sein Gesicht war ebenfalls entstellt wie Meines, er roch unangenehm und gab dafür Professor Ahrenholz die Schuld, der ihn damals wohl mit Säure behandelt hatte. Ich fragte ihn, weshalb so viele Wissenschaftler hier wären, und er meinte die Expedition würde sich nicht von selbst bezahlen. Wenn die Expedition wissenschaftliche Erkenntnisse oder Artefakte liefert hätten alle etwas davon, und nur so konnte Bonnington eine Mannschaft erst anheuern. Niemand würde diese ewig lange Reise nach Corethon antreten, wenn man nur einen alten Körper beisetzen und danach wieder das Weite suchen würde. Zu Mittags trafen wir uns in der Kantine wieder und besprachen die gesamte Situation. Ich äußerte früh den Verdacht, dass der Saboteur sich unter der Mannschaft befinde, denn die Kalifaten waren schnell wieder gefahren und hätten ihren Saboteur mitnehmen müssen, in der kurzen Zeit nicht möglich. Dieser Verdacht bestätigte sich schnell, denn das Wasser, das wir tranken schmeckte salzig wie das Meer.

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Michael stürmte daraufhin die Vorratskammer um die Wasserfässer zu begutachten - und eine Kostprobe bestätigte, dass unser Trinkwasser ungenießbar war. Ein offener Salzsack daneben bewies, dass jemand absichtlich das Trinkwasser sabotiert hatte. Raphael versuchte erneut, auf Michael einzureden dass man ohne Trinkwasser keine Expedition überleben würde, und riet ihm an vorerst umzukehren. Doch er hatte nichts dergleichen vor, sondern trug mir auf, den Saboteur zu finden, wir Solaner waren immerhin für die Sicherheit an Bord zuständig. Karl Paulsen, mit seinem verdächtigen Akzent, war uns als Erstes suspekt, sodass wir sein Zimmer stürmten und ihn unter Gewaltandrohung zur Rede stellten. Dort stand er, mit blutrotem Hemd am malen, verdattert, und ich verurteilte ihn schon zum Tode. Allerdings war dies nur Farbe, und er gab seinen fallicischen Akzent auch rasch auf. Amelie entdeckte, dass er versuchte seinen Unterarm zu verbergen, sodass er ihn uns zeigen musste - eine große, schwarzflächige Tättowierung, auf der "Prisón la Merge" eingestochen wurde. Er gestand, ein ehemaliger Häftling zu sein und bat uns darum, über dies Stillschweigen zu bewahren, denn Kapitän Seelbach würde Verbrecher sofort über Bord werfen, wie es auf hoher See üblich war. Seine Unschuld bezüglich der Sabotageakte beteuerte er dennoch, und tatsächlich glaubten wir ihm, sodass wir von dannen zogen. Danach bedrängten wir, nur aus persönlichem Groll von dem Färber mir berichtete, Professor Ahrenholz, der so alt war dass er sich kaum wehren konnte. Ich drohte ihm mit Schläge und dem Brechen von Knochen und beschuldigte ihn ohne jeden Beweis oder Indiz, der Saboteur zu sein, und verlangte die Wahrheit zu wissen. Selbstverständlich wehrte er sich gegen die haltlosen Anschuldigen, aber nur solange bis ich einen Brief von seinem Tisch hob, der an den Kalifaten Rilfat adressiert war. Er gestand, mit diesem in einer Geschäftsbeziehung zu stehen, doch schon seit Jahren und das bevor diese Expedition überhaupt losging. Da auch dies kein Verbrechen war und der Mann so alt war, dass er sicher nicht den Anker lösen konnte, ließen wir ihn ziehen. Allerdings bekam er Zimmerarrest aufgrund der Verbindung zu den Kalifaten, die er murrend hinnahm. Aus einem mir noch viel schleierhaften Grund - wahrscheinlich Dummheit - spielten wir daraufhin mit Georg Bedney im Spielzimmer Würfelspiele, anstatt zu ermitteln. Man spielte gegen Bedney, und wer verliert, musste offenbaren warum er wirklich mitgekommen war. Stellt sich heraus, das unser Orden großes Würfelpech hat und die Meisten eigene Anreize hatten, mitzufahren. Friedrich wurde von Ahrenholz ein Lehrstuhl versprochen, Raphael hat furchtbare Angst vor Corethon weil er schon einmal dort war, Jule würde von Färber einige Fische geschenkt bekommen und Amelie würde Überreste ihres Großvaters vom Kapitän bekommen - WENN diese Personen überleben würden. Und das war nicht leicht, das wissen die Götter ganz sicherlich. Denn ich und Cho'theng, wir versuchten alles, um so vielen wie möglich ihre Leben zu nehmen. Unser Ziel war es, ihre Köpfe abzutrennen, für das Wohle aller.

Ich hatte als Einziges höher gewürfelt als er, wodurch ich nicht Preis geben musste, dass Michael mich mit Werner erpresst hatte. Bedney auf der anderen Seite offenbarte uns nun, was er wusste, doch es war nicht viel. Er hatte weder mit dem Anker noch mit dem Salz im Wasser zu tun, das Einzige was wir herausfanden, war, dass Färber sich gut um ihn gekümmert hatte als er in der Gosse war und er deswegen seinem Lehrstuhl beigetreten ist. Er trug die gleiche "Prisón la Merge" Tättowierung wie Karl Paulsen, was eine Kameradschaft zwischen den Beiden bestätigte. Da aber auch er der Kriminalität - außer dem Glücksspiel - abgeschworen hatte, sahen wir keinen Grund ihn beim Kapitän zu melden und ließen ihn in Ruhe. Der Tag war nun an seinem Ende angelangt, und die Erlebnisse machten uns müde, sodass wir uns auf unsere Zimmer zurückzogen. Ich wollte Nachtwache auf dem Schiff halten, aber Raphael beruhigte meine Paranoia indem er mir ein großzügiges Glas Prioreiswein einschenkte, welchen er mitgenommen hatte. Wir redeten den Abend miteinander, erheiterten die missliche Lage mit Erlebnissen aus der Vergangenheit und den Eigenartigkeiten unseres Ordens um uns abzulenken. Schnell hatte ich die halbe Flasche alleine geleert und der schwere Rotwein drückte bereits auf meine Augenlider, sodass wir früh zu Bett gingen. Ich schlief die Nacht dank des Weines und dem angenehmen Schiffsschaukeln durch und wurde am nächsten Morgen erst durch das Gebrüll eines wildgeworbenen Willfried Färbers geweckt. Schlaftrunken taumelten wir in den Raum des Navigators und sahen, dass die Seekarte in schwarzer Tinte ertränkt und dadurch unlesbar wurde. Wir würden nun blind nach Corethon fahren. Raphael versuchte erneut Michael zum Umkehren zu bewegen, während ich anfing mich mit Färber zu prügeln da wir uns gegenseitig provoziert hatten. Ein paar klärende Schläge später erklärte Färber, dass er in der Lage wäre die Karte neu anzufertigen. Bedney kam angestürmt und meldete, dass seit gestern Abend die Ausrüstung in seinem und Färbers Raum gestohlen worden war, die sie für ihre geologische Arbeit benötigen würden. Fuchsteufelswild sperrte Michael sich in seinem Zimmer ein und erklärte, dass er erst rauskommen würde wenn wir den Täter gefunden hatten. Nachdem ich mit dem Expeditionsleiter und meinem kirchlichen Vorgesetzten einige Beleidigungen austauschte bevor er sich verkroch durchsuchten wir das Schiff nach Hinweisen und wurden rasch fündig. Im Glücksspielraum, wo wir gegen Georg Bedney gewürfelt haben, fanden wir Charles Seiler, der bauchlings in einer Blutlache lag, mit einer klaffenden Wunde am Hinterkopf. Ein blutiger Schürhaken, der neben ihm lag, bestätigte, dass er ermordet wurde. Der Saboteur erhöhte den Druck wohl gewaltig.

In diesem Moment stürzte Kapitän Seelbach in den Glücksspielraum, während ich mit dem blutigen Schürhaken in der Hand hinter dem Leichnam stand. Aufgrund meines verdrehten und verbitterten Gemütszustandes gab ich vor, zu gestehen, ihn ermordet zu haben. Meine Kameraden waren schockiert und Raphael brüllte, dass ich es nicht gewesen sein kann, einer Festnahme konnte ich dann noch knapp entgehen. Auch der Kapitän übertrug uns als kriegerischen Solaner und kirchlichen Seelensalber die Aufgabe, den Mord aufzuklären. Friedrich berichtete, dass Paulus Dannfels heute Morgen nicht in seinem Zimmer war, weswegen wir ihn umgehend befragten. Er gab an, um 6 Uhr Morgens aufgestanden und auf Deck spazieren gegangen zu sein, wie jeden Morgen. Sagen konnte er uns, dass Seiler sich oft mit Georg Bedney getroffen hat und die Gebrüder Paulsen ihn eher zu meiden schienen. Aufgrund seiner gutmütigen Natur und da ihm ein Motiv fehlte, schlossen wir Dannfels als Verdächtigen aus. Da das Zimmer von Professor Ahrenholz nahe am Glücksspielraum war und der ermordete Seiler sein Assistent und Zimmergenosse war, befragten wir den unter Hausarrest stehenden Meteorologen. Auf die Meldung, dass sein Assistent ermordet wurde, reagierte er allerdings mit einem drohenden Herzinfarkt, den ich als schauspielerisches Getue abtat. Als er anfing spastisch zu zucken und meine Ordensbrüder brüllten, ich solle ihm endlich helfen, schob ich ihm einige Pastillen in den Rachen auf die er deutete, und schleuderte den Rest wutentbrannt durch den Raum. Er bestätigte Paulus' Aussagen, dass er sich oft mit Bedney traf und die Paulsens mied. Bedney kam gestern nicht mehr aufs Zimmer, Ahrenholz' Gehör war allerdings so schlecht, dass er nichts vernahm. Die Erlaubnis, seine Habseligkeiten zu durchsuchen, gab er uns, und so fanden wir Briefe von Georg Bedney an Charles Seiler, in denen er seinen Hass ihm gegenüber beteuert, als auch eine Schatulle voll Gold unter dem Bett von Seiler. Offensichtlich war das freundschaftliche Getue der Beiden nur Schauspielerei, aus irgendeinem Grund erpresste Seiler Bedney wohl. Mit diesen Beweisen und einem passenden Motiv stürmten wir das Zimmer von Bedney, und noch bevor er ein Wort sagen konnte hatte meine Linke ihn schon am Kragen und meine Rechte war zu einer Faust des Verderbens gebildet worden, die sich danach sehnte, mit seinem Gesicht vereint zu werden. Ich fragte ihn, wo er Heute Nacht war, doch ich hörte die Antwort vor rasender Kampfeslust nicht, sie kümmerte mich auch nicht. In diesem Moment verwickelte mich der angeraste Willfried Färber von Hinten in ein Handgemenge, und wir stillten unsere Raserei aneinander. Gegen den Veteranen musste ich mich geschlagen geben, lauthals brüllte er, dass sein "Sohn" unschuldig sei und den ganzen Abend mit ihm verbracht hätte. Er gestand unter Tränen, der Vater von Georg Bedney zu sein und ihn deshalb zu seinem Assistenten gemacht zu haben, um all die verlorenen Jahre gut zu machen und sich nun um ihn zu kümmern. Perplex und angewidert von dieser Offenbarung, die einen keuschen Ordensritter wie mich kalt ließ, konnten wir nicht anders als woanders nach dem Täter zu suchen.

Wir folgten einem plötzlichen Geistesblitz von Amelie. Wenn Seiler von Bedneys kriminellen Hintergrund wusste, dann könnte er auch die von Karl Paulsen gewusst haben und diesen ebenso erpressen? Wir stürmten also das Zimmer der Paulsens und stellten es erneut auf den Kopf. Dieses Mal jedoch war die Beweislage eindeutig und erdrückend - in einem Kleiderstapel fanden wir eine von Kohlestaub verdreckte Matrosenuniform sowie eine blutbefleckte Kochschürze, welche zu Gunnar Paulsen, dem Schiffskoch, gehörte. Seine Festnahme war schnell und unkompliziert. Als Raphael ihm sein Motiv aufsagte (der Hass gegen Seiler, da er seinen Bruder Karl mit seiner kriminellen Vergangenheit erpresste) ließ dieser sich widerstandslos festnehmen und zeigte keine Reue für seine Tat. Allerdings bestritt er weiterhin, mit den anderen Sabotageakten in Verbindung zu stehen und beteuerte, dass es noch immer einen Saboteur an Bord gab. Wir steckten ihn in eine Zelle und versammelten uns mit dem Rest der Mannschaft vor der Zelle am Unterdeck. Michael Bonnington reagierte frustriert und erbost, als wir ihm berichteten, dass Gunnar Paulsen wohl nicht der Saboteur war. Er warf mir vor, etwas übersehen zu haben, und dies ließ mein Herz in die Hose rutschen. Ich sah zu Raphael, und erinnerte mich, dass er bei der Besprechung in der Priorei am Anfang der Reise gegangen war um "Wein zu holen", kurz bevor der Anker sabotiert wurde. Dass, während wir am Anfang der Reise die Leute befragten, er als Einziger mit Niemandem gesprochen hatte, vermutlich weil er das Trinkwasser versalzte. Dass er mich an jenem Abend, wo die Seekarte in Tinte ertränkt wurde, eine ganze Flasche Rotwein austrinken ließ und ich in einen bombensicheren Schlaf fiel. Dass er jedes Mal versuchte, Michael davon abzuhalten, diese Expedition fortzusetzen. Ich traute mich kaum, meinen Verdacht auszusprechen, doch ich wusste was meinem kleinen Bruder blühen würde, wenn diese Expedition nicht stattfinden würde. Um Werner's Willen fragte ich meinen geliebten Prior, ob er der Saboteur wäre. Daraufhin ging er wortlos zu Michael, legte ihm die Hände auf die Schultern und flehte diesen weinend an, dass wir umkehren müssten. Wir nicht nach Corethon fahren dürfen. Er gestand und versuchte ein letztes Mal die Katastrophe zu verhindern, die folgen würde, doch der Götterplan ließ sich nicht aufhalten. Michael befahl geistig umnachtet seine Festnahme, und so schritten sein treuherziger Assistent Dannfels und Kapitän Seelbach auf ihn zu, doch sie machten vor mir, meinem gezogenen Anderthalbhänder und der Drohung, dass ich alle töten würde die Raphael berührten, Halt. Raphael selbst war es aber, der mir Einhalt gebot. Michael, von diesem Bruderverrat gebrochen, denunzierte seinen Bruder, entfremdete sich von ihm und sperrte ihn zu dem Mörder Gunnar Paulsen hinter Gitter. Unsere Proteste wurden in den Wind geschlagen, die gesamte Schiffsbesatzung war gegen uns - und ich selbst fügte mich dem Willlen demjenigen, der mich erpresste und den ich schützen musste. Einen letzten Befehl gab es noch: Die Expedition werde um jeden Preis fortgesetzt. Der Ausguck, Karl Paulsen, brüllte schon Stunden später, dass Land in Sicht war. Das verfluchte Eiland Corethon wurde erreicht, und der Schatten Cho'Thengs legte sich erdrückend über uns alle.

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#22
Rückkehr nach Corethon II. - Der Schwarze Turm - Regenmond 1347

Gleich nachdem Karl Paulsen verkündete, dass Land in Sicht wäre, befahl Erzdekan Michael Bonnington Vorräte und Gerätschaften zum Abladen bereit zu machen. Als wir uns der Insel näherten konnten auch wir einen Blick auf das berüchtigte Corethon werfen - und konnten auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches erkennen. Wie jede andere Westwindinsel war sie stark tropisch; eine gebirgige Insel mit einem Feuerberg wie auf Neu Corethon oder Cabu, geprägt von vielen Palmenbäumen, weißen Stränden und einem dichten Urwald sowie mehreren, zugehörigen kleineren Inseln, die sie umrundete. Michael bekräftigte noch einmal die Ziele seiner Expedition, sichtlich gebeutelt davon, dass er seinen eigenen Bruder in eine Zelle steckte: Die Bergung sämtlicher Leichname der vorherigen Expedition unter der Führung von Jannes Starkwetter, die Kartographierung der Insel und die Durchführung diverser wissenschaftlicher Forschungen je nach den Disziplinen der Forscher an Bord. An einer abgelegenen Stelle ankerten wir und schlugen nahe am Strand, auf einer höher gelegenen Lichtung, unser Basislager auf. Der närrische Paulus Dannfels, Archäologie-Assistent unter Michael, kletterte auf den Bäumen herum und wollte gefangen werden. Wir spannten zu spät eine Zeltplane, denn er kam unglücklich auf und verstauchte sich sein Knie, womit er arbeitsunfähig wurde. Nachdem die Zelte schließlich standen wollte Michael keine weitere Zeit verschwenden und umgehend mit der Kartographierung der Strände beginnen. Er teilte die Expedition in zwei Gruppen auf: Eine sollte in Richtung Osten den Strand abgehen, die anderen in Richtung Westen. Der alte Meteorologe mit Herzproblemen, Ludwig Ahrenholz, musste hierbleiben, der Künstler Karl Paulsen passte auf ihn auf, während der verletzte Dannfels auf das Schiff und die Gefangenen Acht gab. Sohn Georg Bedney und sein Vater und Kartograph Willfried Färber begleiteten Jule und Friedrich nach Westen, während ich mit Amelie, Kapitän Rupert Seelbach und Erzdekan Michael Bonnington nach Osten ging.

Mit dem Versprechen, bei Sonnenuntergang zum Basislager kehrt zu machen, brachen die Gruppen auf. Wir gingen den Strand entlang, mit dem Ziel, einen höheren Aussichtspunkt zu finden von dem aus man eventuell die Absturzstelle des Heißluftballon von Jannes Starkwetter finden konnte. Raphael hatte berichtet, dass Starkwetter versuchte mit so einem Fluggerät zu fliehen, doch beim Versuch die Insel zu verlassen von einem Blitz getroffen wurde und brennend in das Meer stürzte. Seelbach machte uns darauf aufmerksam, stehen zu bleiben und zu lauschen - doch wir hörten nichts. Wir hörten gar nichts neben unserem Geschnaufe und das Rauschen der Wellen. Kein Getier oder Unrat in den Palmen, keine Möwen am Himmel, nicht einmal Mücken die an unserer Haut klebten. Wenn es hier einmal Lebewesen gab, so waren sie ausgestorben. Beunruhigt setzten wir den Marsch fort und stießen bald auf die ersten Leichname am Strad. Sie waren alle ausnahmslos Knochengerippe, die von der Meeresströmung vor langer Zeit angespült wurden, vermutlich bereits vor der Starkwetter-Expedition. Irgendwann stießen wir auf allerhand Schleif- und Stiefelspuren, die auf weitere Schiffbrüchige deuteten - Michael vermutete, dass die Kalifaten hier anlandeten. Wir verfolgten ihre Spuren und stießen neben dem Strand, auf grasiger Erde, auf zwei deynistische Gräber. "Rico Grün" und "Benzer Morondale" lagen dort, Michael erinnerte sich, dass sie Teil der gescheiterten Starkwetter-Expedition waren. Man einigte sich darauf, die Körper der Beiden bei der Abreise zu bergen, und machte sich auf, eine Gebirgsklippe am Strand mittels Seil und Enterhaken zu erklimmen. Am Gipfel sahen wir, dass auf einem Felsvorsprung im Meer ein hölzernes Doppelkreuz errichtet wurde. Auch erkannten wir in der Ferne eine zweite, kleinere Insel, sowie einen Eingang zu einem düsteren, von Menschenhand errichteten, tempelähnlichen Höhleneingang, dem wir vorerst fernblieben. Vor allem aber erkannten wir in der Ferne das Schiff von Armira Leylek und dem Scheich Ehan-Djamil Rilfat.

Wutentbrannt stürmte Bonnington eine Serpentine zu den Abrizzah Gläubigen hinab, wo die zärtlich gebaute, aber überhebliche und übertrieben geschminkte Armira Leylek bereits wartete. Das Gespräch eskalierte sehr schnell in gegenseitige Schuldzuweisungen: Michael warf ihr vor, unsere Expedition sabotiert zu haben, während die Kalifaten uns ankreideten, einen Großteil ihrer Besatzung entführt zu haben. Es stelltr sich heraus, dass in einer Nacht allein die Hälfte der kalifatischen Expeditionsmitglieder verschwanden. Da das Gespräch drohte in einem Massaker auszuarten, zog Amelie die Reißleine und schleifte mich und Michael an den Ohrläppchen weiter den Strand entlang, während wir unser gesamtes Schimpfwort-Repertoire auf die Schwarzhäutigen abfeuerten. Schon wenige Minuten danach trafen wir auf freundliche Gesichter, Gruppe Zwei erstattete dem Erzdekan Bericht. Sie berichteten von einer verlassenen, primitiven Siedlung, die sie gefunden hatten: Heruntergekommene, überwucherte Hütten aus Holz, die wohl schon länger keine Menschen mehr zu Gesicht bekamen. Wer auch immer dort lebte, fand sich vermutlich jetzt in dem Berg von Knochen, welchen sie in der Siedlung fanden. Irgendjemand, oder etwas, hat die Leichname wohl auf einen Haufen gelegt, aus welchen Gründen auch immer. Michael befahl mir, die anderen Vier auf den Neuesten Stand zu bringen, was ich tat, bevor die Sonne den Horizont küsste und wir zurück in unser Lager kehrten. Auf den Weg fanden wir einen genießbaren Wasserbach, an dem wir uns erfrischten, und wollten Ahrenholz und Karl Paulsen von der Quelle berichten, als Färber plötzlich auffiel, dass sein Sohn fehlte. Bedney war nicht mehr bei uns. Ich nannte Färber einen Idioten, da sein eigener Sohn in seiner Gruppe war und er nicht auf ihn aufgepasst hatte, doch er schwor, dass er bei der Wasserquelle noch direkt hinter ihm war, was Ziethen bestätigte. Aber keiner hatte ihn gehen sehen. Färber wollte ihn suchen, so wie wir alle, doch Michael hielt uns zurück, da bald die Nacht hereinbräche und wir ihn in der Dunkelheit unmöglich finden konnten. Er befahl mir, die restlichen Laternen vom Schiff zu holen, was ich tat. An Bord rief ich nach Dannfels, dass er mir beim Abladen helfen soll, doch ich bekam keine Antwort. Ich wurde stutzig, denn keiner antwortete. Ich ging unter Deck zur Brig, und fand den regungslosen Archäologen in der Zelle. Mit geschlossener Tür. Alleine.

Ich riss die Zellentür auf und eilte zu dem Jungen und bekam ihn wachgerüttelt. Ich nannte ihn einen Vollidioten und fragte, was er hier täte, da meinte er nur dass Gunnar Paulsen ihn nett gefragt hätte, ob er aufmachen könnte, und er tat es gutgläubig. Da hat Gunnar ihn niedergeschlagen, in die Zelle gelegt und ist mit unserem Raphael geflohen. Wenn er nicht so hilflos wäre, hätte ich ihn an Ort und Stelle mit dem Schwert erschlagen und es Gunnar in die Schuhe geschoben, doch mein Orden kam mir zu vor. Die Glaubensbrüder fragten, wo ich denn so lange bleiben würde, da erkannten sie selbst was geschehen war. Wir packten ihn und setzten mit ihm zum Basislager über, wo wir ihn vor den Erzdekan stellten. Dieser betitelte ihn in einer explosiven Rage als Fachidioten, riss ihm seinen Archäologenhut vom Kopf und feuerte ihn. Wir suchten verzweifelt eine Erklärung für die ganzen Verschwundenen, und fanden sie: die Kalifaten waren eindeutig Schuld. Sie entführten unsere Expeditionsteilnehmer, da sie Ausländer und Ungläubige waren. Der neu entfachte Rassenhass führte uns allerdings Heute nirgendswo mehr hin, denn die Nacht brach herein. Michael befahl, bis zum Morgengrauen mit einer Suchaktion zu warten, und widerwillig versuchten wir Schlaf zu finden. Als wir am nächsten Morgen Ausrüstung wie Lampen, Seile und Kletterhaken zusammensuchten, bemerkte Jule, dass Friedrich Ziethen fehlte. Michael wollte Rupert Seelbach fragen, ob er ihn gesehen hat, doch auch dieser antwortete nicht. Er war ebenso wie vom Erdboden verschluckt. Ein leichter Nieselregen fing an zu fallen, der immer schwerer und intensiver auf uns einprasselte. In seinem mittlerweile gefestigten Wahn war Michael überzeugt, dass jeder außer Dannfels - da dieser verletzt, nutzlos und gefeuert war, er sollte auf das Schiff aufpassen - an der Suchaktion teilhaben muss, sogar der alte Ahrenfels. Sämtliche Proteste schlug er mittlerweile blindlings in den Wind. Wir waren uns sicher, dass Ziethen und Seelbach bereits Nachts aufgebrochen waren um die Verschwundenen zu suchen, und folgten deshalb ihren Fußspuren die Richtung Osten führten. Erneut fiel uns auf, wie beunruhigend und drückend still es auf dieser Insel war. Wir verfolgten die Spur bis zu jener Klippe mit dem Doppelkreuz; bis zu jenem Höhleneingang, den wir gestern bereits gefunden hatten. Am Höhleneingang waren Initialen eingeritzt, die wir gestern nicht entdeckt hatten: "R.B." und "L.S.".

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Ein Hinweis auf Raphael Bonnington? Doch wer war dann "L.S."? Gunnar Paulsen sicher nicht, auch nicht Georg Bedney, Rupert Seelbach oder Friedrich Ziethen. Doch wir fanden mehrere Fußspuren, die darauf hindeuteten, dass hier wer vorbeigekommen sein muss. Und so traten wir in die düstere, weitläufige Höhle ein. Die Luft roch faulig, dick und schwül schien sie sich nicht von der Lunge lösen zu wollen. Überall sahen wir dunkle, dicke Gewächse, die sich wie Wurzeln über die gesamte Höhle zogen. Der Weg führte mehrere Ebenen herab, die wir herunterklettern mussten, während wir nach den Verschwundenen riefen. Während wir immer weiter hinabstiegen, tiefer in dieses Pflanzengeschwür hinein, war Ahrenholz davon überzeugt, dass die Gebilde hier auf eine längst ausgestorbene Zivilisation deuten würden. Ich ging voraus und erkannte eine Gestalt im Schatten, ungefähr der Größe eines Menschen, die mich an Raphael erinnerte. Doch als ich näher trat, erkannte ich lediglich ein abscheuliches Wesen. Von Pilzen überzogen, auf vier deformierten Beinen wandelnd, mit tiefschwarzen Augen, doch ohne Nase und Ohren. Sein Bauch war hängend, dick, rundlich, und von ungesund bunten Adern überzogen. Neugierig trottete es auf mich zu, da schoss Jule bereits einen Bolzen aus ihrer Armbrust, und ein Kampf entbrannte. Ein extrem beißender Gestank begleitete das dickflüssige, dunkelrote Sekret welches sich aus der Wunde des Wesens löste, und es schrie markerschütternd vor Schmerz einen Hilferuf aus. Ahrenholz plädierte mehrmals, den Kampf einzustellen, da die Wesen wohl Pflanzenfresser waren und sich lediglich verteidigen würden, doch es stürzten bereits zwei Weitere aus den Schatten. Sie bissen mit ihren fauligen Zähnen zu, und ihr Speichel ätzte sich durch das Metall unserer Rüstungen, doch natürlich hatten sie gegen uns Solaner keine Chance. Wir penetrierten ihre Bäuche, worauf sie schnell verendeten - doch aus den Bäuchen heraus sonderten sich Jungtiere von ihnen ab. Sie waren schwanger, doch etwas stimmte mit den Neugeborenen nicht. Zwei kamen tot auf die Welt, das Dritte lebte jedoch - die Gliedmaßen, die es hatte, das hässlich verzogene knallrote Gesicht, es erinnerte uns an einen Menschen. Es schrie mit einer unnatürlich tiefen Stimme als hätte es unerträgliche Schmerzen. Während Ahrenholz uns dafür denunzierte, schwangere Wesen getötet zu haben, beendete Amelie mit ihrer Klinge das Leid des Neugeborenen. Es folgten wilde theologische Diskussionen darüber, wie weit Wissenschaft gehen darf, und wann der Glaube einschreiten muss, wobei sich vor allem Ahrenholz und Bonnington stritten.

Doch Ahrenholz entdeckte bereits ein neues Wunder der Natur, welches ihn ablenkte. Einige gigantische, farbenfrohe Blumen zeichneten eine Steinwand weiter vorne, mit einer gewaltigen Knospe in der Mitte, welche glibbrig pulsierte. Der Rest der Expedition konnte diese Faszination nicht teilen und wir wichen vor der Pflanze zurück, doch Ahrenholz trat näher und berührte es behutsam an ihrem Stängel. In dem Moment sprang die gewaltige Knospe auf, offenbarte ihren fleischigen, von Knochen gezeichneten Inhalt und hätte ihn um eine Haaresbreite erschlagen. Amelie preschte nach vorne, streckte die Hand zu Ahrenholz aus, doch sie war einige Sekunden zu spät. In unfassbarer Geschwindigkeit schnürten sich die gewaltigen Ranken um den Meteorologen, brachen ihm dabei seine Knochen und warfen ihn in das Innere der Knospe. Professor Ludwig Ahrenholz, der Schiffsmeteorologe, war tot. Wir Solaner stellten uns schützend vor Michael Bonnington, Willfried Färber und Karl Paulsen, und wehrten hiebend die Ranken ab während wir über wackelige Holzbrücken nur noch tiefer in den Höhlenkomplex fllohen, hinab in eine finstere Grotte wo das Sonnenlicht niemals hinfindet. Und oh wie bitter wir allesamt, bereuten, hergekommen zu sein, selbst Michael war kreidebleich. Dennoch wagte er es nicht, auch nur auszusprechen, die Expedition abbrechen zu wollen. Wie auch? Wir konnten nur nach vorne weiter, wir würden ohne Raphael diese Insel nicht verlassen. Und er war irgendwo dort unten, dessen waren wir uns sicher, genau wie die Anderen. Doch ich hatte ihn gefunden. In einen Tümpel, durch den ich watete, sah ich ihn am Grund des Boden. Raphael, er streckte seine Hand nach mir aus, die Fluten zogen ihn immer tiefer nach unten. Entgegen meiner Todesangst vor dem bodenlosen Ozean, stürzte ich hinterher, in die Tiefen. Zu ihm hinunter. Ich hörte noch die entfernten Stimmen von Amelie und Jule, wie sie mir hinterherriefen. Wie sie schreiten und brüllten, doch es war zu spät. Ich war zu tief, und sie konnten mir nicht folgen. Auch ich konnte Raphael nicht erreichen, er sank immer weiter.. bis er verschwunden war, und ich allein in der Dunkelheit war. Wasser füllte meine Lungen, und ich fochte einen verzweifelten Überlebenskampf, den ich verlor. Schwärze. Der Rest der Gruppe konnte nur beobachten, wie Franz in einem knietiefen Tümpel immer tiefer sank, sie kratzten verzweifelt am Steinboden, doch es war zwecklos. Auch Michael sah ungläubig hinab, wie sein letzter Leibwächter ihn ebenfalls verraten und im Stich gelassen hatte. Doch auch das änderte nichts an seiner Entschlossenheit, auch  er nur noch Gestammel hervorbrachte. Aber, Franz Gerber ist nicht gestorben. Er war noch immer da, und er erkannte die Wahrheit dieses Ortes. Seine Augen waren stets auf die Gruppe gerichtet.

So sah er auch, wie kurz darauf ein Beben die Höhle erschütterte und sich hinter der verbliebenden Gruppe Staub aufwirbelte. Herabgestürzte Felsen versperrten nun den Rückweg, und ein spitzes Gelächter verhöhnte die Gruppe. Aus dem versperrten Gang wand sich ein ungreifbares, pechschwarzes Wesen wie Nebel an den Überlebenden vorbei. Es verlor sich weiter unten im Höhlengang, wo der Raum schlagartig viel größer, düsterer und stiller wurde. Sie sahen plötzlich über ein verborgenes Dorf im Untergrund, die einzige Lichtquelle waren vereinzelte, düstere Laternen, die durch die Dunkelheit stießen. Überall ragten haushohe Pilze in verschiedensten Farben und Variationen empor; doch im Gegensatz zur Oberfläche war es hier alles andere als verlassen. Zwischen den hölzernen Strukturen huschten Gestalten hin und her, doch noch waren sie nicht zu sehen. Das Archäologen- und Künstlerherz von Michael Bonnington und Karl Paulsen schlug höher, während die restlichen Solaner Amelie de Broussard und Jule Weber verdrossen bereits planten, die Siedlung niederzubrennen. Lediglich Willfried Färber, als altgedienter Kartograph, ließ die Entdeckung dieser verborgenen, lebenden Kultur kalt. Nur ein schwarzer, aus fremden Steinen gebauter, hochragender Turm vermochte es, in der Dunkelheit einen Schatten auf das Dorf und das Herze aller zu legen. Kalt und bedrohlich ragte er auf einer Anhöhe nicht weit entfernt vom Dorfe, so als ob er alle Bewegungen genau im Blick hätte. Vorsichtig bahnten sie sich ihren Weg zwischen die Häuser. Sie betrieben unter anderem Landwirtschaft, schienen das Feuer und einfache Architektonik zu beherrschen. Neben einer der verschlagenen Hütten machte Karl Paulsen ein menschliches, vertrautes Schluchzen aus - das Schluchzen von Kapitän Rupert Seelbach! Wimmernd saß er auf einer Bank, doch er erkannte seine Kameraden und sie fielen sich in die Arme. Er berichtete bestürzt davon, dass ihn Nachts Stimmen hierher geführt hätten, laut eigener Aussage muss er geschlafwandelt sein. Als er wieder zu sich kam, war er bereits hier. Er sprach von Pilzwesen, die er "Menschenähnlich" nannte; sie fanden ihn, gaben ihm Wasser und ekelhaftes Essen. Sie kümmerten sich um ihn und schienen eine Sprache zu sprechen, die Seelbach und Bonnington auf vergangenen Expeditionen entdeckt hatten - Fungi. Vor allem in unterirdischen Grotten und Tempeln wurden Inschriften dieser Sprache gefunden, doch nun hatten sie den Beweis, dass diese Kultur nicht ausgestorben war. Diese Entdeckung alleine würde für eine wissenschaftliche Revolution sorgen. Tatsächlich fand Bonnington Hinweise darauf in den vielen Notizblättern, die er mitbrachte, einige Inschriften konnten sinngemäß übersetzt werden. Seelbach warnte davon, die Wesen nicht anzugreifen, da sie friedlich gestimmt waren.

Doch auf einen Schlag schien sein Gemüt umzuschlagen. Er sprach stotternd von einem "toten König", der ihn beobachten würde. Als er glaubte, ihn gesehen zu haben, fing er an lauthals zu brüllen, dass er zurück auf See möchte und flehte Michael an, zu fliehen. Die Beruhigungsversuche durch Amelie und Jule kamen zu spät, er hatte bereits die Aufmerksamkeit der Bewohner auf sich gezogen. Zuerst waren es nur einer, dann zwei, bis rasch ein ganzes Dutzend vor der Gruppe stand. Auf zwei Beinen stehend, übersäht mit Pilzgeflechten und roten Schuppen; ohne Nase und Ohren, doch dafür Hörner wie Rinder auf den Köpfen. Sie traten näher, und Seelbach wies alle an, ruhig stehen zu bleiben und sich friedlich zu verhalten. Michael durchforstete wirr seine Notizen, zitterte jedoch wie Espenlaub und bekam keine Worte auf Fungi heraus. Die Wesen starrten sich unsicher an, und gingen dann ganz nah an die Menschen herran. Ihre Statur war etwas kleiner, als die des Durchschnittsmenschen. Die Menschen wurden beschnuppert, ihre Wangen von schwarzen Zungen behutsam abgeschleckt - doch fast alle der Wesen ließen wieder ab. Nur eines schien Gefallen an Amelie gefunden zu haben. Es schmiegte sich an sie und schien nicht weggehen zu wollen. Behutsam griff es Amelie beim Handgelenk, und zog es mit sich, verzweifelt schaute diese zu Bonnington. Schließlich konnte er mit Hand-und-Fuß Diplomatie klar machen, dass Amelie bei der Gruppe bleiben würde. Die Wesen blinzelten verständnisvoll, ließen sie in Ruhe und gingen friedlich ihrer Wege. Erleichtert atmeten sie auf. Seelbach zeigte auf ihre Bäuche, und sagte, dass die Wesen ständig kalben würden - doch das Dorf war dafür viel zu leer, nach den Geburtenraten müsste es hier nur so von den Pilzwesen wimmeln. Beunruhigt äußerten Seelbach und Bonnington den Verdacht, dass diese Wesen sich mit Menschen paaren würden, und Amelie eine geeignete Kandidatin für die Fortpflanzung zu sein schien. Angewidert setzten sie ihre Reise in den Untergrund fort. Sie durchquerten das Dorf, folgten einem Pfad, auf dem Bonnington mehrere Inschriften der Pilzwesen fand, in der Sprache der Fungi geschrieben. Er konnte die Worte nicht Eins zu Eins in Tasperin übersetzen, sondern nur die Bedeutung erahnen. Er machte die Worte "Schwarzer Turm - Seelenloser Ozean - Weiße Straße des Untergangs - Wandler" aus, die eine lineare Reihenfolge abbildeten. Zudem übersetzte er drei Wörter, welche laut den Fungi eine eigene Bedeutung hatten: "Wandler - König - Ku'gath". Allerdings wurde Ku'gath nachträglich, primitiv in Stein geritzt, auf tasperinischen Buchstaben. Und de Broussard erinnerte sich an diesen Namen; sie machte ihn als einen Höheren Dämonen des schrecklichen Cho'Theng aus, der auch Gestaltenwandler genannt wird. Dieser war allgemein dafür bekannt, sich als Menschen auszugeben, um Freunde, Bekannte und Liebhaber in ihr Verderben zu führen. War dies etwa seine Dämone, begaben sie sich auf direktem Wege in sein Reich? Es gab keinen anderen Weg, als vorwärts. Und dieser führte sie direkt zum Tor des ominösen Schwarzen Turmes, der vom Dorf aus bereits sichtbar war und in den Inschriften beschrieben wurde. Schon bald würde ihnen klar werden, dass sie die lebendig gewordene Hölle betreten würden, sobald sie auch nur einen Schritt in diesen Turm setzen würden. Ich wusste, welche Schrecken und Wunder auf meine Gefährten warten würde, doch ich konnte nur beobachten. Schon sehr bald wird ihr Verständnis von Athalon durch die Funde, die sie machen werden, vollkommen auf den Kopf gestellt werden.

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#23
Rückkehr nach Corethon III. - Das Vergessene Königreich - Regenmond 1347

Erzdekan Michael Bonnington, Kartograph Wilfried Färber, Seemann Karl Paulsen, Protektor Amelie de Broussard und Ordensritter Jule Weber - diese Fünf waren die Letzten der insgesamt Vierzehn Expeditionsmitglieder der Bonnington-Expedition, die noch nicht verschollen oder gestorben waren. Der Meteorologen-Assisten Charles Seiler wurde noch bevor die Insel betreten wurde von dem Seemann Gunnar Paulsen ermordet, er wurde mit dem Saboteur Raphael Bonnington in die Brig gesperrt. Paulus Dannfels hatte sich das Knie verstaucht und blieb auf dem Schiff zurück, wie es ihm erging wusste niemand. Der Kartographen-Assistend Georg Bedney verschwand noch beim ersten Ausflug spurlos sowie die Gefangenen, die fliehen konnten. Noch vor dem ersten Morgengrauen auf Corethon musste man Ordensritter Friedrich Ziethen und Kapitän Rupert Seelbach ebenfalls als vermisst melden, auch wenn letzterer im Dorf der Fungi wohlauf ausfindig gemacht werden konnte. Und der Meteorologe Ludwig Ahrenholz fiel schlussendlich als erstes bestätigtes Todesopfer einer fleischfressenden Pflanze zum Opfer, die ihn mit Haut und Haaren verschlang. Kurz darauf verschwand auch ich in einem bodenlosen Ozean hinter einem Steingebilde, als meine Sinne mir verrieten, dort würde ich Raphael finden. Doch ich war nicht tot, und auch nicht bewusstlos; ich war stets dabei und verfolgte den Leidensweg meiner Kameraden. So sah ich, wie die Fünf das Tor hinein in den schwarzen Turm durchschritten, und schnell erkannten, dass dieser nur einen Weg hatte: Nach unten. Eine Wendeltreppe, die schier unendlich lang in die Tiefe ging, machte sich vor ihnen auf und ließen den Erzdekan vor Schwindel fast das Gleichgewicht verlieren. Ein entferntes, helles Schluchzen, welches von einem bestialischen Gestank begleitet wurde, kämpfte sich den Weg aus dem Loch zu ihnen nach oben. Ein markerschütternder Schrei von Oben jedoch ließ ihre Köpfe gen Himmel recken. Doch der schwarze Schatten war so schnell und agil, dass fast schon zu spät war, als das Geräusch der ledrigen Schwingen traumatische Erinnerungen in Amelie und Jule hochkochen ließ: Ein gesichtsloser Dunkeldürre attackierte die Gruppe!

Verzweifelt stürzten Michael und Willfried die Treppen hinab, in der naiven Hoffnung, dem Wesen so entkommen zu können, doch es war zu schnell. So machten Amelie und Karl auf der Stelle kehrt, die das Wesen mit ihren Klingen abwehren wollten, und Jule nahm es unter Beschuss - aber sie verfehlte. Auch den folgenden Hieb von Amelie weichte es im Flug galant aus, doch der Schlag von Karl Paulsen saß ordentlich, das Wesen krachte gewaltsam gegen die Treppen, welche manche fragile Stufen abbrechen ließen. Das Wesen versuchte Amelie mit seinen langen Krallen zu greifen, doch sie konnte die glitschige Lederhaut mit einem Schildhieb von sich halten. Karl, der gerade wieder zustechen wollte, fiel auf eine Finte hinein und wurde von den Krallen erwischt - sie schlangen sich um seinen Brustkorb und drückten sie fest an den schwarzen Körper. Das Wesen lachte schrecklich auf, kitzelte Karl Paulsen energisch an allen Körperstellen mit den widerlichen Krallen und begab sich mit ihm in einen Sturzflug, das Loch hinab. Irgendwann hörte man schließlich nur noch einen fleischigen Aufprall, und dann war Stille eingekehrt. Ungläubig eilten die Vier die Treppen hinab, doch es dauerte lange. Gefühlte Stunden verbrachten sie damit, die immer selbe Wendeltreppe nach unten zu laufen, bis ihre Knie vor Überanstrengung ihnen fast aus dem Gelenk gesprungen wären. Doch sie wurden leider nur Zeuge eines Schreckensbildes: Sie fanden den toten Karl Paulsen, sie erkannten seine Matrosenkleidung. Aber da war auch viel zerschmettertes Geschmeide, soviel Fleisch, dass es unmöglich nur zu dem Künstler gehören könnte. War hier noch jemand genau gleich zu Tode gekommen? Neben dem Fleischberg fanden sie auch die Quelle des Schluchzens - auf den Knien, fürchterlich weinend, befand sich die Kalifatin und Konkurrentin von Michael, die Archäologin Armira Leylek. Fassungslos starrten sie sich gegenseitig an, bevor Michael sie wüst beschimpfte und ihr all die Schuld an dem Elend geben wollte. Es war wieder einmal Amelie, die ihm körperlich Einhalt gebot, und es schien ihn zur Vernunft zu bringen. Weinend umarmten er und Armira sich, und die Kalifatin berichtete unter Tränen, dass neben Karl auch ihr Schutzherr und Geldgeber Ehan-Djamil Rilfat lag. Sie war nun endgültig alleine, da alle ihre bisherigen Männer auf der Suche nach den Vermissten von der Insel verschluckt wurden. Nachdem Bonnington und Leylek vereinbarten, die Reste ihrer Expedition zu vereinen, schloss sie sich der Gruppe an. Seine Rivalin so gebrochen zu sehen erfüllte Michael sichtlich mit Genugtuung und der Kraft, weiterzugehen.

Man hatte keine Zeit, die bisherigen, brutalen Tode zu beklagen. Man konnte nur in noch tiefere Kreise der Hölle fliehen, in der Hoffnung, dort die Vermissten zu finden, wenngleich die Flamme der Hoffnung immer schwächer brannte. Sie traten hinaus in eine Welt, die so viel größer war als sie. Sie sahen gigantische Berge aus Fels, in denen methodisch riesige Gänge gehauen wurden. Endlos viele Gänge, verdrehte und verzerrte Felsformationen, die kein Mensch, keine Nation jemals nachbilden könnte. Noch nie fühlten sie sich so klein, als sie wie hilflose Würmer durch die Tunnel der Giganten stapften, immer weiter der weißen Straße des Abgrunds folgend. Lediglich das glänzende Funkeln eines schönen Minerals wirkte auf die Anwesenden vertraut - Michael erkannte es durch sein geschultes Archäologenauge als das giftgrüne Entrit; ein Edelstein, der dem Erzdämonen Cho'Theng zugeordnet wird und diejenigen, die damit in Kontakt kommen, in den Wahnsinn treiben soll. Diese ganze Steinwelt war damit versehen. Sie versuchten, davon auf Abstand zu gehen, und marschierten weiter. Da bemerkte Michael, dass sie nicht alleine waren. Einen Verfolger hatten. Etwas Riesiges holte auf, in wahnsinnigem Tempo. Noch ohne sich umzudrehen alarmierte er seine Gemeinschaft, und alle wechselten in den Sprint. Einen hoffnungslosen Sprint, wohin sollte er auch gehen? Ein grünes, giftiges Schleimwesen rollte auf sie zu. Leylek, die Lahmste, wurde von ihm vollständig verschluckt. Mit ihren letzten Worten verfluchte sie Bonnington bis in die fünfte Generation, dieser wünschte ihr lediglich gehässig lachend einen grausamen Tod. Auch de Broussard schien fast von dem Wesen eingeholt zu werden, doch im letzten Moment konnten sich alle in einen Riss im Boden stürzen, während der kolossale Schleim darüber hinweg schwebte. Er konnte sie dort nicht erreichen, und so gab er schnell seine Jagd auf sie auf, und machte sich auf um neue Opfer zu suchen. Wahnsinnig lachend sammelte Michael seine Notizen mit der Hilfe von Kapitän Seelbach, während Amelie der Gruppe wahr machen wollte, wie viele bereits gestorben sind. Willfried Färber beklagte seinen vermissten Sohn, und Jule warnte Färber vor einem verfrühten Ableben, da sie ihre versprochenen Haie haben wollte. Mehr als diese Fünf waren nicht mehr übrig. Wohin sollten sie bloß gehen? Irgendwann trauten sie sich aus ihrem Loch wieder heraus, doch sie hatten keinerlei Orientierung mehr. Stunden verbrachten sie damit, die Gänge abzugehen, doch lediglich die Architektur schien sich zu ändern. Fliegende, altertümliche Strukturen, kolossale Torbögen und Säulen - die Entdeckungen wurden immer bizarrer, fantastischer, zermürbender.

Immer weiter gingen sie, und immer tiefer. Wie tief waren sie bereits? Waren sie dem Mittelpunkt von Athalon bereits nahe? Sie bemerkten, dass aus den Tiefen ihnen eine sengende Hitze entgegensprang, die immer drückender wurde. Irgendwann sahen sie die kochend heiße Flüssigkeit, die aus den Ritzen im Boden und den Felswänden entsprang. Flüssiges Magma. Oder war es das? Jule Weber war zu langsam, ein Schwall erwischte sie. Die Substanz umrundete sie; sie war heiß, doch schien sie nicht zu verbrennen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wurde sie innerhalb von Sekunden komplett vereinnahmt, nach unten gezogen, geschluckt. Sie war fort. Und so schnell, wie die Substanz gekommen war, verschwand sie auch wieder, zog sich in die Risse zurück. Warum bei Skrettjah verschonte es den Rest? Wie war das möglich? Niemand konnte eine Antwort darauf liefern. Der Tod von Jule wurde nicht einmal mehr betrauert, sondern registriert, akzeptiert und stoisch weitergezogen. Was blieb ihnen auch anderes übrig? Seelbach versuchte, sich von dem Horror abzulenken, indem er die Pilze studierte, die unter den kolossalen Konstrukten wuchsen; Baronröhrlinge. Bekannt für ihre halluzinogene Wirkung; realitätsfern kicherte er darüber, wie seine Kollegen an der Akademie sich damit eine Auszeit bescherten. Aber niemand hatte die geistige Kapazität für seinen fehlplatzierten Humor, weswegen sie die zermürbende Irrwanderung fortsetzten. So lange, bis sie zum Ausgangspunkt des schwarzen Turmes zurückkehrten, denn sie waren im Kreis gelaufen. Oder waren sie das wirklich? Keiner konnte es sagen, doch etwas war dieses Mal anders. Sie fanden einen wunderschönen, Grün glimmenden Edelstein, der vor Hoffnung schimmerte, auf einem kleinen Steinpodest. Es war ein Smaragd von mächtiger Größe. Doch er löste alles andere als Hoffnung aus. Michael sprach laut den Gedanken aus, dass der Smaragd sie aus dieser Hölle befreien könne und befahl Amelie, ihn zu berühren. Doch sie weigerte sich. Nun drohte Michael ihr wahnwitzig mit der Exkommunikation, der Anklage wegen Häresie und Befehlsverweigerung, wenn sie nicht auf der Stelle den Smaragd berühren würde. Auch Willfried Färber und Rupert Seelbach, die ebenso auf ein Bauernopfer hofften, drangen Amelie dazu - Färber zog gar seine Muskete und bedrohte Amelie damit! Sie schien einzuwirken, ging auf den Smaragd zu, doch packte dann die Hand von Michael gewaltsam und wollte sie gegen den Stein drücken. Michael schrie panisch auf; Färber schoss gar auf Amelie, doch verfehlte. Seelbach stürzte sich auf sie drauf, und schaffte es, ihr Gesicht gegen den Smaragd zu drücken. Dieser leuchtete schlagartig auf, und hüllte die gesamte Gruppe in ein weißes Licht ein.

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Langsam kamen die Vier wieder zu sich. Sie richteten sich auf, öffneten ihre Augen und husteten jahrhundertealten Staub aus ihren Lungen, während sie versuchten, ihre Sinne wieder in den Griff zu bekommen. Wie sie hier her kamen, der Streit um den Smaragd - das alles schien ihnen eine Ewigkeit her zu sein. Die Gruppe fand sich in einem aufwendig gehauenen, verzierten Gang aus Stein und Säulen wieder, der dreimal so breit war wie hoch, mindestens aber so hoch wie der Kirchturm in Neu Corethon. Wieder mutete der Gang an, dass eine Zivilisation aus längst vergangenen Zeiten ihn geschaffen haben musste, die weitaus begabtere Steinmetze waren als die Menschen, oder gar die Fungi. Der Gang gliederte sich auf, in mehrere Kreuzungen, und deutete bereits eine langwierige und entkräftende Odyssee an. Doch ein Funken Hoffnung glimmte - sie hörten Schritte, und Hilferufe! Amelie eilte nach vorne, und entdeckte Ordensritter Friedrich Ziethen - entkräftet, aber wohlauf. Sie fielen sich in die Arme, berichteten einander und beklagten jene, die nicht mehr da waren. Michael enthob die "Verräterin" de Broussard ihres Amtes und ernannte Ziethen zu seinem neuen Leibwächter, auf dass er ihm lange und gewissenhaft dienen solle. Unter neuem Schutze bekräftigte Michael erneut, dass man den Gestaltwandler finden und richten werde für die Taten an ihren Kameraden, koste es was es wolle, und konnte den Rest seiner Expedition zu einer neuen Kraftanstrengung motivieren. So schritten sie die langen Gänge ab, suchten nach einem Ausweg aus dem unbeleuchteten, und doch leicht erhellten Labyrinth. Viele davon endeten in einer Sackgasse, doch sie fanden eine Stelle, die sie überqueren konnten. An einer Stelle war der Gang entzwei gerissen, wie eine riesige, klaffende Wunde zog sich eine krumme Schlucht durch den Gang, und darin brodelte erneut die feurige, flammende Flüssigkeit, welcher Jule bereits zum Opfer wurde. Einige Steinvorsprünge mitten in dieser Flüssigkeit waren scheinbar der einzige Weg, um auf die andere Seite der Schlucht zu kommen. Mangels Alternativen hatten sie nur diese Option. Amelie wehrte sich mit Händen und Füßen, sie fürchtete sich vor der Flüssigkeit, ging als Letztes. Friedrich ging auf Befehl des Erzdekan als Erstes. Er schaffte die Sprünge, trotz seiner Rüstung. Dann folgte Färber, er fluchte, doch die Hoffnung seinen Sohn noch lebend zu finden trieb ihn an. Auch er kam hinüber. Seelbach hüpfte mühelos herüber, und schließlich Michael, der kurz drohte das Gleichgewicht zu verlieren - doch er schaffte es. Zum Schluss kam Amelie. Am letzten Stein stolperte sie, sie konnte sich gerade so am Hang zum Gang festhalten. Friedrich eilte ihr schnell herbei, ergriff ihre Hand, und stürzte sich diabolisch lachend mit ihr in die kochende Flüssigkeit. Ihre Schreie verkeilten sich zu einer markerschütternden Kakophonie, bis sich aus der Asche von Amelie ein schwarzer, länglicher Schatten erhob und verzerrt lachend durch die Gänge reiste.

Michael sank auf die Knie, voller Verzweiflung und Wut schrie er in die Lava, wie sehr er die Solaner dafür hasse, sie stets im Stich zu lassen. Willfried Färber schaute verwundert und mit zusammengekniffenen Zähnen dem Schatten hinterher, während Rupert Seelbach sich zu Michael kniete und seinem alten Freund auf die Schulter klopfte. Ihn erinnerte, dass sie weitergehen müssen. Die Opfer nicht umsonst gewesen sein dürfen, und der Gestaltwandler nicht gewinnen dürfe. Solange sie stehen, können sie kämpfen, und das werden sie. Und so ließen sie mit diesem eisernen Vorsatz und kaltem Hass im Herzen den Säulengang langsam hinter sich, als sich vor ihnen immer mehr eine unterirdische Kaverne auftat, von ähnlicher monströser und schier unfassbarer Größe, und das Licht immer düsterer wurde. Schließlich, ein erneutes Wunder. Färber traute seinen Augen kaum - vor ihm stand Georg Bedney, sein verlorener Sohn, der noch am ersten Tag spurlos verschwand! Die Beiden fielen sich in die Arme, doch die Wärme erreichte nicht das Herz von Bonnington und Seelbach. Kühl befahl Michael Rupert, seine Steinschlosspistole auf Bedney zu richten und Färber, von ihm abzulassen. Verwirrt schaute Bedney zu Michael, und Willfried löste sich von der Umarmung und zog instinktiv seine Muskete vom Rücken, um sie abwechselnd auf Michael und Rupert zu zielen. Für Michael und Rupert war klar, dass dies nur eine weitere Täuschung des Gestaltwandlers ist, und dass sie ihn jetzt sofort richten könnten, doch Bedney bettelte verwirrt um sein Leben, während Färber zu allem bereit war, um das seines Sohnes zu verteidigen. Mit jedem ausgesprochenen Wort steigerten sie sich gegenseitig mehr in ihren Wahn hinein, bis Seelbach schlussendlich aus dem Nichts erstarrte - ihm die Pistole aus der Hand fiel - und er umkippte. Nun eilten alle zu ihm hin, Michael klatschte ihm besorgt gegen die Wange, rüttelte an ihm, fühlte seinen Puls. Dieser war vorhanden, Seelbach musste eine katatonische Starre erlitten haben. Michael krabbelte am Boden, suchte die Pistole, ergriff sie. Bedney fragte Michael vorsichtig, was sie den jetzt tun sollen, und kühl antwortete dieser, dass sie Ku'gath richten würden. Während Willfried sich um Seelbach kümmerte, setzte Michael seinen Plan in die Tat um. Er richtete die Pistole auf Bedney und schoss! Doch er verzog grob, streifte ihn nicht einmal. Bedney erstarrte vor Schock, während Färber auf Bonnington zuraste und ihn mit beiden Händen versuchte zu erwürgen, doch er konnte zurückweichen und beharrte darauf, dass der Schuss sich "aus Versehen" gelöst habe. Erst, als Bedney ihm verzieh und Seelbach verzweifelt an ein Hosenbein von Färber zerrte, um ihm Einhalt zu gebieten, fand der Konflikt ein Ende.

Auch wenn Rupert Seelbach geistig stark beeinträchtigt war, konnten die Vier ihren Weg gemeinsam fortsetzen, weiter in die gigantische Kaverne hinein.. bis sie einen Steg fanden. Vor ihnen öffnete sich der Seelenlose Ozean, ein endloses, totenstilles Gewässer, das sich wie eine breite, massive Schlange durch den Stein grub und formte. Bedrohliche, zackige Säulen hingen von der Höhlendecke, so schwerfällig, dass sie den Eindruck machten jederzeit auf die Expeditionsteilnehmer hinabstürzen zu können und sie wie Ameisen zu zerquetschen. Verzweiflung machte sich breit - sie waren erst am Ozean angekommen? Die Höhlen hinter ihnen gehörten alle noch zum Schwarzen Turm? Danach folgte erst die Weiße Straße des Untergangs, und schließlich der Wandler? Bei dem Schwund an Personen würden sie es nicht einmal lebendig bis zur Hälfte des Weges schaffen. Eine andere Wahl hatten sie aber nicht. Sie stiegen in zwei Nussschalen aus seltsamem Holz, doch bemerkten rasch, dass losgebundene Seile davon deuteten, dass einige fehlten. Die eingeritzten Muster und Verzierungen in den Nussschalen konnten sie nicht deuten, mussten jedoch uralt sein. Rupert und Michael fuhren zusammen, dann Willfried und Georg - sie stießen sich vom natürlichen Steg ab und fingen an, zu rudern. In diesem Moment der Ruhe hatten sie Zeit, die Leuchtsteine an der Decke zu bewundern, die sie an einen schwachen Sternenhimmel erinnerten, dessen dämmriges Licht sie sicher durch das absolut stille Gewässer führte. Inmitten dieses Wahnsinns, hatte Niemand von Ihnen jemals etwas vergleichbar Schönes mit den eigenen Augen erblickt. Aber Ku'gath wusste, dass diese Momente der Ruhe nur von kurzer Dauer sein durften. Sie durften sich zu keinem absoluten Zeitpunkt sicher fühlen, und so beobachtete ich, wie er den nächsten Hebel seines großen Planes in Gang setzte. Erst bemerkten sie nur einen Schatten, der aus der Tiefe des Gewässers sich erhob und immer größer wurde. Doch als das Wasser schließlich anfing, unruhig zu plätschern, wussten sie, dass sie nicht alleine waren. Ein Koloss war im Wasser, und er verfolgte sie. Die Männer ruderten voller Todesangst, riefen sich gegenseitig Befehle zu, versuchten dem Schatten zu entkommen, doch sie waren in seinem Jagdrevier hoffnungslos unterlegen. Der Schatten kreiste bereits unter den Booten. Plötzlich erhoben sich Wellen, verdrängten Wasser, etwas Gigantisches erhob sich - doch wo war es? Das verdrängte Wasser zeigte, dass dort etwas war, doch sie sahen es nicht. Sie spürten es nur, als der gigantische Körper sich zwischen die Boote fallen ließ, und sie weit auseinanderdriftete. Fast wären sie gekentert, doch die Nussschalen und die Insassen waren noch intakt. Färber und Bedney zogen davon, doch Färber und Bonnington hatten Schwierigkeiten. Den zweiten Schlag überlebten sie nur um eine Haaresbreite.

In dem Moment verlor Rupert fluchend eines seiner Ruder, es versank in den Fluten. Michael erkannte sein Schicksal, und fing an zu beten und Raphael um Verzeihung zu bitten. Sie umarmten sich, und warteten auf ihr Ende - doch der Schatten zog an ihnen vorbei, Färber und Bedney hinterher. Da dämmerte es Bonnington - das Wesen musste auf die Bewegungen reagieren, vermutlich sah es sie genauso wenig wie sie es! Michael brüllte Färber, sie sollen still stehen bleiben, ein weiteres Mal türmte das Wesen sich aus dem Wasser. Die Wellen peitschten, doch dann.. kehrte Ruhe ein. Der Schatten kreiste unter Wasser umher, schien die Spur verloren zu haben. Michael nahm die letzte Kartoffel, die ihm noch geblieben war, holte aus und schleuderte sie kräftig über Wasser. Ein Erfolg, das Wesen entfernte sich und jagte der Kartoffel hinterher! Die Rudergruppe initiierte einen letzten Rudersprint. Und tatsächlich schafften sie es durch die Ablenkung an das andere Ende des Ozeans, konnten sich auf das sichere Land retten. Zum aller ersten Mal seit Langem schien die Gruppe wahrhaft erfreut zu sein, sie hatten alle, gemeinsam, diese Passage überlebt. Rupert und Michael fielen sich in die Arme, und auch Willfried und Georg umarmten einander stolz. Wenn auch das Verhältnis von Michael und Willfried durch den Versuch, Georg zu erschießen, irreparabel geschädigt wurde, so hatten sie endlich das Gefühl, all diesen Horror hier unten überleben zu können. Wenig Zeit hatten sie, über all die Gefallenen nachzudenken, doch jetzt sahen sie ihre Gesichter. Die geschlossenen Augen, von denen, die nicht mehr waren. Charles Seiler. Ludwig Ahrenholz. Franz Gerber. Karl Paulsen. Ehan-Djamil Rilfat. Armira Leylek. Jule Weber. Amelie de Broussard. Und auch diejenigen, von denen man nicht wusste ob sie noch leben würden oder nicht. Gunnar Paulsen. Raphael Bonnington. Friedrich Ziethen. Und jetzt, da Ku'gath bereits bewiesen hatte dass er sich unter die Menschen mischen könne, konnte man Niemandem mehr zur Gänze vertrauen. Jeder konnte der Gestaltwandler sein. Wie tief mussten sie noch gehen, und was würden sie dort überhaupt finden? Wie würden sie den Gestaltwandler überhaupt richten können? Sie sahen, dass ein Boot vor Ihnen hier bereits anlag. Jemand musste hier lang gekommen sein, vor Kurzem, den Seelenlosen Ozean überlebt haben. Sie folgten dieser Spur, der Kaverne folgend, bis sich rasch wieder gehauene, steinerne Gänge zeigten. Sie schritten auf seltsamen, weißen Stein, der pelzig aussah und sie in eine neue Welt führte - die weiße Straße des Untergangs. Die Luft wurde rasch drückend heiß und schwül, sie roch muffig und schmeckte verbraucht. Torbögen taten sich auf, durch die Löcher schienen. Dahinter sahen sie eine Feste in der Größe von ganz Zandig, verhüllt in düsterem Licht. Monumentale Statuen, Bauwerke, Mauern und eine Schlucht darunter, die so düster wie die tiefsten Kreise der Hölle waren. Eine Stimme durchbrach die drückende Stille - das Lachen eines Hurensohnes. Es war das Lachen von Kapitän Jannes Starkwetter.

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#24
Rückkehr nach Corethon IV. - Die Seelenwand - Regenmond 1347

Michael Bonnington, Rupert Seelbach, Willfried Färber und Georg Bedney starrten noch immer auf die gewaltige steinerne Festung, welche sich am Horizont abzeichnete und eine ganze Stadt solcher monumentalen Bauwerke in ein düsteres Zwielicht hüllte. Das Lachen von Kapitän Jannes Starkwetter hallte noch leicht über diese vergessene Welt, während die Gruppe ein ständiges Dröhnen bemerkte, welches in Ohren pulsierte und ihnen Bauchschmerzen bereitete. Michael schloss kategorisch aus, dass dies das Lachen des echten Jannes Starkwetter war. Er stellte die Behauptung auf, der Gestaltwandler würde ihn imitieren und die Gruppe täuschen wollen, weswegen sie die gepflasterte, weiße Straße des Untergangs weiter beschritten um den Gestaltwandler aufzuhalten. Immer wieder fanden sie schleimartige, undefinierbare Rückstände in der Form von Schleif- und Trittspuren, die ihren Weg kreuzten. In diesen Häuflein waren auch Gegenstände, die sie aus dem kalten Glibber zogen - Rupert fand einen Bogen samt gefülltem Köcher, auf dem der Name "Jule Weber" eingeritzt war, die eine Restwärme in sich trugen. Bedney zog ein weiß schimmerndes, mit Runen überzogenes Schwert von meisterhafter Verarbeitung aus dem Schleim, welches nicht von dieser Welt zu sein schien. Michael erkannte es sofort als Heldemut - Die Klinge von Mikael, ein heiliges Artefakt der Silvanischen Kirche, welches Amelie in Besitz hatte. Färber fand einen Streitkolben, welchen ein jeder Solaner bei sich trug. Michael rettete einen kleinen, diamantenen Armreif aus der Substanz, welchen er sich instinktiv um sein Handgelenk machte da er sich heilige Kräfte davon versprach. Vor allem die Gegenstände von Jule und Amelie machten die Vier stutzig, denn sie hatten eindeutig den unausweichlichen Feuertod der Beiden erlebt. Das Heldenmut diesen überlebt war denkbar, doch der Bogen aus Holz? Und wie passte der Schleim dazu? 

Gerade während sie sich diese kritischen Fragen stellen wollten hallte erneut das Lachen von Starkwetter in der Ferne, der Lockruf lenkte sie ab. Sie spitzten ihre Ohren und den müden Verstand und gingen den uralten Wehrgang weiter. In der Steinmauer, die sich Links von ihnen auftürmte, fanden sie ein Loch, durch welches man in den vermuteten Abgrund schauen konnte. Nichtsahnend von dem, was dort lauern würde, schaute Michael mutig durch den Ausguck. Was er dort sah, in dem tiefsten aller Abgründe, würde endgültig sein Schicksal besiegeln. Rupert Seelbach, Willfried Färber und Georg Bedney beobachteten, wie Michaels Haare auf einen Schlag schlohweiß wurden, wie sein ganzer Körper spastisch zu zucken anfing und sich nicht mehr beruhigte. Als ob ein Blitz durch ihn gefahren wäre, rüttelte es den Erzdekan durch, doch er wagte es nicht seinen Blick abzuwenden. Erst als Rupert besorgt näher trat, wandte er sich um, und war nicht mehr wiederzuerkennen. Seine Augen waren tief eingefallen und fleckig, Teile seines Bartes waren gräulich, Teile fielen wie verwelktes Laub von seinem Kinn ab. Alle wussten instinktiv, dass Erzdekan Michael Bonnington endgültig gestorben war, und vor ihnen nur noch der perverse Schatten eines einst so tugendhaften Mannes stand. Er zückte seinen Stockdegen, schubste Rupert zurück und schrie aus vollem Halse, dass er jeden töte, der sich diesem Loch nähern würde. Rasch aber schien er seine Meinung zu ändern, denn als Starkwetters Lachen erneut ertönte, in einem Höhlengang rechts von ihnen, sprintete er sofort in dessen Richtung. Die Gruppe rief ihm nach, doch ohne Zweck - Michael lief geradewegs in eine Wand aus undurchdringlichem Nebel, in der er sofort verschwand. Seine Schritte sind rasch verstummt. In völliger Stille wurden die Drei zurückgelassen - doch der Wehrgang endete hier, auch sie mussten durch die Nebelwand schreiten. Färber prüfte den Ladezustand seiner Muskete, Rupert den Lauf seiner Muskete und Georg klammerte sich zittrig an Heldenmut. Schließlich folgten sie Michael, jenseits der Nebelwand. 

Vor ihnen sahen sie die Silhouette eines Mannes, der sich verwundert nach Hinten umgeschaut hatte, den Blick auf eine Wendeltreppe richtend, die rund nach oben ging. Sein Haar war gräulich, die zerfledderte Admiralsuniform hatte sämtliche Manschettenknöpfe bereits verloren. Schwach konnte man ein vergilbtes Kapitänsabzeichen der Tasperiner Marine erkennen, als er sich langsam nach vorne wandte. Ein Auge war tiefschwarz, das andere vor Erblindung weiß geworden. Der Mann streckte seine Arme aus und lachte, er amüsierte sich laut darüber, dass Michael es wohl sehr eilig hatte. Dann begrüßte er seinen alten Kameraden Rupert Seelbach - er freute sich, dass dieser ein paar Freunde mitgebracht hatte, denn sie hätten Göttliches zu verrichten. Seelbach lächelte seinen alten Freund, Jannes Starkwetter, unsicher an. Starkwetter grämte sich offen darüber, dass er bei seiner eigenen Expedition als Einziges nicht gerettet wurde, doch er war dankbar dafür, "das alles hier" entdeckt zu haben. Freundlich lächelnd stemmte er dann die Hände in die Hüfte und forderte die Gruppe auf, die Waffen niederzulegen und sich zu ergeben. Denn der Behüter würde sie nun enthaupten. Und noch bevor sie reagieren konnte, schritt Starkwetter ruhig auf die Wendeltreppe zu, dem bereits verschwunden Michael hinterher. Gerade als die Gruppe ihm nachsetzen wollte, bemerkten sie, wie sich plötzlich ein Ungetüm aus Stein zu regen anfing. Der Koloss, welcher an eine geflügelten, Streitkolbenführenden Gargoyle erinnerte, erhob sich aus seiner Position und überragte die Gruppe müde. Die Nebelwand hinter ihnen schien sich schlagartig zu verhärten, und bedrohlich hob der Koloss seinen Streitkolben. Während Rupert und Georg gen Treppe flüchteten, blieb Willfried standhaft und erhob todesmutig seine Muskete. Er rief zu den anderen, dass sie fliehen sollen, doch er würde die Bestie erlegen. Und so feuerte er einen meisterhaften Schuss aus seiner Donnerbüchse ab, welche den Behüter kritisch am Kopf traf und sein halbes Gesicht absprengte. Das Steinwesen ließ einen grässlichen Laut von sich, und schwang mit unfassbarer Wucht den Streitkolben gen Färber - doch wie durch ein Wunder konnte er von dem Schlag wegrollen, während der Behüter einen Teil der Wendeltreppe traf und ohrenbetäubend zertrümmerte. Rasend vor Wut zückte Färber seinen eigenen, mickrig wirkenden Streitkolben, und wollte damit auf das Steinwesen einschlagen, doch es holte den eigenen aus und schleuderte Färber vernichtend gegen die Steinwand des Turmes, wo er mit gebersteten Knochen dagegen knallte. Blut keuchend fiel er zu Boden.

Mit Tränen in den Augen rief Georg seinem Vater hinterher, doch er wusste, dass er um seinetwillen weiter laufen musste. Der Behüter jedoch drehte sich um, und wollte Georg nicht entkommen lassen - der Streitkolben durchstieß von unten die Treppe, wo Georg stand, doch er war schnell genug um dem Schlag zu entgehen. Willfried Färber war jedoch wieder auf den Beinen, er sprintete von hinten heran und ließ seinen Streitkolben auf den Behüter sausen! Dieser jedoch erwischte ihn kaltblütig erneut mit dem Streitkolben, und schickte ihn zurück gegen die Steinwand. Doch dieses Mal konnte Färber nicht bei Bewusstsein bleiben, er erhob sich nicht mehr vom Boden. Rupert bewarf den Behüter mit Proviant, um ihn zu provozieren und abzulenken, und hatte Erfolg - das Wesen sprang urplötzlich dutzende Meter nach oben, und drohte ihn am Ende der riesigen Treppenhalle noch zu erwischen! Er wurde nur um Haaresbreite verfehlt, Staub wirbelte auf als die Treppe gewaltsam zerschlagen wurde. Doch die Wucht ließ ihn nach hinten stolpern, und er fiel fast in schwindelerregender Höhe in die Tiefe. Georg rannte ihm nach, hielt seine Hand, sicherte ihn. Doch da sprang der Behüter erneut, den Streitkolben bereits ausholend.. und Rupert ließ los, um Georg zu retten, welcher zur Seite hechtete. Doch der Behüter schlug ins Leere, und Rupert verfing sich mit dem Schal an einem Steinvorsprung, er hing hilflos über dem Abgrund. Rupert sah hilflos zu, wie der Behüter mit dem Kolben weit ausholte. Er hörte Georg gar nicht mehr schreien, und schloss seine Augen. Erst, als erneut ein Schuss ertönte, öffnete er sie wieder. Der Behüter stürzte zu Boden, denn seine rechte Gesichtshälfte war auch zerfetzt, und sein ganzer Schädel damit zertrümmert- Willfried Färber, den Tode nicht akzeptieren wollend, schaffte das Unmögliche und besiegte den Behüter im Zweikampf! Georg konnte Rupert aus seiner misslichen Lage befreien, und die Beiden umarmten den geschunden Färber am Grunde des Turms, weinend vor Erleichterung. Da erschien hinter ihnen, mit völlig verstörtem Gesichtsausdruck, Jannes Starkwetter. Müde rieb er sich die Augen, bevor er mit zittriger Stimme die Gruppe als Idioten betitelte, dass sie einen irreparablen Schaden angerichtet hatten! Färber lud seine Donnerbüchse nach, während Rupert Starkwetter dazu anwies, sich endlich zu erklären. Doch dieser ging nur darauf ein, dass sie niemals verstehen würden, was für eine Arbeit er hier geleistet hatte. Er entschuldigte sich für das, war er nun tun müsse, und griff in seine Innenjacke - da feuerte Färber bereits auf ihn. Die Schrotladung traf ihn, Starkwetter taumelte zurück.. doch es trat nur grauer Nebel aus seinen Wunden heraus. Sein Blick wurde unfassbar müde und enttäuscht. Seine ganze Statur verwandelte sich in Nebel, als der Gestaltwandler sich offenbarte, und der Gruppe den Untergang der eigenen Rasse prophezeite. Danach verschwand der Gestaltwandler, und er sollte auch verschwunden bleiben.

Inmitten der seltsamen, wundersamen, verlassenen Steingebäuden fand sich die Gruppe zu den Füßen eines gigantischen Tempels, einer Kathedrale. Am Straßenrand leuchteten unheimliche, grünliche Apparate, die fern an Laternen erinnerten. Die weiße Straße des Untergangs schien in der Kathedrale zu münden, und die drei Helden wussten, dass dort ihr Ziel war. Auch wenn sie nicht wussten, was dieses Ziel sein würde. Sie schritten die schweren, staubbedeckten Stufen hoch, mit jedem Schritt schien ihr Puls zu beschleunigen, bis ihr Herz ihnen fast aus der Brust schlug. Dann waren sie endlich da, genau dort, wo der Gestaltwandler sie seit der Sekunde haben wollte, in denen sie die Insel betreten hatten. Eine riesige Halle öffnete sich vor ihren Augen, gesäumt von gigantischen Wänden, an dessen von der Decke ausgehend Ranken in allen schrecklichen Farben des Universums wucherten. Hoch über der Wand standen verzierte Einkerbungen, in denen symmetrisch riesige Schleimbehältnisse angeordnet waren. Schwach waberten die Silhouetten von Menschen in dem grünen Schleim. Doch das wahre Prachtstück ruhte in der Mitte des Saals: Auf einem Podest thronte in verfluchtem Stein gehauen eine Wand, in denen dutzende von Schädeln hingen, und das war nur eine von mehreren in der Kathedrale. Unerkannte, uralte, aber auch neuere - die Köpfe von Ludwig Ahrenholz, Karl & Gunnar Paulsen sowie Ehan-Djamil Rilfat waren mit der fleischigen Wand verbunden, ihre Augen nach hinten gedreht, die Münder weit geöffnet. Aber auch der verschollene Jannes Starkwetter hängte dort, und zwei Hände verkrampften sich in seinem Haar und versuchten, sie rauszubekommen. Michael Bonnington wand sich um, noch immer vom Wahnsinn gezeichnet, und stieß einen Freudenschrei aus als er den Rest der Gruppe traf. Er beweinte das Schicksal seiner Kameraden und das von Starkwetter, und erkannte die Seelenwand als grausame Maschinerie des Untergangs, den Versuch Skrettjahs, Athalon auszulöschen. Gerade als er sie dazu animierte, die Köpfe ihrer Freunde zu retten, befreite sich jemand aus seinem Schleimbehältnis. Mühselig schleppte sich dieser zur benachbarten Schleimschicht und zerrte an der äußeren Wand, während Michael weiterhin am Schädel von Starkwetter zerrte und der Rest sich auf die anderen Schädel verteilte. Die Person schaffte es, den Schleimbehälter zu öffnen - und rettete mich damit aus meinem Gefängnis. Ich öffnete meine Augen, und traf den Blick von Raphael. Dieser schenkte mir nur ein müdes Lächeln, bevor er sich weiter schleppte um einen weiteren Schleimbehälter zu öffnen. Ich wollte Raphael zurufen, doch erkannte, dass der Diamantarmreif meiner Mutter fehlte - der Diamantarmreif, für den meine Mutter die Himmelspforte betrat und mir die Sprache zurückgab, die ich einst für Raphael opferte. Ich konnte mich nicht mitteilen. Resigniert sprang ich von dem Vorsprung und landete auf den Schleimresten. Der Boden bebte als ich aufkam und alarmierte Bonnington, Seelbach, Färber und Bedney. Michael öffnete seine Augen voller Freude, er rief nach mir - und ich folgte seinem Ruf. Ich wankte auf ihn zu, dann lief ich. Und bevor ich den Erzdekan erreichte, der mich mit offenen Armen empfing, zog ich meine Klinge mit dem Vorsatz, den Schädel von seinem Leibe zu trennen, und schlug zu.

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Warum ich dies tat? Um das zu erklären, müssen wir zu dem Moment zurückgehen, in denen ich in dem bodenlosen Tümpel versank und "ertrank", um Raphael zu retten. Denn ich starb nicht, nein, sondern erkannte dass mein Bewusstsein in einer Art Dämmerzustand gefangen war. Mein Körper war umgeben von einer schleimartigen Substanz, die mich am Leben erhielt. Mein Geist wurde geflutet von den Informationen und Erlebnissen anderer Menschen - Vorgängern, denen es ähnlich wie mir ging. Ich erfuhr uralte Geheimnisse von einer Zivilisation, die lange vor unserer Zeit unterhalb der Erde herrschte; die Erfahrungen armer Seefahrer, die zufällig auf Corethon strandeten und Teil der Seelenwand wurden; die letzten Wünsche der Kalifaten der Leylek-Expedition, die hier ihr zweites Leben fanden. Wir alle waren gemeinsam an das gleiche Netz angeschlossen, doch aus irgendeinem Grund erhaschte ausgerechnet ich einen Einblick hinter die Schleier und Geheimnisse dieser Welt. Die Metamystik um Corethon, alles was die ganze Zeit im Verbogenen geblieben ist. Alle Fragen, die durch meinen Kopf schossen, wurden vom Gestaltwandler beantworten.


Was geschah, nachdem die gestrandeten Neu Corethoner in der Starkwetter-Expedition die Insel siegreich verließen?

In einem tödlichen Kampf stellten sich die Gestrandeten ihren Ängsten. Nachdem alle Schritte für den befreienden Ritus eingeleitet und die Zeremoniengegenstände gesichert worden waren, wurde in einer stürmischen Nacht ein uralter Fluch in der Wassergrotte gebrochen. Das gigantische Seemonster, welches die Grotte beherrschte und nur zu einem Teil gesehen wurde, ist für all den Schrecken nicht verantwortlich gewesen, welchen sie erlebten. Es war nur ein Diener - einer der Wächter - welche einer Entität in ihrem Tun unterstützte. Nun ruhte dieser Wasserschrecken wieder in seiner ursprünglichen Heimat: Dem seelenlosen Ozean.

Doch was geschah mit den Kannibalen dieser Insel?

Die Kannibalen wurden wohl endgültig besiegt - genauer genommen die ehemaligen Bewohner der katastrophal verendeten Vorgängerkolonie Corethon. Einzig am Leben erhalten durch den Fluch einer Entität, die diesen Ort wohl schon seit vielen Äonen beherrschte. Nachdem der Fluch gebrochen wurde, lösten sich die unsterblichen Bewohner zu Staub auf und ihre Seelen wurden endlich befreit. Doch die Entität blieb - und sie hatte ein gewaltiges Problem. Keine Menschenseele konnte ahnen, dass der Befreiungsschlag der Neu Corethon womöglich das Ende der eigenen Spezies eingeläutet hatte.

Aber wer oder was ist diese Entität?

Der Steinthron an der Oberfläche, welcher von der ausgestorbenen Rasse errichtet worden war, lag nun leer und verlassen. Die Entität trug viele Namen: Uralter König, der Fluch oder auch Gesichtsloser. Im Grunde handelte es sich die ganze Zeit um den Gestaltwandler selbst, in der deynistischen Kirche auch Ku'gath getauft. Dieses Wesen hatte sich selbst eine untragbare Aufgabe übertragen, etwas, dass auf menschliche Seelen angewiesen war. Doch mit Beendigung seines Fluches war jeder Mensch von Corethon getilgt worden. Es gab niemanden mehr, doch keiner rechnete mit einem unzerstörbaren Abenteurer. Eine Person hatte diese Insel entgegen aller Erwartungen überlebt: Jannes Starkwetter. Starkwetter war völlig außer Kräfte, als er wieder an Land gespült worden war. Dem Wrack des Heißluftballons entkommen musste er zu seinem größten Schrecken feststellen, dass bereits alle Bürger ohne ihn abgereist waren. Doch er wäre nicht Jannes Starkwetter wenn er dort bereits die Flinte ins Korn geworfen hätte. Enttäuscht darüber, dass er alleine zurückgelassen worden war, blieb ihm zumindest sein eiserner Lebenswillen. Immerhin musste es ein Schicksalsschlag des Herrn selbst gewesen sein, ihn noch nicht ins göttliche Himmelsreich geholt zu haben. So erkundete er die restliche Insel und stieß irgendwann auf eine Sackgasse mit zahlreichen Köpfen und Augäpfeln. In seinem Ekel zerstörte er diese okkulte, deynfremde Stätte und rief damit die Aufmerksamkeit des Gestaltwandlers auf sich. Der uralte König war gerissen und verstand sich darin, in Menschenform, den dringend nach Gesellschaft suchenden Starkwetter zu umgarnen. So gewann er schließlich sein Vertrauen und berichtete ihm von der unendlich schweren Aufgabe, die er fortan zu tragen hatte. Ku'gath führte ihn zunächst zu seinen Vertrauten, einem unterirdischen Stamm aus pflanzenartigen Bewohnern, welche die Entität schon sehr lange vergötterten.

Doch wer sind die pflanzenartigen Bewohner?

Obwohl die Insel menschenleer gewesen war, war sie nicht ohne Leben. Pflanzenartige Bewohner bevölkerten bereits seit einiger Zeit den oberen Untergrund der Insel, welche den gleichen Namen tragen wie die Sprache die sie sprechen. Fungi. Jannes Starkwetter wurde ein abstoßende Aufgabe zuteil, die nicht nur im Sinne der Perversitäten von Cho'theng (dem Erzdämon, dem Ku'gath untersteht) sind, sondern auch einen gewaltigen Beitrag zur Weiterführung seiner Aufgabe erfüllt. Jannes paarte sich unzählige Male mit den Bewohnern des Erdreiches und zeugte damit grässliche Mutationen. Halb-Mensch und Halb-Fungi waren diese bedauernswerten Kreaturen das Einzige, was Athalon vor einem grausamen Schicksal bewahrte. Wir selbst hatten drei dieser Mutantensäuglinge erlegt, kurz bevor Ludwig Ahrenholz von der fleischfressenden Pflanze verschluckt wurde. Der Gestaltenwandler benötigte menschliche Seelen - so bewohnten diese deynfernen Wesen ab nun ein kleiner Funken dieser dringend benötigten Menschlichkeit. Rupert Seelbach und Amelie de Broussard wären diesem Paarungsritus selbst zum Opfer gefallen, wenn sie länger im Dorf geblieben wären.

Wohin wurden diese Mutanten gebracht?

Zum schwarzen Turm, welcher sich am Rande des Fungi-Dorfes manifestierte. Hier befindet sich das symbolische Reich des Gestaltwandlers Ku'gath, hier verzerrt sich die Umgebung auf dämonische Art und Weise und lässt den menschlichen Verstand vollkommen verrückt werden. Jegliche Wesen, welche in dieser Sphäre ihr Leben lassen oder verschluckt werden, werden als Opfer zum Gebilde des Ku'gath gebracht und erfüllen dort ihren Zweck. Es ist schwer zu sagen, ob der Untergrund zum schwarzen Turm überhaupt noch Teil von Athalon ist, im endlichen Äther liegt oder eine Mischung von Beidem ist. Es wird bewohnt von schrecklichen, gigantischen Wesen, zu Viele um sie alle aufzuzählen, doch sie alle dienen mehr oder weniger dem Einfluss des Gestaltenwandlers und helfen bei der Bestimmung. Doch auch in der wachen Welt besitzt Ku'gath zahlreiche Methoden und Tricks, um einen hilflosen oder übereifrigen Menschen in seine Falle zu locken. Dann ergeht es ihnen allen gleich und ihre Tage sind für einen höheren Zweck gezählt.

Was geschieht mit den Menschen, welche diese Strapazen überstehen?

Der Ausgang aus dem Reiche des schwarzen Turms führt wieder in die irdische Welt von Athalon, einer gigantischen Kaverne unterhalb von Corethon. Sie wird aufgrund ihrer atemberaubenden Größe auch als Seelenloser Ozean bezeichnet, da fast nie eine Menschenseele über ihn hinausgekommen ist. Er wird bewohnt von dem unsichtbaren Schrecken der Tiefe, welcher Einst in der oberirdischen Wassergrotte von Corethon sein Darsein fristete. Doch nun war er zurückgekehrt und weiterhin hungrig auf der Suche nach Seelen. Das Glück der Wanderer, die jemals den Seelenlosen Ozean überqueren mussten, liegt in einem wichtigen Detail. Durch seinen kurzen Aufenthalt an der Oberfläche wurde das Wesen von der Sonne für immer geblendet, was für ein Wesen in ewiger Finsternis grundsätzlich kein Hindernis darstellt. Doch so musste es sich vollständig auf sein Gehör und die Wasserwellen konzentrieren, welche die Störenfriede seines Ozeans hinterlassen. So konnte man durch die Schläue und Gerissenheit des Erzdekans diese letzte Etappe überwinden.

Was erwartet einen am Ende dieser Odyssee?

Das vergessene Königreich, welches tief in den Wirren von Corethon und dessen Entitäten liegt. Diese architektonisch unmöglichen Bauwerke haben weder Menschen noch Fungi errichtet, sondern eine uralte hochentwickelte Spezies oder sogar Halbgöttern. Diese seit Äonen ausgestorbene Zivilisation liegt auf einem großen Plateau innerhalb des Untergrundes. Was sich am Fuße dieses Plateaus befand, ließ den Verstand eines jeden Menschen augenblicklich zu Scherben zerfallen, so wie den von Erzdekan Michael Bonnington. Um zu verstehen was dort liegt muss ich an die Heilige Himmelspforte im Sôlerben Kloster auf Neu Corethon erinnern, dessen Wächter ich und meine Kameraden vom Solaner Orden waren. Niemand durfte die Pforte betreten, da ansonsten das Reich des Herrn Deyn Cador gefährdet wäre. Doch die Himmelspforte war nicht das einzige Göttertor in der Welt von Athalon.

Im Abgrund unterhalb des vergessenen Königreiches liegt die Höllenpforte, ein riesiges, schwarzes Loch aus dem der Leib Skrettjahs höchstpersönlich versucht, aus seiner Domäne des Chaos in die Welt von Athalon einzudringen. Sollten die Ketten, die Skrettjah umschlingen und seine Kräfte zügeln, jemals vollständig zerbrechen, wäre die Welt von Athalon unausweichlich dem Untergang geweiht - ganz zu Schweigen von der völlig hilflos ausgesetzten Himmelspforte, welche direkt auf der Nachbarinsel liegt. Aber wieso sollte dem Gestaltwandler Ku'gath etwas daran liegen, die Höllenpforte verschlossen zu halten? Die Erkenntnis, die Ku'gath mit mir teilte, ließ mein Weltbild einmal mehr ins Schwanken geraten. Spätestens jetzt war mir klar, dass man die Ordnung nicht allgemein als "Gut", und das Chaos nicht allgemein als "Böse" bezeichnen kann. Denn es ist eine menschliche Eigenheit, die Erzdämonen und dessen Dienerschaft in ein erfassbares System zu zwängen - am Ende meines Tagebuches über die "Bezwingung" der 12 Erzdämonen realisiere ich, dass es närrisch war, dies zu versuchen. Zwar mag diese gezwungene Ordnung für die Heiligen und dessen Aspekte zutreffen, doch die Dämonen zeichnen sich natürlich durch ihr chaotisches Gefüge aus. Wer genau wem unterstellt ist, ist damit fragwürdig. Genau so wenig, wie es vorstellbar wäre, dass eine chaotische Kraft mit einer anderen chaotischen Kraft kooperiert. Damit ein vorübergehenden Bündnis der Dämonen zu Stande kommt, müsste ein unheiliges Wunder geschehen. Nein, jedes dämonische Wesen steht für seinen Egoismus und seine eigene Machtvergrößerung. Welchen Sinn würde Ku'gath darin sehen, die Gesamtheit der Menschen vor die unausweichliche Auslöschung durch Skrettjah zu führen? Er hätte davon überhaupt nichts, außer die eigene Zerstörung durch diese Übermacht. So mag diese Erkenntnis scher verdaulich wirken und auf mich gewirkt haben, doch bei dieser Entität handelte es sich um das erste Wesen, welches die selben Absichten wie ich hatte: Die Erhaltung der menschlichen Rasse. Ku'gath war der Behüter der Höllenpforte, so wie ich der Behüter der Himmelspforte war. Wir teilten ein ähnliches Schicksal, und brauchten einander um unsere jeweilige Bestimmung zu erfüllen.

Doch wie genau können die Menschen vor ihrem Untergang bewahrt werden?

Das Gebilde im Herzen des Palastes ist der Grund für den Verschluss der Höllenpforte. Wer jedoch hinter dieser Seelenwand steckt, haben mir die Erinnerungen Ku'gaths, Starkwetter's und auch die der restlichen Seelen nicht verraten, die bereits Teil des Gebildes waren. Ob es der Gestaltwandler selbst, die Ausgestorbenen oder der Herr war, bleibt wohl im Dunkeln. Dutzende von Schädeln - aus längst vergessener Zeit oder jüngst hinzugefügt - schmückten die Kathedrale. Mit Verlust der Kannibalen kamen schließlich die Fungi-Mutationen dazu, die unheiligen Kinder von Starkwetter. Selbstverständlich ist auch Jannes Starkwetter selbst irgendwann als einer der Köpfe geendet, die mit der Seelenwand verbunden wurden. Durch seine Erinnerungen sah ich, dass er bereits vor geraumer Zeit das Zeitliche gesegnet hatte. Mit den ersten Monaten der Paarung mit den Fungi hatte er seinen Soll zur Rettung der Welt erfüllt. Nach Abschluss dieser Aufgabe und dem Zersplittern seines Geistes durch den Anblick in den Tiefen hatte er auch sein Ende schlussendlich gefunden. Er lebte, wie er starb: Als heroischer, unzerstörbarer Abenteuer, der dem Tod mehrmals trotzte und zu einem der letzten Behüter der Höllenpforte wurde. Er starb mit dem Wissen, einen großen Beitrag zur Erfüllung des Götterplans beigetragen und ewigen Ruhm erlangt zu haben. Beim Aufeinandertreffen mit Jannes Starkwetter im vergessenen Königreich handelte es sich natürlich um Ku'gath, der dessen Form annahm. Tat er es, um das Vertrauen von Michael und Rupert zu erschleichen oder Jannes Starkwetter doch noch ein letztes Mal zu ehren? Warum könnte eine Kreatur des Chaos nicht aus beiden Gründen gehandelt haben?

Als der wahnsinnige Michael Bonnington seine Hände an den Kopf von Starkwetter legte spürte ich, wie an den Grundpfeilern dieser Welt selbst gerüttelt wurde. In diesem Netzwerk der Seelen und Köpfe spürte ich einen kollektiven Schmerzensschrei, der sich auch in mein Fleisch grub. Ein jeder, der hier auch unfreiwillig landete, erkannte welch wichtigen Dienst sie leisteten und waren dankbar, Auserwählte zu sein. Sie wussten, dass die Ketten Skrettjahs mit jeder Seele, die entfernt wird, zu bersten drohten. Doch jeder herausgerissene Kopf fällt wieder dem Laufe der Zeit zur Ungunst und zerfällt zur Asche. Seelen können jedoch andere Seelen ersetzen.. das war es, was Ku'gath mir noch mit auf den Weg gab, bevor meine Augen sich öffneten. Und durch den Schleim erkannte ich den engstirnigsten und selbstgefälligsten Menschen, den ich je erblicken musste, der es wagte das empfindliche Gleichgewicht der Höllenpforte zu stören - Erzdekan Michael Bonnington. Doch ich war noch immer gefangen, und mein Wille zu schwach, um mein Gefängnis zu brechen.. da erschien mir ein wahrhaftig mensch gewordener Engel, der willensstärkste Mensch westlich von Leändrien. Es war mein Prior, Raphael Bonnington. Und in dem Moment dämmerte es mir: Hatte der Herr Raphael damals, noch bevor die erste Prüfung losging, als ich meine Ursünde verbrochen habe, für diesen einen Moment zurückgeholt? Auf dass er mich befreien kann, und ich tun konnte was notwendig war, um die Höllenpforte verschlossen zu halten? Würde mich dann überhaupt eine Schuld treffen für das, was damals geschehen war? Würde es nicht bedeuten, dass es von vornherein geplant war, mich einen "Fehler" begehen zu lassen, damit ich all diese Prüfungen machen würde um Vergebung zu erlangen - Vergebung, die es nicht brauchen dürfte?

Keine Zeit, darüber nachzudenken. Raphael zog mich mit seinen Armen aus dem Schleimgefängnis, hauchte meinem Körper Leben ein. Ich tastete nach meinem Schwert, umschloss den Griff des Anderthalbhänders. Hoffnung machte sich in meinem Herzen breit. Doch ich konnte das, was ich erfahren hatte, was wir tun müssten um die Welt zu retten, nicht mitteilen - denn mein Armreif fehlte. Ich konnte nicht sprechen. Ich dachte, wenn ich schnell genug bin, könnte ich das Schlimmste noch verhindern, dass Heute jemand sterben müsste. Doch zu spät. Michael hatte Starkwetter nicht befreien können, doch Kapitän Rupert Seelbach hatte den Mörder Gunnar Paulsen aus der Seelenwand entfernt. Seelen können durch Seelen ersetzt werden. In diesem Moment wurde mir meine wahre Bestimmung bewusst, und die Bürde die Jannes Starkwetter mir durch seine Erinnerungen übertrug. Ich war Sonnensohn Franziskus Maximilian Gerber, Behüter der Pforten zum Himmel und zur Hölle, Sklave des Götterplans. Michael erwartete mich, mit offenen Armen, und ich rannte zu ihm. Ich zog mein Schwert, mit dem Ziel, seinen Kopf abzutrennen. Um die Menschheit zu retten.

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Die Klinge raste bereits auf den ahnungslosen Erzdekan zu, da stellte sich Rupert vor ihn und stieß ihn zurück. Der Erzdekan stürzte die Treppen hinab, meine Klinge raste auf Rupert zu - es war mir gleich, wen es traf. Der Schädel von Gunnar musste ersetzt werden. Die Klange war kurz davor, den Hals zu treffen, als ein gewaltiges Rummsen uns alle zu Boden warf. Die ganze Stadt bebte für einen kurzen Moment; Skrettjah rüttelte ungeduldig an seinen Ketten. Er spürte, dass sie schwächer wurden. Noch während ich mich erhob musste ich mit an sehen, wie Färber und Bedney auch noch den Schädel von Karl Paulsen befreit hatten. Verzweifelt umklammerte ich den Griff meiner Klinge fester, während Michael und Rupert mich fassungslos ansahen. Michael war so erzürnt und enttäuscht von meinem Verrat, das er sich kampfbereit mit seinem Stockdegen vor mich stellte. Der Hass brodelte in ihm so tief, dass er mich zum Tode verurteilte und versprach, dass die Riedländer nach meinem Ableben meinen Bruder auf grausamste Weise hinrichten würden, die ihnen nur einfallen könnte. Raphael versuchte, den Kampf zu entschärfen, doch es war vergebens. Auch in mir brodelte nun der Hass zu töten, nicht nur die Verpflichtung dazu. Stumm schreiend riss ich meine Klinge hoch, starrte Michael in die Augen mit der Intention ihn zu töten.. und schwankte. Die Erinnerungen kamen hoch. Ich erinnerte mich, wie er stets zu jeder Sternnacht nach Neu Corethon kam um uns einen Tannenbaum zu bringen, den wir dort nicht hatten. Wie er den jungen Drevin Cray als Archäologe unter seine Fittiche nahm und ich sie auf dem Feld in Neu Corethon beschützte während sie alte Knochen ausgruben. Wie ich mit ihm und Werner auf seinem Gutshof in Weidtland anstieß, kurz nachdem wir den Schrecken im Kloster Melissengespent überlebten. Ich konnte es einfach nicht, ich wollte nicht wahr haben, dass es soweit kommen musste. Mein Arm wurde schwach, nur für einen Augenblick. Und diesen nutzte Michael, um mir seinen Stockdegen genau in den Schlitz meines Topfhelmes zu treiben, in mein linkes Auge. Das Blut spritzte aus dem Topfhelm heraus, ich wollte schreien vor Qualen, doch konnte nicht. Ich sah nur noch rot.. und erinnerte mich an die Bürden, die ich tragen musste. Der Schaden saß tief genug, um Michael genug Zeit zu geben, zum Kopf von Starkwetter zurückzukehren. Sofort verwickelte ich den noch verwirrt dastehenden Seelbach in einen Kampf auf Leben und Tod. Ich stach nach vorne, er weichte aus, zur Seite. Färber kam angerannt, verunsichert fragend, wer es gewagt hatte, Hand an Michael zu legen. Instinktiv zeigte ich auf Rupert, noch bevor dieser den Mund aufmachen konnte - da schoss der stürmische Held auf den Kapitän, welcher sich jedoch in Deckung werfen konnte. Als Färber verwirrt zu mir sah, hatte ich die Ablenkung bereits genutzt. Als er den Kopf senkte, bemerkte er, dass mein Anderthalbhänder seinen Brustkorb komplett durchschlagen hatte. Ungläubig ließ er die Donnerbüchse fallen. Eine einzige Träne floss über seine verunstaltete Wange, seine letzten Worte bestanden aus der Frage, warum ich dies getan hatte. Nicht in der Lage, antworten zu können, riss ich meine Waffe aus seiner Brust und trennte ihm mit einem gnadenlosen Hieb den Kopf ab. Georg Bedney schrie aus vollem Halse.

Amelie de Broussard stand plötzlich neben mir, musterte mich mit fragendem Blick, Raphael musste sie befreit haben. Auch den verschollenen Friedrich Ziethen war er gerade dabei, aus dem Schleim zu ziehen. Ich hob den blutenden Kopf von Färber, hielt ihn ihr hin, und deutete auf die Seelenwand. Man kann sich vorstellen, was ihr durch den Kopf gegangen sein mag in diesem Moment, doch sie fügte sich dem Befehl. Sie vertraute mir. Auch Friedrich tat dies, er verstand instinktiv, und stellte sich schützend mit Schwert und Schild vor die mittlere Seelenwand. Michael erkannte, was wir Solaner vor hatten, und bat Raphael flehend darum uns Einhalt zu gebieten. Doch Raphael konnte es nicht aufhalten, und ich nicht erklären, warum. In dem Moment zog Bedney den Kopf von Eham-Djamil Rilfat aus der Seelenwand, und auf einen Schlag verbreitete sich überall Dunkelheit in der Stadt, während ein laut berstendes Geräusch ertönte: Eine Kette, die Skrettjahs Leib umschlang, zerfetzte. Ich spürte, wie sich unzählige Seelen des Chaos befreiten und sich bereits auf den Weg an die Oberfläche machten. Die Höllenpforte war dabei sich zu öffnen und das Mannsweib attackierte unseren Geist, um uns lahm zu legen. Das Beben kam zurück, wurde stärker; Amelie schlug sich zur Seelenwand durch, versuchte, Färbers Kopf einzusetzen. Doch sie hatte zu kämpfen, der Kopf wollte nicht sitzen. Raphael appellierte noch immer an uns, die Waffen niederzulegen, und befreite nun auch Jule Weber aus ihrem Dämmerschlaf. Steinbrocken fielen von der Decke, während das unheilige Wummern des Chaos das gesamte vergessene Königreich aufweckte. Friedrich, der auf den Beinen war, versuchte den am Boden liegenden Seelbach zu töten, doch er scheiterte. Die Beiden kämpften erbittert. Als ich endlich zu mir kam, erkannte ich an der anderen Ecke des Raumes Georg Bedney, wie er sich ängstlich an Heldenmut klammerte. Den Schädel von Rilfat hatte er fallen gelassen, dieser war bereits zu Staub zerfallen, wie die anderen. Mit brutaler Geschwindigkeit raste ich auf ihn zu und erwischte ihn mit einem gewaltigen Ausfallschlag, mein Schwert grub sich tief in seine Hüfte. Weinend und wimmernd fiel er zu Boden, ich drückte meinen Stiefel auf seine Brust damit er nicht entkommen konnte. Junge, verheulte Augen schauten mich flehend an, bettelten um ihr Leben. Ich dachte an Nichts, hörte nur Jule auf mich einschreien. Ich blinzelte einmal, da hatte ich Georg Bedneys Kopf bereits in meiner linken Hand. Rasch drehte ich mich um - Amelie hatte es geschafft, Färber an die Seelenwand anzuschließen. Das Beben verstummte kurz darauf. Ich konnte schnell zur Seelenwand sprinten, all die Bewegungen, die notwendig waren um Bedneys Kopf in das Gebilde einzufügen, hatte Ku'gath mir ins Gedächtnis gebrannt. Der Schädel saß, und das markerschütternde Dröhnen wurde schlagartig still. Jule eilte währenddessen zu Rupert und Friedrich, die noch immer im Kampf verwickelt waren. Der Kapitän hatte es auf die Beine geschafft und sah die anrennende Jule. Er stellte ihr ein Bein, fing sie geschickt auf und hielt ihr im gleichen Zug ein Messer an die Kehle. Seelbach befahl Ziethen, ihn gehen zu lassen, und Jule wurde verschont bleiben. Der besorgte Friedrich knirschte mit den Zähnen, senkte aber seine Waffe und deutete ihm, zu fliehen, was er auch tat. Er und Jule verließen den Palast, während der Kampf um das Schicksal von Athalon gnadenlos weiter tobte. Kapitän Rupert Seelbach und Jule Weber hatten überlebt.

Auch wenn zwei der drei Köpfe mittlerweile wieder eingesetzt wurden, waren die Risse noch immer da. Unzählige Seelen, finstere Wesen und Splitter des Mannsweibs waren bereits freigekommen, trugen sich in die Welt hinaus und würden noch Jahrzehnte später für Unheil sorgen, wenn nicht noch länger. Wie viele finstere Wesen wir während den Zwölf Prüfungen auch verbannt hatten, wir hatten durch diese Expedition zehn mal mehr auf unsere Mitmenschen losgelassen. Ich ließ die Hände von Georg's Kopf ab. Er und sein Vater waren wieder vereint, erfüllten gemeinsam einen unverzichtbaren Dienst. Mein Blick wandte sich zu Michael. Noch immer zerrte der am Boden zerstörte Erzdekan am Kopf von seinem ehemaligen Freund, Jannes Starkwetter, der gar nicht befreit werden wollte. Doch Beide konnten wir es Michael nicht erklären. Da erblickte ich an seinem Handgelenk meinen diamantenen Armreif. In mir wirbelte der pure Hass, der Zorn, das Wehen um meinen Bruder, doch dieses Mal zögerte ich nicht. Mein Anderthalbhänder bohrte sich in das Rückgrat von Michael. Sein Griff um Jannes Wangen verhärtete sich, doch er schaute nicht zurück. Raphael stieß einen entsetzlichen Schrei aus, als er sah, wie die beiden Menschen die er am Meisten liebte sich töteten. Michael keuchte Blut herauf, er lamentierte, dass nun auch ich ihn verraten hatte, und ich ihn früher hätte erledigen sollen. In dem Moment durchbohrte ein Speer die Rippen des Erzdekan, schleuderte ihn an die Seelenwand und nagelte ihn fest. Es war Amelies Speer. Michael stieß mitleiderregende, furchtbare Todesschreie aus, und zum ersten Mal seit langem fühlte ich mich schrecklich für das, was geschah. Raphael hatte die Kalifatin Armira Leylek befreit, und nachdem sie sich befreit und übergeben hatte, wurde sie Zeuge von Michaels grausamen Todeskampf. Raphael stürzte sich von der Ebene der Schleimgefängnisse herunter, streckte die Hand nach Michael aus, rief stockend seinen Namen. Friedrich kam, und als ich ihm deutete, mir meinen Armreif zurückzuholen, hackte er mehrmals auf den Arm von Michael ein. Er zerschlug ihn mit mehreren, unsauberen Hieben, während Michael Bonnington ob all der Schmerzen endlich bewusstlos wurde. Von meiner Starre erwacht und endlich wieder handlungsfähig, holte ich ein letztes Mal aus, um den Kopf meines Erzdekans von den Schultern zu trennen und ihn dort hin zu bringen, wo auch Starkwetter war. Die letzten Worte von Michael Bonnington waren der Name von Raphael, und der von Jannes. Und als auch der letzte fehlende Kopf damit mit der Seelenwand verbunden war, kehrte wieder Stille ein. Die Risse schlossen sich, ich zog meinen Armreif wieder an.. und konnte wieder sprechen. Ich befreite den Körper von Michael aus dem Schädelthron, legte ihn vorsichtig nieder. Raphael stürzte zu seinen Knien, und das erste Mal in den Jahrzehnten, wo ich meinen geliebten Prior kannte, sah ich ihn weinen. Das erste Mal erhob er sich, packte mich am Kragen und schimpfte mich. Das erste Mal versuchte er, mich zu schlagen. Und obwohl ich die Fähigkeit zum Sprechen wiedererlangt hatte, brachte ich kein Wort heraus. Ich, Amelie und Friedrich standen um die beiden Bonnington Brüder herum, die sich in den Armen hielten. Die Dunkelheit und die Kälte, die uns eingeholt hatte, verschwand langsam wieder. Übrig blieb nur das düstere Zwielicht des Vergessenen Königreiches und der unheilbare Schmerz eines Mannes, der seinen Bruder verloren hatte.

Nachdem wir lange trauerten und ich endlich meine Beweggründe erklären konnte, machten wir uns auf, um Jule und Seelbach zu finden. Ein verborgener Pfad jenseits der Kathedrale führte uns zu ihnen. Wir diskutierten offen, was wir mit Seelbach und Leylek nun tun würden. Würden sie über die Höllenpforte schweigen? Müssten wir jemanden hierlassen, der Starkwetters Platz einnahm, und weitere mutierte Fungi zeugte die die menschliche Komponente besaßen? Ich trat erbittert dafür ein, Seelbach im Dorf der Fungi zu lassen, doch erhielt Gegenwehr von allen Seiten. So einigten wir uns darauf, dass Seelbach mit seiner Seelenfänger jedes Jahr Gesindel, wie Verbrecher, durch die Kontakte und dem Geld von Armira Leylek nach Corethon transportieren würde, um die Seelenwand am Leben zu halten. Damit war ich einverstanden, auch wenn der Gedanke, jemand könnte hier herkommen und erneut an der Seelenwand rütteln, mir Unbehagen bereitete. Schweigend bestiegen wir die Seelenfänger, und trafen einen ahnungslosen Paulus Dannfels. Trotz seiner Naivität wusste der Junge hier seltsamerweise, dass er besser keine Fragen stellen sollte. Die Seelenfänger brachte uns zurück nach Neu Corethon. Und auch wenn ich nun um all die Geheimnisse des vergessenen Königreiches Bescheid weiß, so würde die Zeit meines Lebens bei Weitem nicht ausreichen, um sie niederschreiben zu können. Es obliegt denjenigen, die nach uns kommen und eines Tages auf das verlorene Wissen stoßen, was damit anzufangen sei. Und auch wenn ich früher anders entschieden hätte, so bin ich nach vielen Jahren des Grübelns zu der Entscheidung gekommen, dass wir dieses Wissen nicht einfach begraben, verbrennen und vergessen dürfen. Im Vertrauen, in der Menschlichkeit, in der Bildung liegt die Kraft, uns endlich über den Kreislauf des Hasses und des Tötens zu erheben und das nicht enden wollende Rad der Missgunst endgültig zu zerschlagen. Eines Tages werden wir es können, daran glaube ich fest. Und damit dieser Tag kommen kann, schreibe ich meine Erfahrungen nieder.


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Als mein Fuß die Insel betrat, hörte ich unmissverständlich den Ruf des Herrn. Er rief meinen Namen, und ich fügte mich. Ich pilgerte zum Solerbenkloster im Norden, entzündete eine Kerze, stellte sie auf den Altar und stieß so bis zum Heiligtum vor, zur Himmelspforte. Das Siegel leuchtete unerloschen, und der Herr rief erneut nach mir. Er gab mir meine letzte Aufgabe. Bevor der Herr verschwand, ließ er etwas in meinen Händen zurück. Die wahrhaftig gewordene Ordnung, den Samen, welcher das Tor zur Allmacht selbst darstellte. Ich erhielt den Götterfunken, doch ich musste ihn noch in mir aufnehmen. Ich suchte den Schmied, Spat Tharim von Marmoria, auf, welcher mir von einer Vision berichtete. Ich hörte sie mir an und bat ihn, diese in die Tat umzusetzen. Und so kam es, dass mir in Zwölf Hammerschlägen der Götterfunke selbst in die Brust geschlagen wurde. Zwölf Schläge, bis es sich in mein Herz bohrte. Zwölf Schläge, bis ich zur lebendig gewordenen Ordnung wurde, und all meine Zweifel am Götterplan abfielen. Die Zwölf Prüfungen waren vorbei, doch meine Hamartia stand erst noch bevor. Die Opposition der Sterne, das Ende einer Ära - Die Würfel sind gefallen.

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(( OOC-Nachwort ))


Damit ist das Tagebuch von Franz, die Offenbarung eines Paladins, die Zwölf Prüfungen vorerst abgeschlossen! Für den Fall, dass es aufgrund von Geschehnissen im Rollenspiel zu keinem weiteren, echten Abschiedsbeitrag kommt, möchte ich mich jetzt schon herzlichst bei allen bedanken, die bis hier her gelesen und sich meinen Schreibattacken freiwillig ausgesetzt haben. Ich habe 2018 mit dem Schreiben der Einträge begonnen, und dass es fast 4 Jahre gedauert hat um die Geschehnisse fertig zusammengefasst zu bekommen hätte ich selbst nicht gedacht. Es spricht wohl dafür (dass ich ein Faulenzer bin..), wie unfassbar durchdacht, aufwendig, und monumental diese Plotreihe war, die Rene geschaffen hat. Ich hoffe ihr hattet ungefähr so viel Spaß beim Lesen, wie ich beim Schreiben hatte!

Im Grunde habe ich die Erlebnisse von Franz geschrieben, um die Mühe zu würdigen die investiert wurde, den Spaß zu zelebrieren den wir gemeinsam hatten und sich die Erinnerungen an die Plotreihe frisch zu halten. Noch einmal herzlichen Dank an Rene, das alles ist für dich verfasst worden! Du hast es drauf!

Ich möchte aber auch meinen Mitspielern der Zwölf Prüfungen Plotreihe danken, die dieses Abenteuer mit mir erlebt haben. Nur durch euer Mitwirken hat das ganze erst so richtig Spaß gemacht, und auch wenn nicht alle von damals Heute noch hier sind und das lesen, hoffe ich doch, dass sie die gemeinsamen Plotabende nicht vergessen und mit nostalgischem Schmunzeln zurückblicken können. Danke an Christian, Dominik, Arne, Annina und Nico!

Ich hoffe, ich bekomme die Ehre, einen letzten Eintrag für euch posten zu dürfen, meine liebe Community. Vielen Dank, dass ihr seit Jahren eine Heimat für mich seid, in der ich viele Freundschaften aufgebaut habe, die ich so nicht mehr missen möchte. Mich werdet ihr auf jeden Fall so schnell nicht mehr los. Wir sehen uns auf Neu Corethon!

Zitieren

#25
*Halil Al'Faris eilt ganz hibbelig einem aufgebrachten Konstantin Lind hinterher in die Bibliothek. Während Halil vorfreudig den Protektor mit Fragen nervt, stoßen sie auf der Suche nach einem mysteriösen Steinmetz auf ein neuartiges Buch mit perfektem Ledereinband - gezeichnet von einem Solaner Ordensritter im Sonnengruß. Ungläubig öffnet Protektor Lind das Buch, verwirrt schaut Halil ihm über die Schulter, als die Offenbarung von Franz in vollständiger Fassung geöffnet wird..*


Das Ende einer Ära - Der 4. Eismond 1347

Die Zwölf Prüfungen waren zu Ende. Jede einzelne Prüfung formte Paladin Franz Gerber schlussendlich zu Sonnensohn Franziskus Maximilian Gerber; Bewahrer der Pforten zum Himmel und zur Hölle, Träger des Götterfunken. Lange Zeit stand ich bereits im Zentrum des Götterplans, noch bevor die Zwölf Prüfungen begannen, die ich am Anfang als persönliche Herausforderung missverstand. Im Laufe meiner Jahre machte ich unzählige Strapazen durch, jede grausamer und seelenzerfressender als die Letzte, die meinen guten Willen zu brechen vermochten. Ich verlor meine Heimat an die Glühende Klinge, musste meinen eigenen Bruder richten, habe meine Mutter gegen die eigene Stimme getauscht, verwettete die Seelen meiner Schützlinge, erblindete auf einem Auge, wurde mehrmals von meinen Freunden und auch Ordensbrüdern verraten, habe meinen geliebten Prior im Stich gelassen, enge Freunde an die Magie verloren, Unaussprechliches gesehen, bin gestorben und zurückgekehrt, gab Raphael meine Stimme, habe Blutbäder angerichtet, Menschen verspeist und schlussendlich meine eigene Menschlichkeit verloren. Viele Reisen durch den Äther und göttlicher Instanzen ließen meinen Körper pechschwarz verbrennen und völlig entstellt zurück. Doch der Götterfunke, den der Herr mir überreichte und der Schmied Tharim in meine Brust hämmerte, gab mir die nötige Kraft um die Aufgabe zu vollenden, auf die ich seit Jahren vorbereitet wurde. Der Götterplan sollte in Kürze erfüllt werden, und ich endlich von meiner Verpflichtung erlöst werden.

Doch bevor ich berichte, was genau dieser Götterplan nun ist und an jenem schicksalshaften Tag geschah, möchte ich all jenen gedenken, die ihr Leben der Aufgabe widmeten, den Götterplan zu entschlüsseln. Wichtige Werke wurden geschrieben, die Stück für Stück versuchten, die allumfassenden Ambitionen und Hintergründe der kosmischen Giganten zu verstehen und der Menschheit mitzuteilen. Diese Schriften haben mir und meinen Ordensbrüdern einerseits geholfen, zu verstehen in was wir verwickelt waren, und dienen andererseits nun als Legitimität für die Aufrichtigkeit meiner Erzählungen. Ihr Gelehrten, die ihr einen starken Willen aufweist, vergesst auch nicht folgende Werke zu lesen:

  • Das Testament des Carnamagos, geschrieben vom Orakel Carnamagos. Er prophezeite bereits auf Alt-Sorridianisch fünf weitere Auserwählte, die im Zentrum des Götterplan stehen würden: Sich selbst, Carnamagos den Seher, zur Jahreszahl -1500; Jakobus, den Beschützer, zur Jahreszeit 0; Maximilian, den Größten, zur Jahreszeit 1500; Kevin, den Schönen, zur Jahreszeit 3000; Naracy, den Gnädigen, zur Jahreszahl 4500.
  • Das Nekronomikon, geschrieben von Al-Azif, übersetzt von Abdul Alhazred, den wir närrischerweise töteten. Auf Zwölf Seiten prophezeite Al-Azif in kurzen Auszügen Details aus den Zwölf Prüfungen, welche er in Visionen von übernatürlichen Wesen erfuhr. Auch fand Bruder Karl dort die Ritualformel der Transmutation, welche es uns erlaubte, Drevin Cray zurück in einen Menschen zu verwandeln.
  • Das Buch der Himmelskuh, dessen Autor unbekannt ist. Es behandelt die sogenannte Caelestibus, ein wundersames Schiff, welches in der Lage sein soll enorme Strecke über den Luftweg zurückzulegen. Nicht einmal der Himmel stellt eine Grenze da, da sogar fremde Sterne im All mit der Himmelskuh erreicht werden können.
  • Das Picatrix, dessen Autor unbekannt ist. Dieses Astralmagische Traktat beschreibt die Herkunft von Sternen und bietet Informationen zur Astrologie und der Sternendeutung. Auch enthält es kryptische Informationen zur Opposition der Sterne sowie der Position der Himmelspforte, die wir zu verteidigen geschworen haben.

Nicht alle dieser Schriften befinden sich vermutlich noch im Besitz des Solaner Orden auf Neu Corethon. Vielleicht besitzt mein Orden mittlerweile keine mehr und niemand kann sich an die Abenteuer, die wir durchmachten, erinnern. Dennoch bin ich mir sicher, dass einige Abschriften dieser Werke noch zu finden sind. 

Gehen wir nun zurück zum 04. Eismond 1357; es war mein letzter Tag im Solaner Orden Neu Corethon. Der Tag, an dem ich mich hätte verabschieden sollen, doch ich versäumte es. Dies war wahrlich einer der größten Martern, die Deyn mir auferlegt hat - mir zu verbieten, mich von denen die ich liebe gebührend zu verabschieden. Gemeinsam saßen wir am großen Tisch der Eingangshalle der Priorei: Abt Dysmas Friedmann, Prior Raphael Bonnington, Protektor Amelie de Broussard, Ordensritter Jule Weber, Ordensritter Friedrich Ziethen und ich, Ordensritter Franz Gerber. Wir alle hatten Briefe aus der Vergangenheit bekommen, von Freunden, der Familie oder ehemaligen Feinden. 

Der Spion des Renbolder Orden, den wir in Szemää kennenlernten, Noffo Dei. Der Magister der Magierakademie außer Dienst, den ich besonders hasste, Vernon Bonhart. Der Gelehrte, mit dem ich gemeinsam im Kerker von Aironia saß und floh, Buji Beg. Der Komtur des Solaner Orden, der uns stets Kunde von Zandig brachte, Konrad von Erlichshausen. Und der verstörte Kapitän, der mit uns eine schwere Bürde teilte, Kapitän Rupert Seelbach. Sie alle warnten uns von Feinden der Vergangenheit, die gekommen waren, um mit uns abzurechnen: Der Orden der Glühenden Klinge, die sich für den Tod von Werner und ihres Flammenden Pontifex' Lars "Lasse" Jensen rächen wollten. Der Kult der Decrapria, die das Daemonolatreia in unserem Besitz vermuteten und es sich aneignen wollten. Die Kirche des Lebenden Gottes, welche unseren Anteil an der Zerschlagung ihrer Heimat vergelten wollten. Der Riedländer Orden, der auf düsteren Wegen abgedriftet war und meinen Bruder Werner für seinen Verrat richten wollten. Und ein Untersuchungsausschuss der Silvanischen Kirche aus Asmaeth, die uns für das Verschwinden von Erzdekan Michael Bonnington verantwortlich gemacht hatte, und uns dafür den Prozess machen wollte. Sie alle waren unterwegs nach Neu Corethon, mit dem Ziel, unseren Orden endgültig zu vernichten.

Die Briefe waren bereits Wochen alt, wie wir feststellten. Das bedeutet, dass sie jederzeit eintreffen konnte. Der Abtpräses schätze die Ankunft der ersten Partei - der Kultisten Decraprias - auf den 05. Eismond. Wir hatten also einen Tag Zeit, uns vorzubereiten. Es war sinnlos, Hilfe zu rufen, da selbst Unterstützung aus Vladsburg Tage brauchen würde, um auf Neu Corethon anzulanden. So warnten wir den Kommandanten der Stadtwache, der unsere Bedenken abschmetterte. Anstatt den letzten Tag, der mir mit meinem Orden blieb sinnvoll zu nutzen, verschwendeten wir ihn mit Aufrüstung und angstmachenden Gedankenspielen. Doch ich sollte nicht so harsch sein mit mir. Der Götterfunke in meinem Herzen trieb mich mutig voran, ich ermunterte meine Kameraden vor dem bevorstehenden Kampf, und dem ultimativen Sieg unserer Gemeinschaft. Es sollte am nächsten Tag schließlich soweit sein. Wir versammelten uns vor Abt Friedmann, welcher uns ein Geständnis machte: Er war in Wahrheit kein friedliebender, tattriger alter Mann, sondern der ehemalige 3. Kommandant der Sonnengarde. Ein ausgezeichneter Musketenschütze, ein Meister im Gebiet des Tötens, ein Auftragsmörder. Um Verzeihung bat er, doch es gab nichts zu verzeihen. Wir umarmten uns alle ein letztes Mal, gemeinsam. Dann hörten wir die ersten Schreie vor der Priorei, und gleich darauf aus der ganzen Stadt. Ganz Neu Corethon heulte herzzerreißend.

Meine lieben Kinder, ihr müsst jetzt besonders stark sein. Was ich jetzt sage wird für euch fantastisch, ja gar unmöglich klingen. Doch ich habe in diesem Tagebuch noch nie gelogen, und werde es auch jetzt nicht tun. Was an diesem Tag geschah werdet ihr vermutlich alle vergessen haben, vielleicht haben es sogar meine liebsten Mitbrüder vergessen. Bis auf wenige Ausnahmen ist dies ein verlorener Tag für die gesamte Menschheit. Ich frage mich, ob ihr euch daran erinnern könnt, wenn ihr davon lest? Und ob ihr das solltet? Ich werde es wohl nicht mehr erfahren.

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Das Jüngste Gericht - Der 5. Eismond 1347

Es geschah so schnell. Wir zuckten nur einmal mit unseren Wimpern, und es war bereits gekommen. Wir stürmten nach draußen, den Schreien entgegen, und erkannten Neu Corethon nicht wieder. Es donnerte und blitzte, doch am Himmel war keine Wolke zu sehen. Es waren die Sterne selbst, die grell explodierten und unsere Ohren betäubten. Unsere geliebte Sonne war schwarz, wie ausgeweidet. Lediglich ein roter Ring um das schwarze Loch glomm sterbend auf. Sie schien zu schmelzen; einen dünnen, rötlichen Strahl auf Athalon niederzulassen. Grausam leuchtete der blutige Himmel auf uns herab, und Ordensritter Einhart Habinger und Waffenbruder Hartmut Leibecht flogen ihm hilflos entgegen. Doch nicht nur sie. Auch Abt Friedmann begann, langsam in den grauenhaften Himmel aufzufahren. In seinen letzten Atemzügen erteilte er uns noch den Segen des Heiligen Renbold - dann verschwand er. Zusammen mit Leibecht, Habinger, den Bürgern, den Adligen, den Soldaten, den Magiern, all den Feinden die kommen wollten um uns zu jagen, sie waren keinerlei Sorge mehr wert, denn: Ganz Neu Corethon wurde schreiend zu den Sternen gezogen. Denn sie standen richtig, die Opposition war eingetreten, wie Skarabäus Shukran es geplant hatte. Der letzte Kampf zwischen Ordnung und Chaos, die Schlacht von Himmel und Hölle, der Krieg der Gegensätze: Die Endzeit war angebrochen, denn das Jüngste Gericht war gekommen.

Doch nicht nur Neu Corethon fuhr auf, nein. Ganz Athalon wurde davon erfasst. In der patriotischen Hauptstadt Carviel fuhren sie auf. Im schneebedeckten, unbarmherzigen Haldar, über die milden Felder Sorridias, bis zu den Wüste Al'Bastras und den schwülen Inseln Nostriens: Niemand wurde verschont. Egal welche Gesinnung, welches Alter, welche Herkunft, welcher Stand, welcher Glaube. Niemand konnte ihm entrinnen. Niemand, außer den Auserwählten der Götter. Ich, Raphael, Amelie, Jule und Friedrich: Wir blieben standhaft auf unseren Füßen. Und gemeinsam lauschten wir dem Todesschrei der gesamten Menschheit, dem Klang einer aussterbenden Rasse. Doch besonders einen Schrei hörte ich, der alle anderen übertönte. Den meines Bruders, Werner, der die Himmelspforte bewachte. Und als ich meinen Blick Richtung Norden wagte, erkannte ich, dass Schneeflocken anfingen zu fallen. Doch nicht nur das, in wenigen Augenblicken verging sämtliche Vegetation: Bäume verdorrten, verloren ihre Blätter und peitschten sturmgebeutelt, obwohl kein Wind blies. Das Gras wurde grau, aschfahl, der Boden staubtrocken und sämtlicher fruchtbarer Boden war in eine karge, rote Wüste aus Staub und Asche verwandelt worden. Doch Werner schrie noch immer, er schien noch nicht aufgefahren zu sein. Der Götterfunke in mir lechzte panisch nach dem Solerben Kloster, nach der Himmelspforte. Und so trat ich meine letzte Reise auf dem Boden von Athalon an; einem sterbenden Planeten, der keinem Lebewesen mehr Heimat bieten konnte.

Wir kämpften uns zum Norden durch, während rasant ein Schneesturm aufbrodelte. Und obwohl der Himmel rötlich und düster war, blitzten immer wieder helle Lichtstrahlen von den Sternen auf uns herab, und färbten Athalon für den Bruchteil einer Sekunde in grässliche Farben, die wir niemals zuvor erblickt hatten. Und obwohl die gesamte Menschheit gen Himmel auffuhr und der Schneesturm tobte, kehrte eine bedrückende Stille ein. Und trotz der Einöde, in der wir uns befanden, wankte mein Gemüt zu keiner Sekunde. Ich spürte das pochende Herz Deyn Cadors in meiner Brust, welches mich vorantrieb - zu meinem Bruder, der vor dem Kloster in seiner eigenen Blutlache lag. Er hielt sich die Wunde an seiner Hüfte, ein kräftiger Schlag hatte durch die vielen Schichten seiner Zwiebelrüstung geschlagen. Leise berichtete er, dass er überfallen wurde, und die Angreifer zum Siegel vorgedrungen waren. Es waren einfach zu viele. Das Leben war bereits dabei, aus ihm zu entfleuchen, und so kniete ich mich zu meinem Bruder hin. Ich bat Raphael ruhig darum, Werner zu helfen, und er legte Hand an ihn an. Der Herr war es, welcher selbst um seine Existenz rang, welcher die Wunde von Werner verschloss und ihn zu Kräften kommen ließ. Im letzten Moment wurde Werners Tod abgewendet, ich half ihm auf die Beine und schloss ihn in die Arme. Und spürte dann, wie er immer leichter wurde. Mit Tränen in den Augen konnte ich nur zusehen, wie auch Werner behutsam in den Himmel schwebte. Ich hörte ihn meinen Namen rufen.. dann schloss er sich den vielen, kleinen Punkten am Horizont an. Den Menschen, die mitten in das Gemetzel der Sterne gezogen wurden.

Ich sagte ihm im Gedanken stumm Lebewohl, doch Zeit zu trauern blieb uns nicht. Wir hatten das Siegel zu schützen. Trotz dem, das die Menschheit gerade ausgelöscht wurde, mussten wir noch immer dem Herren dienen. Wir drangen in das Kapellengebäude ein. Die Pflastersteine wurden brutal aus dem Boden gerissen, der Weg zum Heiligtum lag hilflos offen. Diesen hinabstürmend drangen wir vor: Alle Schutzmechanismen wurden bereits deaktiviert, sodass wir den langen, geraden Weg bis zum Siegel vordringen konnten. Und dort warteten sie bereits auf uns. All die Schurken, die wir im Laufe der Jahre besiegt hatten, die unsere Zwölf Prüfungen waren: Skarabäus Shukran, Swen Stahlhammer, König Tantalos, Rodrik van Wittelsberg, Gabriel Bonnington, Vincent Viscount, Wendelin Friedberg, Gottfried Heidenreich, die Hexe Emilia, Jannes Starkwetter, Alexander von Zahern und Lars "Lasse" Jensen. Diese Zwölf Seelen, welche dem Mannsweibe gedient hatten, mussten bei dem Kampf um die Höllenpforte unter Corethon aus der Hölle entflohen sein und würden nun, am Jüngsten Gericht, für Skrettjah kämpfen, während wir die Streiter für Deyn Cador waren. Sie verhöhnten uns als sie einzeln hinter dem Siegel hervortraten und uns Rache schworen, bevor sie alle in das Siegel stürzten um den Herren selbst zu attackieren. Seine Stimme war schwach, doch der Herr selbst sprach zu uns und gab uns seinen letzten Auftrag: Verlasst das Kloster und besteigt die Caelestibus. Die Zwölf Siegel mussten wir in seinem Namen gewinnen. Und als wir dies taten, sahen wir am Himmel ein gigantisches Schiff, welches oberhalb des Klosters hängen blieb. Die göttliche Himmselskuh war gekommen um uns aufzunehmen. Als wir an Bord waren schlugen ihre Flügel, und wir fuhren mit ihr in den Himmel hinauf.

So sahen wir über Deck herab nach Athalon. Blau und wunderschön war unsere Welt einst, doch jetzt war sie trist, rot, und geflutet von Menschen die in zwei Richtungen gezogen wurden: Entweder zur Sonne, in das Herz des Herren, oder in die böse Fratze die stetig näher kam, in den Schoße des Mannsweibs. Und als ich meinen Bruder sah, wie er verschont war weil er starb, komme ich nicht herum als mir die Frage zu stellen, was wohl mit jenen passiert, die genau dann sterben, wenn die Götterdämmerung einsetzt? Wohin gehen ihre Seelen? Wir durchstießen die Wolken, bis der Himmel von Blau zu Schwarz überging. Die Himmelskuh flatterte mit ihren Segeln, sie brachte uns zum Mond von Athalon. Es landete auf der kargen, von Kratern gezeichneten Oberfläche. Wir verließen die Himmelskuh, denn der Herr sprach erneut zu uns: Hier waren Verbündete von uns, Freunde, die uns bei unserer Aufgabe helfen würden. Unsere Stiefel setzten auf dem Mond auf, und wir spürten, wie viel leichter wir hier waren. Es benötigte viel weniger Kraft, um zu laufen oder zu springen, und auch wenn es unfassbar kalt sein musste spürten wir, wie die Kraft des Herren uns warm und am Leben hielt. In dem weißen Sand schimmerten ab und wann weiße Gesteinsbrocken, die sich als Specksteine offenbarten. In ihnen pochten wohlwollend die Seelen von guten Freunden, Kameraden und Wegbegleiter, die uns bei unserer letzten Aufgabe zur Seite stehen würden: Der legendäre und unsterbliche Hochmeister des Solaner Orden, Sir Walter Ripel; mein fülliger, schläfriger und treuer Bruder, Werner Gerber; unser friedliebender Meisterschütze, Abtpräses Dysmas Friedmann; die unvollständige Hälfte, welche ihren Bruder verlor, Spion Meier vom Renbolder Orden; der stotternde Wahrheitsbringer und Übersetzer der Heiligen Schrift, Martynas Litwer; Der vom Alter und Wahnsinn gezeichnete Abt des Kloster Melissengespenst, Hugo Feuerstein; der verlorene Priester, welchen ich aufgrund seiner magischen Kraft verstieß, Drevin Cray; und der Freund des verstorbenen Salvyro Notfink, der Drygorechampion Pipo Ponaldo. Mit den Acht Weißen Specksteinen kehrten wir zur Himmelskuh zurück.

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Noch immer donnerte die Stimme des Herren, sie drängte uns, die Siegel aller Zwölf Planeten unseres Sternensystems für den Herren zu gewinnen. Und so steuerten wir mit der Himmelskuh einer galaktischen Eroberung entgegen, unseren alten Feinde noch einmal entgegen tretend, an der Seite unserer lieb gewonnenen Freunde:

  • 1. Nuntius - Al-Hezan - Skarabäus Shukran
Die Schlacht um Nuntius erinnerte an die Kletterpassagen im Äther: Über gefährliche Abgründe mussten wir springen, um Skarabäus Shukran zu erreichen und sein Ritual rechtzeitig zu stoppen, die Höllenpforte zu aktivieren, damit das Siegel für den Herren scheinen würde. Wir beschworen Drevin Cray zu Hilfe, welcher mit seiner Erdmagie einen Steingolem auf Shukran warf und ihn vernichtend traf: Nuntius war ein Sieg für Deyn Cador.

  • 2. Dea - Latheyar - Swen Stahlhammer
Die Schlacht um Dea war ein Überlebenskampf: In der Tiefenschmiede, wo wir das Schwert des Heiligen Mikael schmiedeten, mussten wir einer Schar Dunkeldürren, dem Magier Matthias Gallas und dem dämonischen Swen Stahlhammer überstehen. Trotz einer heftigen Schlacht behielt der Solaner Orden allerdings die Oberhand, die meisten Feinde wurden vernichtet oder abgewehrt, und die Tiefenschmiede konnte aktiviert werden: Dea war ein Sieg für Deyn Cador.

  • 3. Alucina - Xol-Baduar - König Tantalos
Die Schlacht um Alucina warf uns zurück vor die Tore Jeorginas: Wir standen König Tantalos und einer Schar an kannibalistischen Taifuren gegenüber. Der Sieger dieses Kampfes würde das Siegel für sich entscheiden. Doch es kam nie zu einer Schlacht. Ich griff tief in meine Brust und zog aus dem Götterfunken einen blitzenden Sonnenlichtspeer hervor. Diesen ließ ich auf Tantalos niederfahren, und sie alle explodierten zu Asche: Alucina war ein Sieg für Deyn Cador.

  • 4. Advendor - Finthela - Rodrik van Wittelsberg
Die Schlacht um Advendor war ein Pferderennen auf den eisigen Ebenen des Planeten. Wittelsberg hielt eine Ansprache die viel zu lange dauerte, und sobald das Rennen begann starteten die ersten Sabotageakte. Das Rennen wurde nicht einmal beendet, da kurz vor der Ziellinie Rodrik van Wittelsberg von einer Bombe getroffen wurde, welche ihn tötete. Trotz der unzähligen Regelbrüche - oder gerade deswegen - war auch Advendor ein Sieg für Deyn Cador.

  • 5. Morthum - Zephala - Gabriel Bonnington
Die Schlacht um Morthum war der Versuch, aus dem Sanatorium auszubrechen, in das der Nebel von Zephala uns einst gehüllt hatte. Mein Bruder Patrick jagte mich durch den Keller, wo ich die Energiemaschine zerstörte um die Luke zum Dach zu öffnen. Gemeinsam stürmten wir hinauf, fanden Gabriel Bonnington und sprangen mit ihm in den Tod. Mutter Elise erschien, und vergab Raphael und Gabriel ihren Streit: Morthum war ein Sieg für Deyn Cador.

  • 6. Predithon - Zelissra - Vincent Viscount
Die Schlacht um Predithon war ein Brettspiel gegen Vincent Viscount, in dem wir die Figuren waren - und Vincent gezinkte Würfel hatte. Wir beschworen den klugen Martynas Litwer zu Hilfe, doch auch er konnte uns vor der ewigen Trickserei von Vincent nicht bewahren. Schnell war er an der Spitze des Uhrenturmes angelangt, während ich und die glücklose Amelie uns um den letzten Platz stritten: Predithon war ein Sieg für Skrettjah.

  • 7. Vinis - Soahr - Wendelin Friedberg
Die Schlacht um Vinis warf uns in die Magenschleimhaut des Höheren Dämonen Dagon zurück. Es galt, Wendelin Friedberg und die verfluchte Tafel in die Magensäure zu befördern, doch es sollte nicht leicht werden. Friedberg mutierte zu einem Dämon der Tiefenenergie. Er schwebte oberhalb des Magens und wollte einfach nicht stürzen. Friedrich warf sich schlussendlich heldenhaft mit ihm in den Tode und opferte sein eigenes Leben, er konnte jedoch in der Heiligen Wanne der Himmelskuh zurückgeholt werden: Vinis war ein Sieg für Deyn Cador.

  • 8. Rubens - Sahaet - Gottfried Heidenreich
Die Schlacht um Rubens brachte uns zurück ins Kloster Melissengespenst. Die Dunkeldürren wüteten überall, und wir mussten sie mit einem Ritual aufhalten, bevor das Kloster in Flammen aufging. Prior Hugo Feuerstein wurde beschworen, doch der Flammenteufel goss nur noch mehr Öl ins Feuer. Wild eilten wir umher, doch der Sohn von Gottfried, welche die Dunkeldürren beschwor, war bereits tot. So stürmten wir ziellos auf das Dach und wir schlugen Abt Gottfried Heidenreich den Kopf ab, doch zwecklos. Das Kloster ging unweigerlich unter: Rubens war ein Sieg für Skrettjah.

  • 9. Athalon - Xul-Helyph - Hexe Emilia
Die Schlacht um Athalon fand in Burg Ochsenstein in Kaledon statt. Erneut fochten Sir Amonne, McGerbsholm und McBonnington um die Krone Kaledons. Wir beschworen Spion Meier zu Hilfe, doch dieser wurde von der Axt des Amonne am Kopf getroffen und getötet. Ich feilschte mit Amonne um den Donnerkeil, während der Rest die Streithähne beruhigte als auch die Hexe Emilia enttarnte, die sich als Jule ausgab. Der Weidenmann kam, ich stürzte mich mit dem Donnerkeil in seinen Magen und zerstörte ihn: Athalon war ein Sieg für Deyn Cador.

  • 10. Viridis - Cho'theng - Jannes Starkwetter
Die Schlacht um Viridis war eine schnelle. Starkwetter begrüßte uns in der Wächterkuppel unterhalb von Corethon, bevor er die Rundtreppe hinaufstürmte. Der Steingolemwächter attackierte uns, doch ein beschworener Sir Walter Ripel konnte diesen mit seinem Großschwert Hifumi besiegen - doch nicht ohne selbst an seinen schweren Wunden gestorben zu sein. Wir stürmten Starkwetter hinterher und töteten ihn rechtzeitig, sodass auch Viridis ein Sieg für Deyn Cador wurde.

  • 11. Caballus - Decrapria - Alexander von Zahern
Die Schlacht um Caballus kämpfte ich gemeinsam mit meinem Bruder, Werner. Wir irrten in den Katakomben unterhalb der Garnison, auf der Suche nach Graf Alexander von Zahern: In einem Kampf gegen ihn und seine Kreaturen stellte er sich tot, doch wir konnten seine Finte im letzten Moment durchschauen, sodass Friedrich ihm den Gnadenstoß kurz vor Ablauf der Zeit versetzen konnte: Caballus war ein Sieg für Deyn Cador.

  • 12. Sonne - Krosz - Lars "Lasse" Jensen
Die Schlacht um die Sonne war ein brutaler Gruppenkampf auf dem blasphemischen Schrottturm, welchen die Glühende Klinge auf dem Prioreisberg errichtet hatte. Wir standen, zusammen mit unserem Abt Dysmas Friedmann, einem Untoten Lasse Jensen, Ivo, Salvyro Notfink und mehreren feurigen Dekanen gegenüber. Amelie konnte mit Heldenmut allerdings Lasse Jensen vollkommen pulverisieren. Abt Dysmas verabschiedete sich für immer von uns, denn auch wenn er überlebt hatte, würde er nicht zurückkehren. So fuhr er wieder auf, in den Himmel: Und die Sonne war ein Sieg für Deyn Cador.

  • Endkampf: Alienus Dis - Skrettjah gegen Deyn Cador
Zehn Siegel konnte Deyn Cador für sich gewinnen, Skrettjah nur Zwei. Die Himmelskuh flog mit uns direkt in die Himmlische Sphäre Deyn Cadors; sie schleuderte uns von Bord und kehrte in die ewige Ordnung zurück. Wir befanden uns in den Heiligen Hallen des Herren selbst: Ein Paradies aus Ordnung, weißen Säulen, und Standhaftigkeit. Doch das Paradies war in Gefahr. Überall waren rötliche, dornige Tentakeln, Stacheln - und erkannten, dass das kriechende Chaos höchstselbst als Mahlstrom eingefallen war, um den Herren anzugreifen. Doch dann manifestierte sich der Herr höchstselbst: Eine Gestalt in weißer Robe und gleißendem Schwert stellte sich vor uns, hüllte uns in eine Seifenblase, auf dass wir den Kampf schwebend mitverfolgen konnten. Dann standen sich die Götter Mann gegen Mann gegenüber.

Aus Skrettjahs Maul schoss ein schwarzer Strahl, welcher von dem weißen Strahl Deyn Cadors getroffen wurde; dieser wurde aus dem Juwel seines Schwertes geschossen. Die Strahlen prallten aufeinander - ein interstellares Kräftemessen begann. Die Sterne flackerten im Hintergrund, überall schienen sie für die ein- oder andere Seite Partei zu ergreifen. Das Dunkle Chaos gegen die Heilige Ordnung; für nur einen Moment schienen die Strahlen auf gleicher Höhe zu sein. Doch schlagartig kam das Heilige Licht dem Leibe Skrettjahs immer näher, verzweifelt rang das Mannsweib um seine Existenz; von Anbeginn der Zeit an ging es um nur diesen einen Augenblick. Doch Skrettjah unterlag und verging in der blauen Flamme Deyn Cador's - die Ordnung hatte das Chaos endgültig besiegt und aus dem Universum getilgt!

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Abschied - An euch, von 1500 Jahren in der Vergangenheit

Doch wenn der Herr den endgültigen Sieg über Skrettjah errungen hat, warum ist noch immer Böses auf dieser Erde? Warum seht ihr noch immer Magie, Dämonen, Kultisten? Warum hat man diesen Tag einfach vergessen, und die Zeit, sie läuft einfach weiter, als ob nichts geschehen wäre? Auch dafür kann der alte Franz euch eine Antwort geben. Nachdem Skrettjah, und damit in der Konsequenz sämtliches Chaos vernichtet war, überrollte die Ordnung alles Existierende, fing es ein, und ließ es nicht mehr los. Wie ich schon oft habe durchscheinen lassen ist eine Welt der perfekten Ordnung, allein unter der Schirmherrschaft des Herren, nicht so wie wir es uns alle vorgestellt haben. In diesem Universum sah ich fast keine Regung mehr; ein Universum, das zum Stillstand gekommen ist. Eine wunderschöne, absolute Stille, eine menschliche Rasse, die so vollkommen war, dass sie jegliche Menschlichkeit verloren hatte. Denn der Mensch ist nicht perfekt, und er ist nicht in vollständiger Ordnung geboren worden. Wir sind weder Kinder des Chaos, noch Kinder der Ordnung - wir sind eigenständig, selbst denkend und wunderschön. Diese letzte Wahrheit ist wohl die, die am Meisten schmerzt - ein Universum, wo Deyn Cador die Alleinherrschaft inne hat, bedeutet das Ende der Menschheit

Doch ich sah es nur kurz. Denn noch bevor ich mich von meinen Ordensbrüdern verabschieden konnte, griff mich der Herr und schickte mich gegen meinen Willen auf meine aller letzte Reise. Ich wurde zu den Wurzeln des Universums, unserer eigenen Realität, geschickt; einen Ort, von dem alles neu geboren wurde. Ein Ort, der selbst vom Zahn der Zeit verschont bleibt; an dem die Zeit selbst neu geschmiedet werden kann wenn es notwendig ist. Aber es ist ein Ort der Einsamkeit. Ein trister, zwielichtiger Himmel; ein Horizont, der sich in alle Richtungen erstreckt, doch es ist nichts in Sichtweite. Der Boden ein waberndes, festes Grau, so sanft dass man nicht einmal seine eigenen Schritte hört. Ja, ich war wirklich in einer Sphäre, die nicht einmal die Götter mehr erreichen konnten, die Leere war mein einziger Begleiter. Doch nicht ganz. Vor mir sah ich ein Feuer, schwach züngelten einige Flammen an einem stehen gebliebenen Würfel. Und davor kauerte eine Gestalt in abgerissener Robe und vergilbten Sandalen. In ihrer Hand, ein verrostetes Schwert. Langsam hob sie ihren von Falten und verfilztem Bart gezeichneten Kopf und starrte mich ausdruckslos an, bevor sie auf mich zuwankte und das Schwert hob. Mühelos parierte ich die vielen Schläge, bevor ich sie fragte, was es beschützte?

Irgendwann verlor die Gestalt jegliche Kraft, und so fing ich sie auf. Sie fragte mich, wie sie hieß, und ich antwortete: Du bist Jakobus der Hühnerzüchter, der Prophet; derjenige, der der Menschheit das Wort des Herren brachte. Und er erinnerte sich, und schien sich zu freuen, doch dann bettelte er mit kehliger Stimme um Erlösung. Ich schloss ihn tief in meine Arme, doch mit der Rechten stieß ich in den Brustkorb. Es war Jakobus letzte Umarmung; bevor er dahinschied - und auch ich würde wohl für eine lange Zeit, wenn überhaupt, mehr körperliche Nähe zu spüren bekommen. Jakobus zerfiel zu Staub in meinen Armen, seine Seele wurde endgültig befreit. Doch wohin geht eine Seele, hier am Anfang und Ende von allem? Eine Antwort werde ich nicht mehr bekommen. Ich schritt vorsichtig auf das Feuer zu, stand davor, und spürte wie der Götterfunken in meiner Brust hämmerte. Ich wusste es instinktiv: Vor mir hatte ich die Geburtsschmiede der Götter, und ich könnte mit dem Funken in meiner Brust eine Gottheit zurückholen - doch ich spürte auch etwas anderes. Ich hatte bereits den Samen der Göttlichkeit in mir, ich könnte das Konstrukt vor mir verbannen und meine eigene Sonne werden, allmächtig, diesem Joch entfliehen und die Menschheit in ein goldenes Zeitalter führen! Alle würden mich anbeten!

Ich überlegte nicht sehr lange. Ich ein Gott? Nein, das war nicht die Sonne, die ich werden wollte. Mit der Hand fuhr ich in meine Brust, ergriff den Götterfunken, und riss ihn heraus. Mein Herz hörte auf, zu schlagen, doch ich blieb dennoch am Leben. Ich kniete vor der Götterschmiede nieder und opferte den Samen Deyn Cador's, um Skretttjah in seiner Vollständigkeit wiederzubeleben und das göttliche Gleichgewicht wiederherzustellen. Ja, ihr habt richtig gehört - ich bin der Grund, weshalb Skrettjah noch lebt. Ich habe das schlimmst mögliche Verbrechen begangen, das man in den Augen der Ordnung nur begehen kann, doch was ich vor meinen Augen sah war wunderschön. Da der Status-Quo wiederhergestellt wurde, wurden die meisten Seelen, die während der Götterdämmerung in den Himmel gezogen wurden, unbeschadet zurück nach Athalon geholt. Die Menschheit würde lediglich diesen einen Tag vergessen haben, das ist der einzige Schaden, der effektiv entstanden ist. Und dann erkannte ich, dass auch ich hier wahrscheinlich 1500 Jahre lang verharren muss, wartend, bis meine Ablösung kommt. Es wird wohl Kevin, der Schöne, wenn Carnamagos Recht hat. Doch bis dahin hatte ich noch viel Zeit, über alles nachzudenken, und mein Tagebuch fertig zu schreiben.

Was die Konsequenz von alldem ist? Betrogen wurde ich, von Deyn Cador, dem ich so treu gedient hatte! Oh, lange habe ich überlegt, wie ich Rache üben könnte an den Göttern; ich fing an, das Tagebuch fertig zu schreiben, in der Hoffnung die Menschheit würde sich für mich an ihnen rächen, mich nicht vergessen, oder mich sogar herausholen können. Aber mit der Zeit, in der ich reflektierte und meine Taten niederschrieb, wurde mir irgendwann bewusst, dass ich meine eigene Sonne schon lange hatte! Ich hatte eine aufregende Zeit mit meinen liebsten Freunden und Verwandten, wir haben Abenteuer bestritten, zu einander gehalten, zusammen geweint und gelacht. Erinnerungen geschaffen. Auch wenn ich nur Mittel zum Zweck war, wenn ich am Ende des Tages nie wirklich entscheiden konnte wie es ausgeht: Ich habe geliebt und wurde geliebt. Ich hatte alles, was ich mir je vom Leben erwünscht hatte, bereits erlebt. Und jetzt konnte ich wieder einen großartigen Dienst tun, damit diejenigen, die ich liebe, noch viele schöne Erinnerungen gemeinsam miteinander machen können.

Abt Dysmas, endlich verstehe ich, warum ihr mich dieses Tagebuch habt schreiben lassen. Frieden und Vertrauen, wie ihr es mir gelehrt habt: Ich fühle es jetzt. Ich bin dankbar für die Abenteuer, die ich erlebt habe, und kann mein Schicksal nun akzeptieren. Verzeiht mir, werte Leser, wenn ihr eine Kriegserklärung an das Schicksal selbst erwartet habt, doch diese kann ich euch nicht liefern. Ich war immer nur jemand, der gerne auf jemand anderen aufgepasst hat, und hier werde ich ich auf die gesamte Menschheit aufpassen. Die Zwölf Prüfungen waren nur eine kurze Ablenkung von meiner Aufgabe als Aufpasser, doch jetzt muss ich sie wieder erfüllen. Ich bitte euch alle, die ihr das lest: Lebt gemeinsam in Frieden. Liebt so viel wie ihr könnt. Schätzt, was ihr habt, und hört einander zu. Was aber mit den Offenbarungen zu tun ist, die ihr hier erfahren habt: Das überlasse ich allein euch. Der alte Franz war noch nie jemand, der gut im Denken war, ich vertraue voll und ganz auf euch, meine lieben Mitmenschen. Wenn ich mir allerdings einen Wunsch noch erlauben könnte: Ich würde sie gerne noch ein letztes Mal sehen. Friedrich. Jule. Amelie. Raphael. Werner. Eine letzte Umarmung.. ich weiß, das mir dies verwehrt bleibt. Dennoch hoffe ich, dass ihr dies hier eines Tages lesen könnt, denn ich möchte euch sagen: Verzeiht, dass ich so rasch abgereist bin. Lebt Wohl, meine Freunde. Ich werde euch immer lieben, hier am Ende und Anfang aller Dinge.

Vergebt mir, dass ich das Tagebuch nur in selbstsüchtiger Absicht, mir und uns allen zu vergeben und mich ein letztes Mal verabschieden zu können, geschrieben habe. Doch es ist ein schönes Werk geworden, nicht? Ich hoffe, eines Tages kann ich es mit euch teilen. Wenn es mir noch vergönnt sein sollte, hah!

Franziskus Maximilian Gerber
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